Bremen (VBR). In einem bemerkenswerten Schritt zur Anpassung des Familienrechts an die Realitäten moderner Familienkonstellationen hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe ein wegweisendes Urteil gefällt. Am 9. April 2024 entschied das Gericht zugunsten eines Vaters, der nicht nur biologischer Erzeuger seines Kindes sein wollte, sondern auch als vollwertiger, rechtlicher Vater anerkannt werden wollte. Mit dem Urteil, AZ 1 BvR2017/21, bricht das BVerfG mit dem bisherigen „Zwei-Eltern-Prinzip“, das vorschrieb, dass ein Kind lediglich zwei rechtliche Elternteile haben darf. Die Bundesvorsitzende des Interessenverbandes Unterhalt und Familienrecht (ISUV), Melanie Ulbrich, lobte das Urteil: „Leibliche Väter dürfen nicht zu Zahlemännern und Erzeugern degradiert werden. Viele wollen Väter sein, bemühen sich um die Kinder. Ihnen müssen entsprechende Rechte eingeräumt werden.“
Dieses Urteil markiert einen Wendepunkt in der Betrachtung von Familienstrukturen und des Kindeswohls in Deutschland. Laut dem BVerfG muss das Elternrecht des leiblichen Vaters neu gestaltet und erweitert werden, was eine Abkehr von dem bis dahin geltenden §1600 BGB bedeutet. Es ermöglicht nun, dass neben der Mutter und dem rechtlichen Vater auch der leibliche Vater rechtliche Elternschaft besitzen kann, besonders in Fällen, wo der rechtliche Vater bereits eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind hat. Damit eröffnet das Gericht explizit den Weg für eine sogenannte „Dreierelternschaft“, die es bisher aufgrund der rechtlichen Beschränkungen so nicht gab.
Monika Roth, Fachanwältin für Familienrecht und ISUV-Vorstandsmitglied, betont die positiven Auswirkungen dieser neuen Rechtsgrundlage: „Ein Trennungskind kann dann auch drei Elternteile haben. Das Bundesverfassungsgericht hat rechtlich den Weg zu einer Dreierelternschaft neben der Doppelelternschaft eröffnet.“ Dies ermögliche, dass Kinder von einem größeren Netzwerk an Verantwortlichkeit und Fürsorge profitieren könnten, während „Eltern“ zum Wohle des Kindes Verantwortungs- und Betreuungsvereinbarungen erarbeiten.
Das Gericht macht jedoch auch deutlich, dass nicht zwingend alle drei Elternteile die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind haben müssen. Es gesteht dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu, den drei Elternteilen unterschiedliche Rechte zuzugestehen. Entscheidend sei dabei stets das Wohl des Kindes. Die Feststellung des BVerfG, dass der leibliche Vater nicht einfach ignoriert werden kann, da er für die Identitätsfindung des Kindes wesentlich ist, unterstützt dieses Vorhaben.
Das Urteil gibt auch Hinweise auf potenzielle Konflikte, stellt jedoch klar, dass bei einer funktionierenden Dreierelternschaft der Bedarf von gerichtlichen Entscheidungen minimiert werden kann. Dennoch bleibt die Frage, wie mit Situationen umgegangen wird, in denen zwischen den Elternteilen Streitigkeiten bestehen. Das BVerfG hat zwar eine richtungsweisende Entscheidung getroffen, doch es obliegt nun dem Gesetzgeber und den beteiligten Familien, diese in die Praxis umzusetzen.
Bundesjustizminister Buschmann wurde aufgefordert, bis zum 30. Juni 2025 eine entsprechende Rechtsanpassung vorzulegen, um dieser neuen Realität gerecht zu werden. Es ist ein entscheidender Schritt hin zu einer inklusiveren und gerechteren familienrechtlichen Landschaft in Deutschland, die die Bedeutung verschiedener Elternrollen für die Entwicklung und das Wohl des Kindes anerkennt.
Die ISUV, die sich seit über 45 Jahren für die Kompetenz im Familienrecht einsetzt und die Interessen von Bürgern vertritt, die von Trennung, Scheidung und dadurch entstehenden Problemen betroffen sind, sieht in diesem Urteil einen bedeutenden Fortschritt. Es bleibt abzuwarten, wie die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen das Familienrecht in Deutschland prägen werden und wie sie zur Lösung von Konflikten und zur Förderung des Kindeswohls beitragen können.
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„Drei-Eltern-Prinzip“: Kindeswohl in der Praxis einer Trennungsfamilie
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