– Bürger priorisieren Stabilisierung des Sozialsystems vor Inflation und Arbeitslosigkeit
– Caritas fordert Reformen für zukunftsfeste gesetzliche Rentenversicherung als Armutsprävention
– Armuts- und Reichtumsbericht soll Grundlage für Sozialstaatsreformen der Regierungskommissionen sein
Caritas: Sozialversicherung stabilisieren – Auftrag aus dem Armuts- und Reichtumsbericht
Berlin, 12. Oktober 2025 – Der Siebte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung liefert nach Ansicht des Deutschen Caritasverbands klare Handlungsanweisungen für die Sozialpolitik. Anlass ist ein Symposium am Montag mit Bundesministerin Bärbel Bas, bei dem der Bericht diskutiert wird. Die Caritas fordert, die darin dokumentierten Prioritäten der Bevölkerung ernst zu nehmen und in konkrete Reformen umzusetzen.
„Die Menschen in Deutschland halten die Stabilisierung des Sozialversicherungssystems für eine besonders dringliche Aufgabe der Politik – sie erscheint ihnen drängender als die Inflationsbekämpfung oder die Verringerung der Arbeitslosigkeit“, stellt die Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa fest. Diese Einschätzung basiert auf den Ergebnissen des Beteiligungsprozesses zum Armuts- und Reichtumsbericht, bei dem 78,2 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die „Gewährleistung der Stabilität des Sozialsystems und der Rente“ als prioritäres Thema nannten (Stand: 12.10.2025).
„Die Bundesregierung muss dieses Ergebnis ihres Siebten Armuts- und Reichtumsberichts als Auftrag annehmen“, fordert Welskop-Deffaa. Die hohe Zustimmung zur Sozialversicherung zeige sowohl Anerkennung für bisherige Erfolge als auch Sorge um deren Zukunft. Besonders deutlich werde die Schutzfunktion des Sozialstaats bei der gesetzlichen Rente: Bereits 2020 stammten 66 Prozent des Einkommens von Rentnerinnen und Rentnern aus Renten und Pensionen. Gleichzeitig liegt der Anteil der Grundsicherungsempfänger im Alter bei nur 3,9 Prozent (Stand: 12.10.2025).
„Die gesetzliche Rente ist die wichtigste Prävention von Altersarmut“, betont Welskop-Deffaa. Die Caritas sieht im aktuellen Bericht eine fundierte Basis für die anstehenden Sozialreformen und fordert eine Politik, die beitragsbasierte Vorsorge und solidarischen Ausgleich verbindet. Der Verband will sich weiterhin für Armutsprävention einsetzen – sowohl durch konkrete Hilfe vor Ort als auch durch politisches Engagement.
Armutslage 2023: Zahlen im Überblick
Die Armutsentwicklung in Deutschland zeigt für 2023 eine gemischte Bilanz. Während die Gesamtarmutsquote weiterhin auf hohem Niveau verharrt, gibt es bei besonders vulnerablen Gruppen wie Kindern und Alleinerziehenden leichte Verbesserungen. Die aktuellen Daten verdeutlichen, welche Bevölkerungsgruppen besonders von Armut betroffen sind und welche Einkommensgrenzen als Maßstab gelten.
Was die Zahlen zeigen
Die Armutsquote für die Gesamtbevölkerung liegt bei 16,6 Prozent – das entspricht etwa 14,1 Millionen Menschen in Deutschland (Stand: 2023, Quelle: Der Paritätische Gesamtverband). Besonders betroffen sind nach wie vor Kinder und Alleinerziehende, auch wenn sich ihre Situation im Vergleich zum Vorjahr leicht verbessert hat.
Die Entwicklung ausgewählter Armutsindikatoren zwischen 2022 und 2023:
| Kennzahl | Jahr | Wert | Einheit | Quelle/Stand |
|---|---|---|---|---|
| Kinderarmut (Armutsquote) | 2022 | 21,8 | % | Der Paritätische, 2022/2023 |
| Kinderarmut (Armutsquote) | 2023 | 20,7 | % | Der Paritätische, 2022/2023 |
| Armutsquote Alleinerziehende | 2022 | 43,2 | % | Der Paritätische, 2022/2023 |
| Armutsquote Alleinerziehende | 2023 | 41,0 | % | Der Paritätische, 2022/2023 |
| Armutsgefährdung Kinder | 2022 | 15,0 | % | Statistisches Bundesamt, 2022/2023 |
| Armutsgefährdung Kinder | 2023 | 14,0 | % | Statistisches Bundesamt, 2022/2023 |
Die Armutsgefährdung bei Kindern ist ebenfalls rückläufig: Waren 2022 noch 15,0 Prozent der unter 18-Jährigen armutsgefährdet, sank dieser Wert 2023 auf 14,0 Prozent. Das entspricht etwa 2,1 Millionen Kindern in Deutschland (Stand: 2022/2023, Quelle: Statistisches Bundesamt).
