Globale Weichenstellungen für den Meeresschutz: Ergebnisse der UN-Meereskonferenz in Nizza
Am Freitag ging in Nizza die 3. UN-Meereskonferenz zu Ende, bei der fast alle UN-Mitgliedstaaten trotz eines schwierigen geopolitischen Klimas zusammenkamen, um über die Zukunft der globalen Meerespolitik zu beraten. Diese Zusammenkunft markiert einen weiteren Schritt für den weltweiten Schutz und die nachhaltige Nutzung der Ozeane – auch wenn die tatsächliche Wirkung nun davon abhängt, wie die vereinbarten Beschlüsse anschließend politisch umgesetzt werden.
Ein zentrales Ergebnis betrifft das UN-Hochseeschutzabkommen (BBNJ). Zwar wurde die nötige Zahl von 60 Ratifizierungen noch nicht erreicht, doch es gilt als sicher, dass dieses Ziel bis zur kommenden UN-Generalversammlung im September 2025 erfüllt sein wird. Dieses Abkommen steht für einen wichtigen politischen Durchbruch beim Schutz der sogenannten Hohen See. Greenpeace kritisiert im Anschluss die deutsche Regierung: „Umweltminister Carsten Schneider hat für den Meeresschutz viel versprochen. Nun kann er zeigen, dass es ihm ernst ist. Deutschland sollte das BBNJ-Abkommen so schnell wie möglich ratifizieren und auf eine rasche Umsetzung drängen: Mit klaren Finanzierungszusagen, Vorschlägen für Schutzgebiete und enger internationaler Zusammenarbeit. Wenn die große Bühne in Nizza abgebaut ist, zählt was in Berlin passiert.”
Neben dem internationalen Schutzabkommen steht auch der nationale Meeresschutz klar im Fokus. Insbesondere die Grundschleppnetzfischerei gerät zunehmend in die Kritik, da sie mit schweren Netzen den Meeresboden zerstört, viele unbeabsichtigte Lebewesen als Beifang tötet und erheblichen Unterwasserlärm verursacht. In diesem Zusammenhang hat Deutschland der von Kanada und Panama gegründeten „Koalition für leisere Meere“ („High Ambition Coalition for a Quiet Ocean“) beigetreten. Der BUND fordert dementsprechend ein ambitioniertes Vorgehen der Bundesregierung, um den wachsenden Unterwasserlärm deutlich zu reduzieren: „Gleichzeitig ist es bitter nötig, auch in den nationalen Meeresschutzgebieten nachzubessern. Vor allem die Grundschleppnetzfischerei muss endlich aus diesen verbannt werden.“
Ein anderes, kontrovers diskutiertes Thema war der Tiefseebergbau. Trotz zahlreicher Bedenken bezüglich der ökologischen Folgen sprachen sich auf der Konferenz lediglich vier zusätzliche Länder für ein Moratorium aus. Insgesamt lehnen damit 37 Staaten derzeit die Erlaubnis zum Beginn des Tiefseebergbaus ab. Vertreter der Zivilgesellschaft warnen eindringlich vor den geplanten industriellen Abbauvorhaben. Klaus Schilder von Misereor macht klar: „Die im Juli stattfindenden Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde zielen weiterhin auf den Start des industriellen Tiefseebergbaus ab, der Lebensräume und Nahrungsquellen von Menschen gefährdet. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen in den betroffenen Ländern fordern zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland die Bundesregierung auf, Tiefseebergbau deutlich abzulehnen, sowie Abbau-Tests und millionenschwere Technologieförderung zu beenden.” Ähnlich äußert sich Jan Pingel vom Ozeanien-Dialog und warnt vor den Folgen für die Menschen im Pazifik: „Tiefseebergbau ist eine maximal umweltzerstörerische, neue industrielle Ausbeutung der Meere, die die Menschen und unsere Umwelt im Pazifik bedroht. Eine neuer blauer Kolonialismus findet in der Region statt. Wir fordern mehr in den globalen Meeresschutz zu investieren und die Achtung der Rechte der Menschen im Pazifik wie in anderen Regionen zu unterstützen.”
