– Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt erfordert nachhaltige Sicherung städtischer und ländlicher Unterstützungsstrukturen.
– Nur 6.800 Frauenhausplätze vorhanden, rund 14.000 Plätze zur Istanbul-Konventions-Konformität fehlen.
– Bundesgesetzlicher Schutz- und Beratungsanspruch für gewaltbetroffene Frauen sowie unabhängige Finanzierung gefordert.
Dringender Handlungsbedarf beim Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt in Deutschland
In Deutschland steigt die Zahl der Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt deutlich an, während die vorhandenen Schutzangebote für betroffene Frauen bei weitem nicht ausreichen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte betont deshalb die dringende Notwendigkeit, Beratungs- und Unterstützungsstrukturen sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten nachhaltig zu sichern. Müserref Tanriverdi macht dabei deutlich: Deutschland bleibt mit lediglich etwa 6.800 Frauenhaus-Plätzen weit hinter dem Bedarf zurück. Die Richtlinien der Istanbul-Konvention verlangen hingegen rund 20.800 Plätze – es fehlen also etwa 14.000 freie Plätze für Frauen in Notlagen.
Tanriverdi fordert deshalb nicht weniger als einen bundesgesetzlichen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für gewaltbetroffene Frauen sowie eine unabhängige Finanzierung des Hilfesystems. Die aktuelle finanzielle Unterstützung sei angesichts großer regionaler Unterschiede unzureichend und führe dazu, dass Betroffene ohne Sozialleistungsanspruch für ihre Unterbringung teilweise selbst aufkommen müssen.
Darüber hinaus unterstreicht Tanriverdi: Niedrigschwellige, spezialisierte, barrierefreie und bedarfsgerechte Unterstützung ist nicht nur eine soziale Notwendigkeit, sondern auch eine menschenrechtliche Verpflichtung. Das Hilfesystem müsse allen Gruppen von Betroffenen zugänglich sein, auch Frauen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, mit Behinderungen oder wohnungslose Frauen.
Die Umsetzung der Istanbul-Konvention, die in Deutschland seit dem 1. Februar 2018 gilt, bleibt eine zentrale Herausforderung. Ein Evaluationsbericht der GREVIO-Expertengruppe von September 2022 weist ausdrücklich auf den anhaltenden Handlungsbedarf hin. Für Tanriverdi ist klar: Die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention ist eine gemeinschaftliche Aufgaben aller staatlichen Ebenen.
Warum der Schutz vor Gewalt gegen Frauen eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ist
Der Schutz vor Gewalt gegen Frauen bleibt eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe, die weit über individuelle Einzelschicksale hinausgeht. Die aktuelle Debatte zeigt, dass strukturelle Hintergründe maßgeblich zu der problematischen Situation beitragen. Gewalt gegen Frauen ist kein isoliertes Phänomen, sondern spiegelt tief verwurzelte Machtverhältnisse, Geschlechterrollen und gesellschaftliche Normen wider. Daher ist die Weiterentwicklung von Schutz- und Präventionsmaßnahmen nicht nur Aufgabe von Justiz und Polizei, sondern erfordert ein ganzheitliches gesellschaftliches Engagement.
Der Ausbau von Schutzstrukturen stockt aus unterschiedlichen Gründen: Oft fehlen koordinierte Konzepte und ausreichende Ressourcen, um Betroffene effektiv zu unterstützen. Zudem besteht eine Diskrepanz zwischen gesetzlichem Anspruch und praktischer Umsetzung, die Betroffene vielfach in unsicheren oder gar gefährlichen Situationen zurücklässt. Die Gesellschaft ist gefordert, Sensibilität und Aufmerksamkeit für die Problematik zu erhöhen und Barrieren im Hilfesystem abzubauen.
Istanbul-Konvention: Internationale Bedeutung & nationale Umsetzung
Die Istanbul-Konvention als internationales Abkommen stellt einen wichtigen Rahmen dar, der den Schutz von Frauen vor Gewalt systematisch verbessern will. Allerdings zeigt die Umsetzung im nationalen Kontext, wie vielschichtig die Herausforderungen sind. Unterschiedliche Staaten agieren hier sehr unterschiedlich, was die Effektivität der Konvention beeinträchtigen kann. Die Bandbreite reicht dabei von umfassenden gesetzlichen Änderungen bis hin zu begrenzten Maßnahmen oder verzögerten Umsetzungen. Diese Divergenzen verdeutlichen, wie breit gefächert die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sind, die zum Schutz vor Gewalt erforderlich sind.
Zentrale Herausforderungen beim Ausbau von Schutz- und Präventionsmaßnahmen sind:
- Mangelnde personelle und finanzielle Ausstattung der Hilfseinrichtungen
- Unzureichende Vernetzung zwischen verschiedenen Akteuren in Justiz, Sozialarbeit und Gesundheitswesen
- Gesellschaftliche Tabuisierung und fehlende Sensibilisierung für das Thema
- Komplexität der rechtlichen Umsetzung und Erfordernis verschiedener Institutionen zur Zusammenarbeit
Vor diesem Hintergrund ist ein kontinuierlicher gesellschaftlicher Dialog unabdingbar, um die Strukturen nachhaltig zu verbessern. Die Entwicklung von Schutzmaßnahmen und Präventionsstrategien muss stetig an neue Erkenntnisse angepasst werden, um dem umfassenden Schutz vor Gewalt gerecht zu werden. Gerade weil dieses Thema den gesellschaftlichen Zusammenhalt betrifft, verlangt es Engagement über einzelne Politikfelder hinaus, hin zu einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung.
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Gewalt gegen Frauen: Beratungs- und Unterstützungsstrukturen in Stadt und Land …
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