Die statistischen Schwellenwerte für Armutsgefährdung liegen bei:
- 1.314 Euro monatlich für eine alleinlebende Person
- 2.759 Euro monatlich für einen Zwei-Personen-Haushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren
(Stand: 2023, Quelle: Statistisches Bundesamt)
Die unterschiedlichen Kennzahlen – Armutsquote und Armutsgefährdung – erfassen die materielle Lage der Bevölkerung auf Basis verschiedener Methoden und Datengrundlagen. Beide Indikatoren zeigen jedoch übereinstimmend, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders stark von finanziellen Einschränkungen betroffen sind.
Rente als Schutz vor Altersarmut?
Die gesetzliche Rente bildet für viele Menschen in Deutschland die finanzielle Grundlage im Alter. Doch wie hoch ist ihr tatsächlicher Anteil am Alterseinkommen wirklich? Verschiedene statistische Betrachtungen liefern hierzu unterschiedliche Ergebnisse, die sich durch ihre jeweiligen Bezugsgrößen erklären lassen.
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) beziffert den Beitrag der gesetzlichen Rente am Alterseinkommensvolumen der über 65-Jährigen auf 61 Prozent (Stand: 2020). Diese Kennzahl betrachtet ausschließlich Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Kontrast dazu steht der im Armuts- und Reichtumsbericht genannte Wert, der ein breiteres Spektrum erfasst: Hier stammten die Einkommen Älterer zu 66 Prozent aus „Renten und Pensionen“ (Stand: 2020). Der Unterschied von fünf Prozentpunkten ergibt sich primär aus der verschiedenen Abgrenzung der Einkommensquellen. Während die DRV-Angabe streng auf die gesetzliche Rentenversicherung fokussiert, schließt der Berichtswert auch Pensionen für Beamte sowie möglicherweise weitere rentenähnliche Leistungen mit ein.
Rente im Fokus
Beide Kennzahlen unterstreichen die immense Bedeutung des Rentensystems für die Altersvorsorge. Die gesetzliche Rente bleibt der zentrale Pfeiler, der die meisten Menschen vor Altersarmut bewahrt. Dies zeigt sich auch am vergleichsweise geringen Anteil der Bezieher von Grundsicherung im Alter, der im Einleitungskapitel bereits thematisiert wurde. Die unterschiedlichen Prozentwerte sind somit kein Widerspruch, sondern Ergebnis verschiedener Messkonzepte, die jeweils ihre eigene Aussagekraft besitzen.
Was der 7. ARB politisch anstößt
Die Bundesregierung hat mit den Arbeiten am Siebten Armuts- und Reichtumsbericht begonnen – mit Fokus auf die Folgen der Corona-Pandemie, die anhaltende Inflation und die gestiegenen Energiepreise. Dieser Prozess zeichnet sich durch einen neuartigen Beteiligungsprozess aus, der erstmals Menschen mit eigener Armutserfahrung systematisch einbezieht. Stand: 2025 (Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales).
Die im Bericht gewonnenen Erkenntnisse sollen direkt in die Arbeit der aktuellen Regierungskommissionen einfließen. Damit erhält die empirische Basis des ARB unmittelbare politische Relevanz für die anstehenden Sozialstaatsreformen. Die Daten liefern nicht nur eine Bestandsaufnahme der sozialen Lage, sondern weisen konkret auf Handlungsbedarfe hin – etwa bei der Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme oder der Sicherung von Teilhabechancen.
Warum stabile Sozialversicherungen uns alle schützen
Die Bedeutung stabiler Sozialversicherungen erstreckt sich weit über einzelne Bevölkerungsgruppen hinaus – sie bildet das Fundament unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Die aktuelle Diskussion um die Zukunft des Sozialstaats zeigt deutlich: Es geht nicht um abstrakte Politik, sondern um konkrete Lebensrealitäten. Die Caritas-Präsidentin Eva Welskop-Deffaa betont: „Die Sicherungssysteme unseres Sozialstaats wirken. Sie schützen Menschen davor, durch Lebensrisiken, die jeden und jede von uns treffen können, in Armut zu geraten.“
Diese Systeme verkörpern das Prinzip der Solidarität, während sie gleichzeitig verpflichtende Eigenvorsorge ermöglichen. Die gesetzliche Rente erweist sich als wirksamste Prävention von Altersarmut – eine Erkenntnis, die im Siebten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung dokumentiert ist. Die Rentenversicherung muss als gesetzliche Alterssicherung zukunftsfest gemacht werden, damit sie weiterhin ihre Schutzfunktion erfüllen kann.