Auch die Bedeutung der Meere für die Ernährungssicherung stand auf der Agenda. Küsten- und Inselstaaten im Globalen Süden sehen sich durch den Verlust ihrer Fischgründe existenziell bedroht. Francisco Marí von Brot für die Welt beschreibt diesen Druck prägnant: „Küstenländern und Inselstaaten im Globalen Süden steht das Wasser bis zum Hals. Ihre Fischgründe und die Küsten, von denen sie leben und sich ernähren, verschwinden.” Die Abschlusserklärung der Konferenz erfüllt diese Betroffenen kaum mit Hoffnung. Gaoussou Gueye, vom afrikanischen Verband der Kleinfischerei konstatiert: „Die Unverbindlichkeit der Abschlusserklärung enttäuscht uns, denn es fehlen Perspektiven zur Überwindung der Klimawirkungen auf Ernährung und menschenwürdiges Leben.” Kritik kommt zudem von Fair Oceans: „Staaten und Wirtschaftsunternehmen fordern, dass man mit einer ‘Blauen Wirtschaft’ noch mehr Geld und Gewinne aus den Meeren einstreichen kann, obwohl die Ozeane am Rande unumkehrbarer Kipppunkte stehen.”
Die 3. UN-Meereskonferenz hat damit wichtige Impulse gesetzt und den globalen Willen zum Meeresschutz bekräftigt. Der politische Einsatz der kommenden Monate und Jahre wird entscheiden, ob aus diesen Absichtserklärungen wirkungsvolle Maßnahmen für den Erhalt der Weltmeere entstehen.
Globale Meerespolitik – Herausforderung und Chance für die Zukunft
Der Schutz der Ozeane ist längst kein Thema mehr, das nur Fachleute oder Umweltschützer beschäftigt. Die Meere sind eine zentrale Ressource für das Leben auf der Erde, für den Klimahaushalt, die Ernährung und den globalen Handel. Die gerade abgeschlossene UN-Meereskonferenz in Nizza hat deshalb entscheidende Weichen für die internationale Meeresschutzpolitik gestellt – und damit auch für die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit. Meeresschutz geht alle an, denn er berührt wirtschaftliche, politische und soziale Dimensionen, die direkt oder indirekt unseren Alltag prägen.
Die Meere liefern Nahrung für Milliarden Menschen und sind Lebensraum zahlreicher Arten. Gleichzeitig sind sie von Überfischung, Verschmutzung und Eingriffen wie dem Tiefseebergbau bedroht. Der gesellschaftliche Druck auf die Politik wächst, denn mit der Verschlechterung der Meeresökosysteme stehen nicht nur Natur, sondern auch Lebensgrundlagen und wirtschaftliche Stabilität vieler Regionen auf dem Spiel. Die internationale Zusammenarbeit ist daher keine Option, sondern eine zwingende Notwendigkeit.
Warum ist Meeresschutz ein gesamtgesellschaftliches Thema?
Der Meeresschutz betrifft unsere Gesellschaft auf vielfältige Weise: Küstenbewohner:innen und Fischereigemeinschaften sind unmittelbar von intakten Meeresressourcen abhängig. Aber auch Verbraucher:innen weltweit profitieren über den Handel mit Meeresprodukten. Zudem spielen die Ozeane eine entscheidende Rolle im Klimasystem, da sie große Mengen CO₂ binden und das globale Klima regulieren. Eingriffe wie der Tiefseebergbau oder die Zerstörung von Korallenriffen wirken sich daher in mehrfacher Hinsicht aus – ökologisch, wirtschaftlich und sozial.
Die aktuellen politischen Debatten zeigen, wie komplex diese Zusammenhänge sind. So hält die Diskussion um den Tiefseebergbau eine kritische Grundsatzfrage bereit: Ist die industrielle Ausbeutung der Tiefsee ökologisch vertretbar, oder verursacht sie irreparable Schäden an bislang wenig erforschten Lebensräumen? Viele Staaten und zivilgesellschaftliche Organisationen warnen vor einer Umweltzerstörung, die auch die Lebensgrundlagen von Menschen in Regionen wie dem Pazifik bedroht.
