– Hamburgs soziale Vermieter kritisieren Umweltauflagen als Bedrohung für bezahlbaren Wohnungsbau.
– Bis 2045 benötigte Investitionen von rund 40 Milliarden Euro für Klimaneutralität der Hamburger Wohnungen.
– Verschärfte Auflagen verteuern Wohnkosten, belasten vor allem niedrig- und mittlereinkommende Mieter.
Soziale Vermieter warnen vor Gefahren durch neue Umweltschutzauflagen in Hamburg
Am Mittwoch äußerten Hamburgs soziale Vermieter bei der Jahrespressekonferenz scharfe Kritik an den aktuellen Umweltschutzauflagen und warnten vor den schwerwiegenden Folgen für den bezahlbaren Wohnungsbau in der Hansestadt. Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), machte eindringlich deutlich: „Die aktuellen Schutzauflagen und handwerklichen Fehler bedrohen das bezahlbare Wohnen in Hamburg“. Er unterstrich, dass eine Verschärfung der Anforderungen und eine Verkürzung der Fristen zur Erreichung der Klimaschutzziele das soziale Gefüge der Quartiere massiv gefährden könne: „Wer glaubt, immer noch eine Auflage draufsetzen oder die Zeit bis zum Erreichen der Klimaschutzziele verkürzen zu können, spielt mit dem sozialen Frieden in den Quartieren“.
Die Zahlen sind eindrücklich: Experten gehen davon aus, dass die Investitionen in Höhe von circa 40 Milliarden Euro notwendig sind, um die fast eine Million Wohnungen in Hamburg bis 2045 klimaneutral zu machen. Das entspricht mindestens 40.000 Euro pro Wohnung – eine Summe, die viele soziale Vermieter ohne deutliche Mieterhöhungen nicht stemmen können. Die Politik wird von den sozialen Vermietern als wenig ehrlich wahrgenommen, wenn sie diese Kosten nicht klar benennt. Marko Lohmann, Vorsitzender des VNW-Landesverbands Hamburg, warnte eindringlich: „Das trifft insbesondere Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen hart, da sie ihren Lebensstandard massiv einschränken müssen“.
Trotz erhöhter öffentlicher Wohnungsbauförderung sehen sich die sozialen Vermieter vor die Wahl gestellt, entweder alte Bestände energetisch zu modernisieren oder neue Wohnungen zu schaffen. Dabei fällt die Entscheidung häufig zugunsten von Sanierungen, da hier bereits nachhaltige Ansätze wie der Quartiersansatz eine sozialverträgliche Klimawende ermöglichen. Nun müsse die Politik die Rahmenbedingungen entsprechend gestalten, fordert Lohmann.
Breitner bezeichnete politische Vorschläge wie eine Mietendeckelung und die Senkung der Modernisierungsumlage als unrealistisch: „Das ist einfache Mathematik, das kann nicht funktionieren. Woher soll denn das ganze Geld kommen, um die Wohngebäude klimaneutral zu machen?“ Besonders prekär ist die Situation für Unternehmen, deren Durchschnittsmiete bei lediglich 7,41 Euro pro Quadratmeter liegt. Peter Kay von der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter eG kritisierte darüber hinaus, dass viele politische Vorschläge das Ziel verfehlen und die Klimaschutzbemühungen eher behindern. Er verwies auf die Debatte um das Heizungsgesetz im vergangenen Jahr, die gezeigt habe, wie empfindlich Mieter auf steigende Kosten reagierten.
Der Verband fordert eine ehrliche Diskussion über die tatsächlichen Kosten der Energiewende und faire Rahmenbedingungen für soziale Vermieter. Andernfalls drohe nicht nur ein Rückgang beim Wohnungsbau, sondern auch ein erheblicher Vertrauensverlust in die Politik und ein verstärkter Zulauf zu populistischen Kräften.
