– foodwatch wirft Ernährungsministerium geschönte 15-Prozent-Zuckerreduktion vor.
– Max-Rubner-Institut weist tatsächliche Reduktion von nur 9,1 % wegen methodischer Ungenauigkeiten aus.
– Freiwillige Zuckerreduktion senkte Zuckergehalt nur um 0,6 g je 100 ml – weit unter britischem Niveau.
Streit um Zahlen zur Zuckerreduktion: Kritik an Ministeriumsberichterstattung
foodwatch wirft dem Bundesernährungsministerium vor, Zahlen zur Zuckerreduktion bei Erfrischungsgetränken bewusst positiver darzustellen, als es die offiziellen Daten erlauben. Im frisch veröffentlichten Bericht des Max Rubner-Instituts (MRI) wird eine Zuckerreduktion von 9,1 Prozent gegenüber 2018 ausgewiesen. Das Ministerium hingegen spricht von knapp 15 Prozent – eine Zahl, die im Bericht nicht ausdrücklich genannt wird, sondern nur durch eine eigene Berechnung hervorgeht. Dabei warnt das MRI selbst vor methodischen Unsicherheiten bei der Auswertung.
Der Konflikt um die Kommunikation ist deutlich: „Das Ernährungsministerium verkauft die angebliche 15-Prozent-Zuckerreduktion als großen Schritt – dabei sagt das Max Rubner-Institut klar, dass die Unterschiede beim Zuckergehalt womöglich gar nicht durch eine echte Reduktion, sondern durch Mängel bei der Stichprobenerhebung zu erklären sind“, kritisiert Luise Molling von foodwatch. Sie wirft Minister Alois Rainer vor, die freiwillige Reduktionsstrategie als Erfolg verkaufen zu wollen „– obwohl sie in Wahrheit versagt hat“.
Während die 9,1 Prozent die gesamte Bandbreite der Erfrischungsgetränke auf dem Markt abdecken, beziehen sich die vom Ministerium hervorgehobenen 15 Prozent nur auf besonders absatzstarke Produkte. Doch selbst dort räumt das MRI ein, dass die Datenlage „Schwächen aufweist“ und die „Unterschiede im Zuckergehalt… auch methodisch bedingt sein und sind nicht zwingend auf eine Veränderung unter den absatzstärksten Produkten zurückzuführen“. Zudem könne es sein, dass in der ursprünglichen Auswertung „einige marktrelevante Produkte nicht identifiziert wurden“. Trotz dieser Vorbehalte setzen Ministerium und Industrie diese Zahl prominent in ihren Pressemitteilungen ein – was foodwatch scharf kritisiert.
Die tatsächliche Veränderung fällt zudem eher gering aus: Eine Zuckerreduktion von 9 Prozent entspricht laut MRI einer Abnahme des Zuckergehalts von 6,3 Gramm auf 5,7 Gramm pro 100 Milliliter – also gerade einmal 0,6 Gramm weniger Zucker im Durchschnitt. Im internationalen Vergleich zeigt sich hier eine deutliche Diskrepanz: In Großbritannien ist der durchschnittliche Zuckergehalt in Getränken seit Einführung einer Abgabe für besonders zuckerhaltige Produkte um 35 Prozent gesunken. foodwatch fordert seit längerem eine ähnliche Herstellerabgabe auch in Deutschland, die jedoch von der Union bisher abgelehnt wird.
Die Debatte um die Zahlen verdeutlicht die Problematik der freiwilligen Zuckerreduktion in Deutschland, bei der erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit und an der Transparenz der Berichterstattung bestehen.
Warum die Zuckerfrage uns alle betrifft
Zucker in Getränken ist längst kein individuelles Gesundheitsproblem mehr, sondern eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung. Ein zu hoher Zuckerkonsum fördert Übergewicht, Diabetes und Herz-Krankheiten – Erkrankungen, die nicht nur die Lebensqualität Einzelner beeinträchtigen, sondern das Gesundheitssystem stark belasten. Gerade Kinder und Jugendliche sind von diesen Folgen besonders betroffen, da süße Erfrischungsgetränke oft täglich konsumiert werden. Die Debatte um Zucker in Getränken berührt somit jeden von uns: als Verbraucherinnen und Verbraucher, als Eltern und als Teil einer Gesellschaft, die gesundheitliche Folgekosten reduzieren möchte.
Gesundheitliche Hintergründe und das Problem übermäßigen Zuckerkonsums
Die gesundheitlichen Risiken durch zu viel Zucker sind klar belegt: Erhöhter Zuckerkonsum fördert Adipositas bei Kindern und Erwachsenen sowie Typ-2-Diabetes. Dabei ist nicht nur der Konsum von Süßigkeiten problematisch, sondern vor allem versteckter Zucker in sogenannten Erfrischungsgetränken. Der durchschnittliche Zuckergehalt in diesen Getränken lag lange Zeit bei etwa 6,3 Gramm pro 100 Milliliter. Trotz freiwilliger Zuckerreduktionsversuche durch Hersteller ist der Zuckergehalt bisher nur auf rund 5,7 Gramm gesunken – ein Rückgang von lediglich 9,1 Prozent seit 2018, wie das Max Rubner-Institut feststellt. Diese Veränderung fällt nicht besonders ins Gewicht: reine freiwillige Maßnahmen sind bislang zu zaghaft, um eine spürbare Verbesserung für die Gesundheit der Bevölkerung zu erreichen.