Gleichzeitig steht die Fischerei vor großen Herausforderungen, vor allem in Küstenregionen des Globalen Südens. Dort gefährden Klimawandel und steigender Meeresspiegel die Ernährungssicherung und das Einkommen von Millionen Menschen. Ohne gezielte Schutzmaßnahmen und nachhaltige Fischereipolitik drohen nicht nur ökologische Verluste, sondern auch wachsende soziale Ungerechtigkeit.
Wohin steuert die internationale Meerespolitik?
Die internationale Meerespolitik befindet sich an einem Wendepunkt. Auf der UN-Konferenz gelang mit dem UN-Hochseeschutzabkommen (BBNJ) ein wichtiger Schritt, um die Hohen See, also die Meeresflächen außerhalb nationaler Hoheitsgebiete, unter Schutz zu stellen. Obwohl die nötige Anzahl an Ratifizierungen noch nicht erreicht ist, besteht breite Zuversicht, dass dieser wichtige Durchbruch bald Realität wird. Dies bietet Chancen für ein multilaterales Management der Meere, das Umwelt- und Gerechtigkeitsaspekte stärker berücksichtigt.
Zugleich offenbaren sich Spannungsfelder: Die von einigen Staaten geforderte Fortsetzung und Ausweitung industrieller Aktivitäten wie dem Tiefseebergbau läuft den Bemühungen entgegen, die Meeresökosysteme zu schützen. Hier besteht eine klare politische Aufgabe, zwischen wirtschaftlichen Interessen und ökologischer Verantwortung abzuwägen.
Daraus ergeben sich mehrere zentrale Herausforderungen und Zukunftstrends:
- Klimafolgen des Meeresschutzes stärker einbeziehen: Die Meere sind eng mit der Klimakrise verknüpft; Schutzmaßnahmen sollten daher auch Klimaanpassung und -minderung fördern.
- Förderung nachhaltiger Fischereipraktiken: Bekämpfung illegaler Fischerei und Schutz der Küstenökosysteme sind essenziell für Ernährungssicherung.
- Internationale Kooperation intensivieren: Beispielhaft ist die rasche Ratifizierung des BBNJ-Abkommens und die Mitarbeit in Koalitionen für leisere Meere.
- Partizipation der betroffenen Gemeinschaften: Insbesondere Menschen in Küsten- und Inselregionen im Globalen Süden benötigen stärkere Mitspracherechte und Unterstützung.
- Verzicht auf umweltschädliche Industrieprojekte: Das Festhalten an Moratorien gegen Tiefseebergbau und andere risikoreiche Eingriffe bewahrt bislang funktionierende Ökosysteme.
Die aktuell entwickelten politischen Vereinbarungen bieten somit Chancen, globale Meeresschutzmaßnahmen auf eine neue Grundlage zu stellen – sofern sie ambitioniert umgesetzt und mit Blick auf soziale Gerechtigkeit gestaltet werden. In einer Zeit, in der die Meere vor multiplen Gefahren stehen, ist die politische Gestaltung dieser Prozesse entscheidend für die kommenden Jahrzehnte. Die UN-Meereskonferenz hat die Bühne bereitet, nun hängt es davon ab, wie die Staaten die Versprechen in konkrete Maßnahmen übersetzen und den Schutz der Ozeane in den Mittelpunkt gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Planung stellen.
Blick nach vorn: Konkrete Schritte für den Meeresschutz entscheiden die Zukunft
Die UN-Meereskonferenz in Nizza hat mit dem Bekenntnis der Mitgliedstaaten zum globalen Meeresschutz wichtige politische Signale gesetzt. Doch der Erfolg hängt nun von der konsequenten Umsetzung der Beschlüsse ab. Eine der nächsten zentralen Aufgaben wird die Ratifizierung des UN-Hochseeschutzabkommens (BBNJ) sein. Bis zur UN-Generalversammlung im September 2025 wird erwartet, dass die dafür nötigen 60 Staaten ihre Zustimmung geben. Damit könnte ein lang ersehnter Meilenstein für den Schutz der Hohen See erreicht werden.
