Sozialpolitik als Demokratieförderung: SoVD-Analyse zu Vertrauen, Finanzierung und zivilgesellschaftlicher Wirkung

Beim Parlamentarischen Abend des Sozialverbands Deutschland (SoVD) am 16. Oktober 2025 stand die Verbindung von Sozialpolitik und Demokratie im Mittelpunkt. Die zentrale Botschaft lautete: *"Gute Sozialpolitik ist Demokratieförderung"*. Der Verband mit über 630.000 Mitgliedern positioniert sich dabei klar als zivilgesellschaftliche Kraft gegen die Feinde der Demokratie.
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Inhaltsübersicht

– SoVD betont gute Sozialpolitik als Fundament für Demokratie
– Aktueller Rechtsruck wird mit historischen Entwicklungen verglichen
– 2029 wird als wegweisendes Jahr für die Demokratie genannt

Demokratie und Sozialpolitik: Zentrales Thema beim SoVD-Parlamentarischen Abend

Unter dem Motto „Demokratie – Quo vadis?“ diskutierten am 16. Oktober 2025 hochrangige Politikerinnen und Verbandsvertreter in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft über die Wechselwirkungen zwischen Sozialpolitik und demokratischer Stabilität. Die Veranstaltung des Sozialverbands Deutschland (SoVD) brachte die zentrale Botschaft auf den Punkt: Gute Sozialpolitik stärkt die Demokratie.

Schirmherr Michael Thews (MdB) betonte in seiner Eröffnungsrede: „Sozialpolitik ist nicht Beiwerk – sie ist Fundament für gesellschaftlichen Zusammenhalt und demokratische Stabilität. Für drängende sozialpolitische Fragen ist der SoVD ein guter Ansprechpartner und Berater. Ich finde es ausgezeichnet, dass die Zivilgesellschaft selbst die Initiative ergreift und immer wieder den Finger in die Wunde legt.“

Historische Warnung und aktuelle Herausforderungen

SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier zog eine historische Parallele zur gegenwärtigen politischen Situation: „1933 ging der Rechtsruck in Deutschland so weit, dass die Menschen die politische Macht an die Nationalsozialistische Partei übertrugen. Wir stehen an einem Scheideweg. 2029 steht uns ein wegweisendes Jahr bevor. Und wenn ich Ihnen eine Sache an diesem heutigen Abend mitgeben darf, dann ist es die Folgende: Gute Sozialpolitik ist Demokratieförderung.“

Bundesarbeits- und Sozialministerin Bärbel Bas unterstrich diesen Zusammenhang: „Eine Demokratie hat es schwer, wenn Menschen Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates verlieren.“ Die Ministerin würdigte zugleich die historische Rolle des Verbands: „Der SoVD war immer mehr als eine Interessenvertretung. Ihr Verband war immer auch eine politische Kraft – von Anfang an“

Klare Haltung gegen Demokratiefeinde

Ferda Ataman, Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, hob das jahrzehntelange Engagement des SoVD hervor: „Sie setzen sich seit 100 Jahren konsequent dafür ein, dass alle Menschen in unserem Land ein gutes und würdevolles Leben führen können. Sie stehen ein für gelebte Demokratie.“

Soziallobbyist Ulrich Schneider brachte die Position des Verbands gegenüber extremistischen Kräften auf den Punkt: „Es ist gut und wichtig, dass der SoVD als Organisation der Zivilgesellschaft eine klare Haltung gegenüber den Feinden der Demokratie hat.“ Seine abschließende Feststellung ließ keinen Raum für Missverständnisse: „Mit Nazis spricht man nicht.“

Der SoVD: Zahlen und Fakten

Der Sozialverband Deutschland vertritt als sozialpolitische Interessenvertretung die Anliegen von Rentnerinnen und Rentnern, Patientinnen und Patienten, pflegebedürftigen und behinderten Menschen. Die Organisation ist flächendeckend in Deutschland vertreten. Der gemeinnützig organisierte Verband bietet seinen Mitgliedern sozialrechtliche Beratung in einem bundesweiten Netz von Beratungsstellen und ist parteipolitisch sowie konfessionell unabhängig.

