– Zwei Gutachten kritisieren Reformpläne des Bundesgesundheitsministeriums zu Präsenzpflicht und Honorierung.
– Verfassungsrechtliches Gutachten betont ständige Apothekerpräsenzpflicht für Arzneimittelsicherheit und Patientenwohl.
– Wirtschaftsgutachten warnt: Honoraranpassungen ohne zusätzliche Finanzmittel bremsen Apothekensterben nicht.
Die Debatte um die geplante Apothekenreform im Überblick
Die aktuelle Diskussion um die Zukunft der Apotheken in Deutschland gewinnt an Brisanz, da zwei neue Gutachten wesentliche Einblicke und Bewertungen zu den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) vorlegen. Anlass der Debatte ist die geplante Apothekenreform, mit der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Berufsbild und die Honorierung von Apotheken neu ausrichten möchte. Dagegen richten sich die Studien, die von der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände in Auftrag gegeben wurden.
Ein verfassungsrechtliches Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, betitelt „Apothekerliche Präsenzpflicht in der Apotheke“, hebt hervor, dass das Apothekenwesen essentiell für die Arzneimittelsicherheit und das Patientenwohl ist. Die staatliche Aufsicht über die Apotheken erfüllt nach Di Fabio eine Schutzpflicht, die aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit resultiert. Folglich bedarf jeder Schritt, der von diesem Prinzip abweicht, einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung hinsichtlich seiner Angemessenheit und Notwendigkeit.
Diese rechtliche Perspektive wird von der ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening unterstützt. Sie unterstreicht die Bedeutung des Gutachtens und warnt vor den Auswirkungen einer Lockerung der Anforderungen an die physische Präsenz von Apothekerinnen und Apothekern in Apotheken. Ihrer Meinung nach würde dies zu einem Qualitätsverlust in der Versorgung und zu Kürzungen der Leistungen führen, die den Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen.
Ein weiteres wichtiges Element der Debatte stellt das wirtschaftliche Gutachten von Volkswirtschaftsprofessor Dr. Georg Götz dar. Es analysiert die vorgeschlagenen Änderungen der Apothekenhonorierung, insbesondere die Verschiebung vom variablen zum fixen Zuschlag. Die Frage, ob eine Reduktion des variablen Zuschlags zugunsten eines höheren fixen Zuschlags das sogenannte Apothekensterben bremsen könnte, wird skeptisch betrachtet. Götz kommt zu dem Schluss, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht ausreichen würden, um die finanzielle Lage vieler Apotheken zu verbessern. Ohne zusätzliche finanzielle Mittel sei keine signifikante Verbesserung der Versorgung oder ein Halt des Rückgangs der Apothekenzahl zu erwarten.
Die Kritik an den Reformplänen wird auch vom Deutschen Apothekerverband (DAV) deutlich formuliert. Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), kritisiert die Vorschläge des BMG als unzureichend und warnt davor, dass die Umsetzung dieser Pläne die flächendeckende Versorgung mit Apotheken weiter gefährden könnte.
Die Gutachten und Stellungnahmen zeigen damit eine klare Skepsis gegenüber den geplanten Veränderungen und heben die Risiken für Qualität, Versorgung und wirtschaftliche Stabilität der Apotheken hervor.
Was eine Apothekenreform für Gesundheit und Gesellschaft bedeutet
Apotheken sind weit mehr als reine Arzneimittelausgabestellen. Sie sind ein unverzichtbarer Teil der Daseinsvorsorge und übernehmen eine zentrale Rolle für die Sicherheit und Versorgung der Bevölkerung. Die Präsenzpflicht von Apothekerinnen und Apothekern stellt sicher, dass Patientinnen und Patienten vor Ort persönliche Beratung und individuelle Betreuung erhalten können – von der kompetenten Arzneimittelberatung bis zur Unterstützung bei komplexen Therapien. Dieses direkte menschliche Element kann durch reine Digitalangebote nicht ersetzt werden, denn es sichert die Patientensicherheit und fördert das Vertrauen in das Gesundheitssystem.
Die anstehende Apothekenreform steht somit nicht nur für eine Anpassung gesetzlicher Rahmenbedingungen, sondern berührt grundsätzliche Fragen der Gesundheitsversorgung. Besonders im ländlichen Raum sind Apotheken für die Erreichbarkeit von Medikamenten und die Gesundheitsbetreuung unerlässlich. Wenn die Versorgung dort geschwächt wird, entstehen Versorgungslücken, die gesundheitliche Risiken verstärken und die regionale Gesundheitsinfrastruktur gefährden.
Im internationalen Vergleich sind Lösungen zur Digitalisierung und Öffnung von Apotheken stark unterschiedlich. Manche Länder erlauben mehr Versandhandel und automatisierte Angebote, während andere auf eine stärkere lokale Präsenz setzen. Verantwortungsvolle Digitalisierung bietet Chancen, etwa durch unterstützende Telepharmazie oder digitale Informationsangebote, muss aber stets den persönlichen Kontakt und die Versorgungsqualität wahren.
Aktuelle und künftige Herausforderungen im Apothekensektor lassen sich in wenigen Punkten bündeln:
- Sicherstellung flächendeckender Präsenz apothekerlicher Beratung
- Gewährleistung der Patientensicherheit trotz wachsender digitaler Angebote
- Stärkung der Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum
- Anpassung an den Innovationsdruck durch technologische Entwicklungen
- Erhalt und Entwicklung nachhaltiger Zukunftsmodelle im Apothekenwesen
Während Reformen hier sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringen, liegt der Fokus auf einem ausgewogenen Vorgehen, das den Schutz der persönlichen Gesundheitsbetreuung garantiert und zugleich Innovation zulässt.
Unverzichtbar bleibt die gesellschaftliche Debatte über die nächsten Schritte: Welche gesetzlichen Anpassungen sind notwendig, um die Apotheken als Eckpfeiler der gesundheitlichen Daseinsvorsorge zu erhalten? Wie lassen sich örtliche Versorgung und innovative Modelle sinnvoll miteinander verbinden? Politische und gesellschaftliche Impulse werden entscheidend sein, um in einer sich wandelnden Gesundheitslandschaft die Balance zwischen Zugang, Sicherheit und Fortschritt zu wahren.
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Gutachter warnen vor Apothekenreformplänen von Bundesgesundheitsminister Lauterbach
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