Auch auf nationaler Ebene stehen Entscheidungen an: Deutschland muss seine Versprechen in klare Taten ummünzen. Greenpeace fordert, dass Umweltminister Carsten Schneider die Ratifizierung des Abkommens zügig vorantreibt und dabei klare Finanzierungszusagen, Schutzgebietspläne und internationale Zusammenarbeit in den Fokus stellt. Darüber hinaus rückt der Schutz der Meeresböden in den Mittelpunkt: Der Einsatz von Grundschleppnetzen in Schutzgebieten soll beendet werden, um Bodenzerstörung, Beifang und Unterwasserlärm zu verringern. Die Mitgliedschaft in der Koalition für leisere Meere verpflichtet Deutschland zusätzlich zu konkreten Maßnahmen gegen den Unterwasserlärm.
Die Debatte um den Tiefseebergbau bleibt brisant. Trotz wachsender Bedenken unterstützen bislang nur wenige Staaten ein Moratorium. Nicht zuletzt zivilgesellschaftliche Organisationen aus Deutschland drängen darauf, den industriellen Tiefseebergbau zu stoppen und Investitionen stattdessen in den Meeresschutz zu lenken. Anlass dazu gibt auch die Sorge vor einem neuen blauen Kolonialismus, der insbesondere im Pazifik Menschenrechte und Umwelt bedroht.
Abschließend ist die internationale Zusammenarbeit unverzichtbar. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können die komplexen Herausforderungen für die Meere bewältigt und die Lebensgrundlagen vieler Menschen geschützt werden. Die nächsten politischen Entscheidungen, sowohl auf nationaler als auch auf globaler Ebene, werden den Kurs für den Meeresschutz der kommenden Jahre maßgeblich bestimmen.
Dieser Beitrag wurde auf Basis einer gemeinsamen Pressemitteilung von Brot für die Welt, BUND, BUNDjugend, DEEPWAVE, Greenpeace, fair oceans, Forum Umwelt und Entwicklung, MISEREOR sowie Ozeanien-Dialog vom 13. Juni 2025 erstellt.
8 Antworten
.Ich finde es gut, dass das Thema so viel Aufmerksamkeit bekommt. Wie sieht es mit der Unterstützung für kleine Fischergemeinden aus? Bekommen sie genug Hilfe in der Politik?
Es ist beunruhigend zu hören, dass viele Länder gegen den Tiefseebergbau sind. Was sind die Gründe dafür? Wir müssen mehr über die ökologischen Folgen erfahren.
.Die Zerstörung von Lebensräumen ist nicht akzeptabel! Es wäre toll zu wissen, welche alternativen Lösungen für Meeresschutz vorgeschlagen werden können.
Ich bin sehr besorgt über den Tiefseebergbau. Wie können wir sicherstellen, dass diese Vorhaben nicht unsere Meere und deren Ökosysteme schädigen? Ich denke, hier sollte mehr Aufklärung und Diskussion stattfinden.
Ja, das sehe ich genauso. Der Schutz der Ozeane ist wichtig für alle! Welche Maßnahmen könnten denn konkret umgesetzt werden, um den Tiefseebergbau zu stoppen?
Das Thema ist so komplex! Was könnten die nächsten Schritte sein? Ich hoffe sehr auf internationale Zusammenarbeit, aber gibt es schon Fortschritte bei den Verhandlungen?
Das Thema Meeresschutz ist wirklich bedeutend. Ich frage mich, was Deutschland konkret unternehmen wird, um die Unterwasserlärmproblematik zu lösen? Wird es auch einen Plan geben, um Grundschleppnetzfischerei zu regulieren?
Ich finde es wichtig, dass die UN-Meereskonferenz in Nizza stattfand. Aber wie können wir sicherstellen, dass die Ratifizierung des BBNJ-Abkommens wirklich ernst genommen wird? Gibt es konkrete Pläne?