Aktuell verwalten die im VNW organisierten Unternehmen rund 300.000 Mietwohnungen in Hamburg. Die Erst- und Wiedervermietungsmiete liegt bei ihnen bei durchschnittlich 7,82 Euro pro Quadratmeter – etwa zwei Euro unter dem Hamburger Durchschnitt. Trotz wachsender Herausforderungen halten die sozialen Vermieter am Prinzip nachhaltiger Investitionen fest. Sie sind gezwungen, wirtschaftlich tragfähige Entscheidungen zu treffen, etwa bei der Erneuerung von Heizungsanlagen auf dem neuesten Stand, ohne teure Zusatzmaßnahmen zu finanzieren.
Die komplexe Lage zeigt, wie dringend ein ausgewogenes und realitätsnahes politisches Vorgehen erforderlich ist, um sowohl den Klimaschutz voranzutreiben als auch bezahlbares Wohnen in Hamburg zu sichern.
Zwischen Klimaschutz und Wohnungsnot: Der schwierige Balanceakt
Die Umsetzung von Klimaneutralität stellt das gesellschaftliche Zusammenleben vor eine anspruchsvolle Aufgabe – besonders wenn es um den Wohnungsmarkt geht. Gerade die Betreiber von sozialem Wohnraum befinden sich in einem Spannungsfeld: Sie müssen einerseits steigenden Umweltanforderungen gerecht werden, andererseits aber auch bezahlbaren Wohnraum sichern. Diese Herausforderung hat weitreichende gesellschaftliche und wirtschaftliche Hintergründe. Auf der einen Seite ist Wohnungsbau ein zentrales Element sozialer Gerechtigkeit, da er vielen Menschen bezahlbare und sichere Lebensräume ermöglicht. Auf der anderen Seite erfordern die strengen Auflagen der Energiewende oft umfangreiche Modernisierungen, die mit hohen Kosten verbunden sind und letztlich die Mieten erhöhen können.
Soziale Vermieter stehen besonders unter Druck, da sie nicht dieselben finanziellen Spielräume wie private Investoren haben, um die steigenden Anforderungen schnell umzusetzen. Gleichzeitig wächst die öffentliche Erwartung, dass der Mieterschutz gewahrt bleibt und die Kosten für die Mieter:innen nicht unangemessen steigen dürfen. In anderen Städten und Ländern zeigt sich eine ähnliche Dynamik: Wo konsequent auf ökologische Standards gesetzt wird, führt dies häufig zu einem erhöhten Investitionsbedarf im Wohnungsbestand. Dies kann in der Konsequenz zu steigenden Mieten und somit zu einer Verschärfung der Wohnungsnot führen – besonders in Ballungsräumen mit angespannter Marktlage. Prognosen deuten darauf hin, dass sich dieser Trend in Zukunft noch verstärken könnte, sofern keine ausgewogenen politischen Lösungen gefunden werden.
Lösungsansätze und politische Alternativen
Um den Spagat zwischen Klimaschutz und Mieterschutz zu meistern, gibt es verschiedene Ansätze, die in der Praxis erprobt werden oder diskutiert werden:
- Förderung von energetischer Sanierung über öffentliche Mittel, um soziale Vermieter gezielt zu entlasten
- Einführung von verbindlichen Klimastandards, die gleichzeitig soziale Ausgleichsmechanismen berücksichtigen
- Entwicklung neuer Finanzierungsmodelle, die Investitionen in nachhaltigen Wohnraum ermöglichen, ohne die Mieten unverhältnismäßig steigen zu lassen
- Stärkere Einbindung von Mieter:innen in Entscheidungen rund um Modernisierung und Sanierung
- Ausbau von bezahlbarem Neubau, der von Anfang an ökologische und soziale Kriterien vereint
Ein Kurs, der sowohl ökologische Ziele verfolgt als auch soziale Verträglichkeit sicherstellt, eröffnet vielversprechende Chancen. Er trägt dazu bei, die oft als gegensätzlich empfundenen Anforderungen von Umwelt- und Sozialpolitik miteinander zu verbinden, ohne die eine oder andere Seite zu benachteiligen. In einem solchen Modell können sozialer Wohnungsbau, Klimaschutz und bezahlbare Mieten sich ergänzen und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.
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Soziale Vermieter: Überbordender und handwerklich schlecht gemachter Klimaschutz …
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