Wie andere Länder stärker eingreifen – Vorbild Großbritannien?
Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass verpflichtende Regeln deutlich mehr Wirkung erzielen. Großbritannien hat seit Einführung einer Zuckersteuer auf besonders zuckerhaltige Getränke eine Zuckerreduktion von durchschnittlich 35 Prozent erreicht – ein Vielfaches dessen, was in Deutschland freiwillig gelang. Dort zahlen Hersteller eine Abgabe, wenn der Zuckergehalt eine bestimmte Grenze überschreitet. Diese steuerliche Maßnahme wirkt direkt auf die Produktgestaltung und hat das Trinkverhalten der Bevölkerung positiv beeinflusst. Im Gegensatz dazu setzt die deutsche Politik bislang auf Freiwilligkeit und verweigert eine verpflichtende Herstellerabgabe, auch wenn Kritiker wie foodwatch das als gescheitert ansehen.
Ein kurzer Überblick über internationale Maßnahmen zur Zuckerreduktion in Getränken:
- Vereinigtes Königreich: Zuckersteuer auf Getränke mit hohem Zuckergehalt, mit deutlicher Verbrauchs- und Rezepturveränderung
- Frankreich: „Soda-Steuer“ kombiniert finanzielle Abgaben und Aufklärung
- Mexiko: Teilweise hohe Zuckersteuer, verbunden mit Werbebeschränkungen für Kinder
- Deutschland: Freiwillige Reduktionsstrategie ohne rechtlich bindende Vorgaben
Das deutsche Modell beruht vor allem auf einer freiwilligen Reduktionsstrategie, die von Herstellerseite oft als Erfolg präsentiert wird. Doch das Bundesernährungsministerium gab zuletzt eine Zuckerreduzierung von knapp 15 Prozent für Erfrischungsgetränke an, was das Max Rubner-Institut als fragwürdig kritisiert: Die 15-Prozent-Zahl basiert nur auf besonders absatzstarken Produkten und weist methodische Unsicherheiten auf. Tatsächlich liegt der gesicherte Rückgang nur bei etwa 9,1 Prozent für den gesamten Markt. Dass das Ministerium diese Angaben prominent kommuniziert, sorgt für zusätzliche Verwirrung.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das: Wer gesundheitsbewusst handeln möchte, kann sich nicht allein auf freiwillige Industrieinitiativen verlassen. Produkte mit hohem Zuckergehalt bleiben verbreitet, und der Markt verändert sich nur langsam. Klarer definierte gesetzliche Rahmenbedingungen könnten das Angebot schneller und effektiver verbessern. Politische Auseinandersetzungen drehen sich daher um die Frage, ob solche verbindlichen Maßnahmen eingeführt werden sollen – etwa eine verpflichtende Herstellerabgabe wie in Großbritannien oder strenge Kennzeichnungspflichten.
Die Zuckerfrage berührt letztlich nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Verantwortung von Politik und Wirtschaft. Wie viel Zucker künftig in Getränken steckt, entscheidet über das Wohlbefinden ganzer Generationen und die Entwicklung des Gesundheitssystems. Denkbare nächste Schritte könnten verbindliche Zuckergrenzen, finanzielle Anreize für Hersteller oder umfassendere Aufklärungskampagnen sein. Ohne klare politische Vorgaben bleibt die Zuckerreduktion jedoch ein langwieriger und unzureichender Prozess, der viele Menschen weiterhin belastet.
Diese Berichterstattung basiert auf einer Pressemitteilung von foodwatch e.V. zur Kritik an den geschönten Zahlen zur Zuckerreduktion im Bundesernährungsministerium.
8 Antworten
„Zucker in Getränken betrifft uns alle“, sagt der Artikel – und das stimmt! Was denkt ihr über Aufklärungskampagnen in Schulen? Wäre das ein guter Ansatz?
Die Kritik an der Ministeriumsberichterstattung ist berechtigt. Wenn wir nicht klare Zahlen haben, wie sollen wir dann entscheiden? Ich hoffe auf mehr Transparenz in Zukunft.
Absolut richtig! Wir müssen auch die Hersteller zur Verantwortung ziehen. Eine Steuer könnte helfen, aber warum will man das nicht umsetzen?
„Freiwillige Maßnahmen“ sind oft nur leere Versprechungen! Wir brauchen gesetzliche Vorgaben für echte Veränderungen.
Ich kann nicht glauben, dass die Reduktion so gering ist! Nur 0,6 Gramm weniger? Das bringt doch nichts! Wie können wir da etwas ändern?
Die ganze Zuckerreduktion ist ein großes Thema, aber ich frage mich, wie transparent die Daten wirklich sind. Es wäre gut zu wissen, warum die Unterschiede so groß sind. Hat jemand Erfahrungen mit anderen Ländern gemacht?
Ich habe gehört, dass in Großbritannien die Zuckersteuer wirklich hilft! Warum können wir das nicht auch hier machen? Es ist frustrierend!
Ich finde es total wichtig, dass wir über Zucker und dessen Auswirkungen diskutieren. Die Zahlen sind verwirrend und die Strategie scheint nicht zu funktionieren. Was denkt ihr darüber?