Kinder und Gewalt: Zahlen zeigen drastischen Anstieg nach Lockdowns
Die Lockdowns haben bei vielen Familien in Deutschland für Überforderung und Stress gesorgt. Wie sich nun zeigt, hat sich das auch auf die Zahlen der kindlichen Gewaltopfer ausgewirkt. Heute stellten der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus, in der Bundespressekonferenz die alarmierenden Zahlen vor.
Besonders beunruhigend ist, dass Kinder nicht nur Opfer von Gewalt werden, sondern auch selbst sogenannte Tatverdächtige sein können. Laut den Erhebungen waren im Jahr 2022 10,7 Prozent der Tatverdächtigen unter 14 Jahre alt und weitere 19,5 Prozent zwischen 14 und 18 Jahre alt. Insgesamt macht diese Altersgruppe somit 31,3 Prozent aller Tatverdächtigen aus.
Die Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. sieht in diesen Zahlen einen klaren Handlungsbedarf. Prävention von sexualisierter Gewalt muss so früh wie möglich ansetzen, dem Grunde nach zu Hause beginnend über die KiTa bis in die Schule. Zudem fordert der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, eine tiefergehende Analyse der Gründe für den Anstieg dieser Taten: „Prävention braucht Hintergründe, Prävention braucht Forschung. Wir brauchen mehr praxisorientierte Forschung insbesondere in den Polizeihochschulen aber auch in anderen Bereichen”.
Im Deliktsbereich Besitz und der Verbreitung von kinderpornografischem Material machen die Zahlen die Tendenz deutlich, dass Kinder immer häufiger digital miteinander kommunizieren, ohne über das dafür notwendige Unrechtsbewusstsein zu verfügen. Häufig versenden sie so genanntes von ihnen selbst oder anderen Kindern erstelltes kinderpornografisches Material an eine Vielzahl Dritter. Damit werden alle Beteiligten zu Tatverdächtigen, was auch den deutlichen Anstieg der Verfahren gegen ab 14-Jährige begründet.
Die Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. begrüßt dennoch nach wie vor den Verbrechensstatus dieser Delikte. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich um schwere und schwerste sexuelle Gewalt, die Kindern angetan wurde. Für den Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, liegt die Lösung dieses Konflikts in einer angemessenen gesetzlichen Differenzierung.
Grundsätzlich wichtig zur Bekämpfung von Besitz und der Verbreitung kinderpornografischen Materials ist zudem die Möglichkeit der Speicherung von IP-Adressen. Die politische Position, auf mehr Ermittler*innen und mehr Prävention zu setzen, statt eine Speicherung der IP-Adressen Tatverdächtiger zuzulassen, ist aus Sicht der Deutschen Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. nicht ausreichend. Stattdessen sollten den Ermittler*innen die rechtlichen Möglichkeiten gegeben werden, um die ausufernde sexuelle Gewalt gegen Kinder im Netz endlich nachhaltig zu bekämpfen.
Die Deutsche Kinderhilfe – Die ständige Kindervertretung e. V. ist erschrocken darüber, dass auf die drastisch angestiegenen Zahlen der Kriminalität von Kindern unter 14 Jahren von offizieller Seite anscheinend hilf- und ratlos reagiert wird. Daher fordert Rainer Becker: „Das ist die Generation, die unsere Zukunft prägen wird, die Menschen, von denen wir einmal liebevoll und achtsam gepflegt werden wollen. Wir haben diese Kinder und Jugendlichen in den Zeiten der Lockdowns zu oft vergessen und müssen uns jetzt mit den Folgen auseinandersetzen und diesen Kindern endlich echte Unterstützung geben”.
Um die Probleme bekämpfen zu können, sind daher aus Sicht der Kinderhilfe flächendeckende valide Daten etwa zu den Tatorten, den sozialen Verhältnissen aus denen die Täter*innen stammen, konkret auch zur wirtschaftlichen Situation der Eltern zu erheben. Denn Prävention kann nur so gut und so erfolgreich sein, wie sie über eine verlässliche Datenbasis verfügt.