Hilfsmittelversorgung in Deutschland am Limit: Bürokratie und Fachkräftemangel erfordern dringend Reformen

Alf Reuter, Präsident des Bundesinnungsverbands für Orthopädie-Technik, kritisiert, dass rund 380.000 Einzelverträge in der Hilfsmittelversorgung Zeit, Personal und Geld verschlingen und für Patient:innen kaum nachvollziehbar sind. Zugleich fehlt laut KOFA-Umfrage in über 90 Prozent der orthopädietechnischen Betriebe qualifiziertes Fachpersonal, was die wohnortnahe Versorgung weiter gefährdet. Reuter fordert deshalb eine rasche Reform, um Bürokratie abzubauen, Effizienz und Transparenz zu steigern und die Bedürfnisse hilfsmittelabhängiger Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
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Reformbedarf in der Hilfsmittelversorgung: Kritik am Vertragschaos und Fachkräftemangel

Die Hilfsmittelversorgung in Deutschland steht vor erheblichen Herausforderungen, die zunehmend offen diskutiert werden. Der Präsident des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT), Alf Reuter, bringt die Situation prägnant auf den Punkt: „Deutschland ist ein Vertragsalptraum für die Hilfsmittelversorgung von Patienten“. Einer der Hauptgründe dafür ist die Komplexität der administrativen Infrastruktur: Der Verband betreut allein im Hilfsmittelbereich rund 380.000 Verträge, die von den Mitgliedsbetrieben erfüllt, abgerechnet und auch von den Gesetzlichen Krankenversicherungen kontrolliert werden müssen. Für die Patienten bleibt dabei oft unklar, „welche Verträge für ihre individuelle Hilfsmittelversorgung gelten“.

Diese Problematik führt nicht nur zu einem enormen bürokratischen Aufwand, sondern auch zu einer erheblichen Verschwendung von Ressourcen hinsichtlich Personal, Zeit und Kosten. Angesichts steigender Versorgungskosten und eines akuten Fachkräftemangels mahnt Reuter, dass sich die Gesellschaft eine solch ineffiziente Praxis „nicht leisten“ kann. Tatsächlich zeigt eine Auswertung des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) aus dem Jahr 2021, dass der Fachkräftemangel im Bereich Orthopädietechnik und Sanitätshaus sogar noch größer ist als im Pflegebereich.

Die Situation wird durch eine Umfrage des Bündnisses „Wir versorgen Deutschland“ bestätigt, der auch der BIV-OT angehört: Bereits im November 2022 gaben über 90 Prozent der orthopädietechnischen Betriebe und Sanitätshäuser an, dass sie qualifizierte Mitarbeiter für die Patientenversorgung vermissen. Reuter unterstreicht, dass insbesondere Fachkräfte wie Meister und Gesellen gefehlt werden, die ärztliche Verordnungen verstehen und die Versorgung vor Ort verantworten können. Die umfangreiche Bürokratie und der hohe Vertragsaufwand erschweren dies jedoch erheblich.

Vor diesem Hintergrund fordert Alf Reuter eine dringende Reform der Hilfsmittelversorgung in Deutschland, um die gegenwärtigen Missstände zu beheben und die Bedürfnisse der Menschen, die auf Hilfsmittel angewiesen sind, in den Mittelpunkt zu stellen.

Die Problematik wurde auch bei einer Veranstaltung der Kanzlei Hartmann am 25. Januar 2024 thematisiert, die nach einer pandemiebedingten Pause die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit Fokus auf die Hilfsmittelbranche und den Reformstau in der Versorgung in den Blick nahm. Neben Alf Reuter sprachen unter anderem Andreas Brandhorst vom Bundesministerium für Gesundheit, Dr. Jan Helmig von der opta data Group sowie Prof. Dr. David Matusiewicz als Digitalisierungsexperten im Gesundheitswesen.

Als Spitzenverband repräsentiert der BIV-OT mehr als 4.500 Sanitätshäuser und orthopädietechnische Werkstätten mit über 45.000 Beschäftigten, die jährlich über 25 Millionen Hilfsmittelversorgungen in mehr als 30 Bereichen in Deutschland durchführen. Dieser enorme Umfang unterstreicht die Dringlichkeit einer Modernisierung der Hilfsmittelversorgung.

Wie Bürokratie und Fachkräftemangel die Versorgung belasten

Die Verbindung aus bürokratischem Aufwand und Fachkräftemangel wirkt sich zunehmend negativ auf die Versorgungssituation für Patienten und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus. Bürokratische Hürden verzögern Abläufe und verschärfen das Vertragswirrwarr, wodurch administrative Aufgaben die Zeit und Kraft binden, die eigentlich für die direkte Versorgung gebraucht werden. Gleichzeitig führt der Mangel an qualifiziertem Personal dazu, dass diese Belastungen sich noch stärker bemerkbar machen – Engpässe in der Pflege und medizinischen Betreuung sind spürbar.

Dieses Zusammenspiel beeinträchtigt nicht nur die individuelle Patientenversorgung, sondern hat auch gesellschaftliche Bedeutung: Wenn Versorgungssysteme stocken, wächst die Belastung auf alle Beteiligten und letztlich auch auf das Gesundheitssystem insgesamt. Ähnliche Herausforderungen zeigen sich auch in anderen Branchen, die durch Fachkräftemangel und komplexe Regelwerke geprägt sind, zum Beispiel im Sozial- oder Bildungsbereich. Dort werden ebenfalls die Folgen von Überforderung und Verzögerungen sichtbar, die langfristig die Qualität leidet.

Ein zentraler Aspekt bei der Bewältigung dieser Herausforderungen ist die Digitalisierung. Durch den Einsatz moderner Technologien können bürokratische Prozesse verschlankt und Abläufe effizienter gestaltet werden, was Personal entlastet und die Behandlung beschleunigt. Zugleich verlangt die digitale Transformation qualifizierte Mitarbeitende, deren Ausbildung und Einsatz aber durch den Fachkräftemangel erschwert werden. Ohne ausreichende Konzepte und Investitionen in digitale Infrastrukturen und Personalentwicklung bleibt die Situation angespannt.

Was bedeutet der Reformstau für Patienten und Gesellschaft?

Für Betroffene heißt der aktuelle Reformstau, dass sie sich mit längerfristigen Verzögerungen, eingeschränkter Versorgung oder weniger individueller Betreuung konfrontiert sehen. Beschäftigte stehen unter verstärktem Druck, der zu Überlastung und Unzufriedenheit führen kann – Faktoren, die wiederum den Fachkräftemangel verschärfen. Gesellschaftlich drohen durch anhaltende Blockaden steigende Kosten und eine Abnahme der Versorgungsqualität.

Diskutiert werden Lösungen wie vereinfachte Vertragsstrukturen, bessere digitale Angebote und eine gezielte Fachkräfteförderung. Dabei geht es um einen ganzheitlichen Ansatz, der bürokratische Vereinfachung und Personalentwicklung gleichzeitig angeht. Eine weitere Verschleppung von Reformen könnte die gesamten Versorgungssysteme weiter destabilisieren, während mutige Reformimpulse den Weg zu einer nachhaltigeren und effizienteren Versorgung ebnen würden.


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Deutschland ein Vertragsalptraum für die Hilfsmittelversorgung von Patienten – …

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