Sozialpolitik und Demokratievertrauen: Ein Blick auf die Zahlen

Die These, dass gute Sozialpolitik automatisch demokratische Stabilität fördert, lässt sich anhand aktueller Daten differenziert betrachten. Zwei Entwicklungslinien zeichnen sich in Deutschland ab: steigende Sozialausgaben bei gleichzeitig leicht rückläufigem Vertrauen in die Demokratie.

Sozialausgaben in Relation zum BIP

Die finanziellen Anstrengungen des Sozialstaats haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Während die Sozialausgaben 2018 noch bei 990 Milliarden Euro lagen und einem Anteil von 28,6 Prozent am Bruttoinlandsprodukt entsprachen, stiegen sie bis 2023 auf rund 1.280 Milliarden Euro an – das sind 31,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (Stand: Oktober 2024, Quelle: Statistisches Bundesamt).

Vertrauen in die Demokratie: Kurswechsel?

Parallel zur Ausweitung der Sozialleistungen entwickelte sich das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie gegenläufig. Im Jahr 2022 gaben noch 58 Prozent der Menschen an, hohes oder sehr hohes Vertrauen in die Demokratie zu haben. Bis 2024 sank dieser Wert auf knapp 54 Prozent.

Dieser leichte Rückgang wirft Fragen auf: Warum korreliert die gestiegene soziale Absicherung nicht mit einer Stärkung des demokratischen Vertrauens?

Mögliche Erklärungsansätze liegen in der komplexen Gemengelage aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen. Ökonomische Belastungen durch Inflation und Energiekrise könnten trotz sozialpolitischer Maßnahmen das Sicherheitsgefühl vieler Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt haben. Zudem trägt die zunehmende politische Polarisierung möglicherweise dazu bei, dass selbst verstärkte Sozialleistungen nicht unmittelbar in gesteigertes Institutionenvertrauen umschlagen. Die einfache Gleichung "mehr Sozialausgaben gleich mehr Demokratiezufriedenheit" scheint somit der realen gesellschaftlichen Dynamik nicht vollständig gerecht zu werden.

Bundesprogramme & Zivilgesellschaft: Das Fundament der Demokratieförderung

Die staatliche Förderlandschaft für Demokratiearbeit in Deutschland wird maßgeblich durch Bundesprogramme geprägt. Einer der wichtigsten Treiber staatlich geförderter Demokratieförderung und Zivilgesellschaft waren in den vergangenen Jahrzehnten die Bundesprogramme der Ministerien BMFSFJ und BMI, insbesondere für Extremismusprävention, Antidiskriminierungsarbeit und Demokratieförderung (Stand: 2022). Diese Programme schaffen die infrastrukturellen Voraussetzungen, um demokratische Werte auf lokaler Ebene zu verankern und zivilgesellschaftliches Engagement zu stärken.

Reichweite des Programms ‚Demokratie leben!‘

Das Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ bildet einen zentralen Pfeiler dieser Förderung. Seine Dimensionen sind beachtlich:

  • Im Jahr 2024 wurden über 2.000 lokale Partnerschaften im Bundesprogramm ‚Demokratie leben!‘ gefördert.
  • Dafür standen Fördermittel in Höhe von rund 575 Millionen Euro zur Verfügung (Stand: Juni 2024, BMBF/BMFSFJ).

Die Evaluationen der Programme zeigen eine signifikante Wirkung auf demokratisches Engagement und Extremismusprävention. Die kommunale Demokratieförderung konzentriert sich dabei auf gesellschaftliche Mitbestimmung, gemeinwohlorientiertes Handeln und Inklusion (Stand: 2022). Diese Arbeit vor Ort ist essenziell, um demokratische Strukturen nachhaltig zu festigen.