Konkrete Auswirkungen im Alltag
Stabile Sozialversicherungen bedeuten praktischen Schutz in verschiedenen Lebenssituationen:
-
Absicherung bei Erwerbsunfähigkeit: Bei Krankheit oder Berufsunfähigkeit verhindern die Sozialversicherungen den finanziellen Absturz und ermöglichen medizinische Versorgung ohne existenzielle Ängste
-
Vorsorge für die Altersphase: Die gesetzliche Rente bildet für die meisten Menschen die zentrale Einkommensquelle im Ruhestand und bewahrt vor Altersarmut
-
Unterstützung für Familien: Von Elterngeld über Kindergeld bis zur gesetzlichen Krankenversicherung – Familien profitieren in verschiedenen Lebensphasen von der sozialen Absicherung
Die aktuelle politische Debatte zeigt: Die Menschen in Deutschland erkennen die Dringlichkeit, das Sozialversicherungssystem zu stabilisieren. Dieser gesellschaftliche Konsens unterstreicht die tiefe Verwurzelung des Solidargedankens in unserer Gesellschaft. Die Zukunft des Sozialstaats betrifft nicht nur bestimmte Gruppen, sondern bildet die Basis für ein sicheres Leben für alle Bürgerinnen und Bürger – unabhängig von ihrer aktuellen Lebenssituation.
Dieser Beitrag basiert auf der Pressemitteilung des Deutschen Caritasverbands, die wichtige Erkenntnisse zum Siebten Armuts- und Reichtumsbericht zusammenfasst.
Weiterführende Quellen:
- „16,6 Prozent betrug die Armutsquote in Deutschland im Jahr 2023, ein leichter Rückgang gegenüber den Vorjahren, dennoch waren 14,1 Millionen Menschen betroffen.“ – Quelle: https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armutsbericht/armutsbericht-2024-armut-in-der-inflation/
- „Kinderarmut lag 2023 bei 20,7 % (Vorjahr: 21,8 %), bei Alleinerziehenden sank die Armutsquote auf 41 % (2022: 43,2 %).“ – Quelle: https://www.der-paritaetische.de/themen/sozial-und-europapolitik/armutsbericht/armutsbericht-2024-armut-in-der-inflation/
- „Knapp 2,1 Millionen Kinder unter 18 Jahren waren 2023 armutsgefährdet (14,0 %), ein Rückgang gegenüber 15,0 % im Jahr 2022.“ – Quelle: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24_N033_63.html
- „Der Schwellenwert für Armutsgefährdung lag 2023 bei 1.314 Euro netto/Monat für Alleinlebende und 2.759 Euro netto/Monat für Haushalte mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern unter 14.“ – Quelle: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/07/PD24_N033_63.html
- „Im Jahr 2023 bezogen über 65-Jährige 61 % ihres Alterseinkommensvolumens aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Stand: 2020).“ – Quelle: https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Meldungen/2023/231006-rossbach-faz-vorsorge-rente.html
- „Die Bundesregierung hat mit den Arbeiten am Siebten Armuts- und Reichtumsbericht begonnen, mit Fokus auf die sozialen Auswirkungen der Corona-Pandemie, Inflation, Energiepreise und einen umfassenden Beteiligungsprozess von Menschen mit Armutserfahrung.“ – Quelle: https://www.armuts-und-reichtumsbericht.de/DE/Bericht/Der-siebte-Bericht/siebter-bericht.html
8 Antworten
. Ich finde den Fokus auf Altersarmut wichtig. Aber was kann jeder Einzelne tun, um sich gegen Armut abzusichern? Gibt es hilfreiche Tipps oder Programme?
Der Bericht zeigt klar die Notwendigkeit von Reformen im Rentensystem auf. Aber was passiert mit den Menschen jetzt? Gibt es bereits Pläne zur Umsetzung dieser Empfehlungen?
Gute Frage! Ich habe auch das Gefühl, dass die politischen Entscheidungen oft zu langsam kommen. Wir müssen mehr Druck aufbauen!
. Das stimmt! Gerade für Kinder und Alleinerziehende müssen wir sofortige Hilfe leisten.
Die Zahlen zur Armutsgefährdung sind alarmierend. Ich frage mich, wie die Regierung plant, diese Probleme anzugehen. Haben wir genug Unterstützung für Familien? Es ist wichtig, dass alle gehört werden.
Ja, das ist ein wichtiger Punkt! Ich denke auch, dass mehr Hilfe für Alleinerziehende nötig ist. Es scheint oft nicht genug zu sein.
Ich stimme zu! Die Bundesregierung muss wirklich aktiv werden und nicht nur Reden halten. Wir brauchen konkrete Maßnahmen!
Ich finde es wichtig, dass die Stabilisierung des Sozialsystems priorisiert wird. Armut ist ein großes Problem in Deutschland, und viele Menschen sind betroffen. Wie können wir sicherstellen, dass diese Reformen tatsächlich umgesetzt werden?