Jahr Wert Einheit Quelle/Stand
2018 990 Mrd. Euro Sozialausgaben Destatis, Stand: Okt 2024
2023 1.280 Mrd. Euro Sozialausgaben Destatis, Stand: Okt 2024
2024 >2.000 Partnerschaften / 575 Mio. Euro Demokratie leben! BMBF/BMFSFJ, Stand: Juni 2024

Zivilgesellschaftliche Kapazitäten

Die staatlichen Programme wirken in eine äußerst lebendige Zivilgesellschaft hinein. Mehr als 600.000 zivilgesellschaftliche Organisationen sind in Deutschland aktiv und tragen zur öffentlichen Willensbildung bei (Stand: 2024, Campact). Diese enorme Zahl unterstreicht die Bedeutung des Dritten Sektors für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Organisationen wie der Sozialverband Deutschland (SoVD) verstehen sich dabei nicht nur als Interessenvertretung, sondern auch als politische Kraft, die sich konsequent für ein gutes und würdevolles Leben aller Menschen einsetzt und für gelebte Demokratie steht.

Demokratie stärken: Was wirkt – und was zu tun bleibt

Die Verknüpfung von Sozialpolitik und Demokratieförderung zeigt konkrete Wirkungen, stößt aber auch an Grenzen. Förderprogramme wie "Demokratie leben!" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend belegen: Programme fördern demokratisches Engagement und Extremismusprävention. Gleichzeitig beobachten Expert:innen eine Vertrauenskrise. Während 2022 noch 58 Prozent der Bevölkerung hohes oder sehr hohes Vertrauen in demokratische Institutionen äußerten, sank dieser Wert bis 2024 auf knapp 54 Prozent (Stand: 2024). Dieser Rückgang verdeutlicht, wie wichtig stabile soziale Sicherungssysteme für das Demokratievertrauen sind – insbesondere in Zeiten multipler Krisen.

Mehr als 600.000 zivilgesellschaftliche Organisationen (Stand: 2024) bilden das Fundament demokratischer Teilhabe. Sie schaffen Räume für Engagement, vermitteln zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen und stärken demokratische Kompetenzen. Doch angesichts sinkenden Vertrauens und polarisierender Debatten reichen Programme allein nicht aus. Notwendig sind zusätzliche Anstrengungen auf allen Ebenen.

Drei konkrete Schritte für mehr demokratische Resilienz

  • Kommunale Beteiligungsformate ausbauen: Städte und Gemeinden können regelmäßige Bürgerräte zu sozialpolitischen Themen einrichten, die besonders von Armut oder Ausgrenzung betroffene Gruppen gezielt einbeziehen
  • Demokratiebildung in Sozialberatung integrieren: Soziale Träger und Beratungsstellen sollten demokratische Werte und Teilhabemöglichkeiten in ihre Beratungsgespräche einfließen lassen
  • Lokale Bündnisse für Demokratie stärken: Kommunalverwaltungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und soziale Einrichtungen können verbindliche Kooperationen eingehen, um frühzeitig auf demokratiefeindliche Tendenzen zu reagieren

Die Erfahrung zeigt: Wo Menschen sich abgehängt fühlen, schwindet das Vertrauen in demokratische Prozesse. Umgekehrt stärken konkrete Verbesserungen der sozialen Lage die demokratische Kultur. Dieser Zusammenhang macht deutlich, warum Sozialpolitik und Demokratieförderung nicht getrennt voneinander gedacht werden können – sondern nur gemeinsam wirken.

Demokratische Resilienz: Warum Förderung und Vernetzung Zukunftsfragen bleiben

Die Herausforderungen für die Demokratie erfordern langfristige Strategien und stabile Strukturen. Dauerhafte Förderprogramme wie „Demokratie leben!“ mit einem Fördervolumen von rund 575 Millionen Euro bilden dabei eine wichtige Grundlage. Diese Mittel unterstützen zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für gesellschaftlichen Zusammenhalt und demokratische Werte einsetzen. In Deutschland sind mehr als 600.000 zivilgesellschaftliche Organisationen aktiv und tragen zur öffentlichen Willensbildung bei. Dieses Netzwerk ist beeindruckend, benötigt jedoch verlässliche Rahmenbedingungen.

Kommunale Ebene und Engagementförderung spielen hier eine Schlüsselrolle. Vor Ort entstehen konkrete Lösungen, werden Vertrauen aufgebaut und demokratische Praktiken gelebt. Stabile Förderlinien ermöglichen Planungssicherheit für Projekte, die Diskriminierung bekämpfen, Teilhabe stärken und demokratische Bildung fördern. Gerade in Zeiten politischer Polarisierung braucht es diese verlässlichen Strukturen, um zivilgesellschaftliches Engagement nicht dem Zufall zu überlassen.

Die Bedeutung sozialer Sicherungssysteme für demokratische Stabilität zeigt sich auch in den Sozialausgaben: Sie stiegen von 990 Milliarden Euro im Jahr 2018 auf 1.280 Milliarden Euro im Jahr 2023 und machten damit einen wachsenden Anteil des Bruttoinlandsprodukts aus. Diese Entwicklung unterstreicht, wie soziale Absicherung und demokratische Resilienz zusammenhängen. Wenn Menschen sich sozial abgesichert fühlen, stärkt dies ihr Vertrauen in demokratische Institutionen.

Verbände wie der SoVD leisten hier wertvolle Arbeit als Brückenbauer zwischen Zivilgesellschaft, Politik und Kommunen. Ihre landesweite Verankerung und sozialpolitische Expertise machen sie zu unverzichtbaren Partnern für eine wehrhafte Demokratie. Die Zukunft der Demokratie hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, förderpolitische Kontinuität mit lokalem Engagement zu verbinden – nur so bleibt unsere Gesellschaft widerstandsfähig gegen Spaltungstendenzen und demokratiefeindliche Kräfte.

Die Informationen und Zitate in diesem Beitrag stammen aus einer Pressemitteilung des Sozialverbands Deutschland e. V. (SoVD).

Weiterführende Quellen:

11 Antworten

  1. Der Anstieg der Sozialausgaben zeigt doch,dass man sich kümmert.Aber warum sinkt dann das Vertrauen in die Demokratie?Ich hoffe auf Lösungen!

    1. Das ist eine interessante Beobachtung,Herta.Vielleicht sollten wir mehr über die Gründe reden,das könnte helfen!

    2. Ja,wenn das Geld nicht bei den Leuten ankommt,dann verlieren sie schnell das Vertrauen.Mit besseren Programmen könnte man da vielleicht was machen.

  2. ‚Mit Nazis spricht man nicht‘ – das finde ich stark! Aber was können wir konkret tun, um solche extremistischen Ansichten zu verhindern? Wir sollten mehr über Prävention reden.

    1. ‚Demokratie leben!‘ klingt nach einer tollen Initiative! Was denkt ihr über die Rolle der Bildung in diesem Prozess?

    2. Ich glaube auch,dass Bildung der Schlüssel ist.Wir müssen schon früh mit den Themen anfangen und Kinder aufklären!

  3. Die Verbindung zwischen Sozialpolitik und Demokratie ist so wichtig! Ich frage mich, ob die Regierung genug tut, um das Vertrauen in die Demokratie zu stärken? Vielleicht sollten mehr Bürgerbeteiligungen stattfinden.

    1. Ja genau! Bürgerbeteiligung könnte helfen! Ich denke auch, dass lokale Initiativen mehr Unterstützung brauchen sollten.

  4. Ich habe den Artikel gelesen und fand den Vergleich zur Geschichte sehr eindrücklich. Es ist wichtig, dass wir aus der Vergangenheit lernen. Wie können wir junge Leute besser in diese Diskussionen einbeziehen?

  5. Ich finde die Ideen zu Sozialpolitik echt wichtig für die Demokratie. Aber wie können wir sicherstellen, dass die Menschen auch wirklich von diesen Maßnahmen profitieren? Gibt es genug Informationen für alle?

    1. Das ist eine gute Frage, Boris. Ich denke, es wäre hilfreich, wenn mehr über diese Programme in Schulen und Gemeinden kommuniziert wird.

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