Schweigepflicht und psychische Gesundheit: Innenministerkonferenz entfacht Debatte um Sicherheit, Stigmatisierung und Versorgung

Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) kritisiert den Beschluss der Innenministerkonferenz zum Umgang mit Menschen mit psychischen Erkrankungen als grundrechts- und versorgungsschädlich. Sie warnt vor Stigmatisierung und einer Verengung des Blicks auf psychische Erkrankungen, fordert stattdessen den Erhalt der Schweigepflicht und den Ausbau niedrigschwelliger Präventions- und Hilfesysteme. Zugleich betont die DPtV, dass psychotherapeutische Expertise stärker in Risikomanagement und Versorgungskonzepte eingebunden werden muss.
VerbandsMonitor – Themen, Trends und Ticker vom 13.04.2025

– DPtV kritisiert Innenminister-Konferenz-Beschluss als Grundrechtseingriff und Gefährdung therapeutischer Versorgung.
– Forderung nach Erhalt psychotherapeutischer Schweigepflicht, Ablehnung sensibler Datenaustausch mit Behörden.
– Ausbau psychosozialer Hilfen und Einbeziehung psychotherapeutischer Expertise für Unterbringungsgutachten gefordert.

Grundrechte, Schweigepflicht und Versorgung: DPtV warnt vor Innenminister-Beschluss zu psychischen Erkrankungen

Die Deutsche PsychotherapeutenVereinigung (DPtV) kritisiert den Beschluss der Innenministerkonferenz zum Umgang mit Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden, als problematisch und riskant. "Die vorgeschlagenen Maßnahmen greifen in Grundrechte ein, verengen die Sicht auf psychische Erkrankungen und gefährden zentrale Elemente psychotherapeutischer Versorgung." Gleichzeitig erkennt die DPtV das Bedürfnis nach Sicherheit angesichts schwerer Gewalttaten an, fordert jedoch Lösungen, die auf Vertrauen beruhen und Hilfen für Betroffene bereithalten: "Gerade deshalb braucht es aber Lösungen, die Vertrauen schaffen und Hilfe für psychisch erkrankte Personen bereithalten."

Kritik richtet sich vor allem gegen die geplante Datenweitergabe sensibler Gesundheitsinformationen an Polizei- und Justizbehörden. Dies könne den Eindruck erwecken, psychische Erkrankungen seien grundsätzlich ein sicherheitsrelevantes Merkmal – obwohl der Beschluss offiziell lediglich eine kleine Risikogruppe adressiert. Die DPtV betont, wie wichtig die rechtlich geschützte psychotherapeutische Schweigepflicht für das vertrauensvolle Behandlungsklima ist: "Wird dieser Schutz infrage gestellt, steigt die Schwelle, überhaupt Hilfe zu suchen – und genau das gefährdet Prävention und Stabilisierung."

Zudem fordert die Vereinigung, Versorgungslücken bei der Unterbringung behandlungsbedürftiger Menschen zu schließen. Dabei verwirkliche sich dies nicht durch neue Kontrollstrukturen, sondern durch eine bessere Nutzung fachlicher Ressourcen: "Psychologische Psychotherapeutinnen und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen verfügen über die erforderliche klinisch-diagnostische Expertise und sind ebenfalls in der Versorgung aktiv. Es ist sowohl fachlich wie versorgungspolitisch sinnvoll, diese Ressource zu nutzen." Die DPtV setzt sich für den Ausbau von psychosozialen Hilfen, eine verbindliche multiprofessionelle Zusammenarbeit und flächendeckende Versorgung ein. Beispiele für präventive Strukturen sind spezialisierte Ambulanzen, die niedrigschwellige Diagnostik, Krisenintervention und soziale Vernetzung bieten.

Diese Haltung unterstreicht die DPtV mit der Mitzeichnung des Positionspapiers "Gewalttätiges Verhalten bei Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wie hoch ist das Risiko und wie lässt es sich begrenzen?" der DGPPN. Eine faktenbasierte, respektvolle Sichtweise auf psychische Erkrankungen ist der Schlüssel, um Sicherheit und Hilfe zusammenzubringen – ohne Stigmatisierung und mit dem Schutz der Grundrechte.

Positionspapier der DGPPN
Beschluss der Innenministerkonferenz (TOP 83) (S. 77)

Schutz der Schweigepflicht – Zwischen Sicherheit und Stigmatisierung

Die aktuellen Debatten um den Beschluss der Innenministerkonferenz zum Integrierten Risikomanagement bei Menschen mit psychischen Erkrankungen werfen wichtige Fragen zum Verhältnis von Schweigepflicht, Datenschutz und dem Umgang mit psychisch Erkrankten auf. Ziel der Maßnahmen ist es, Sicherheit zu erhöhen, indem potenzielle Risiken frühzeitig erkannt und gesteuert werden. Doch zugleich besteht die Gefahr, dass solche Strategien zu einer pauschalen Stigmatisierung führen und die Bereitschaft zur offenen Behandlung und Prävention untergraben.

Der vorliegende Beschluss setzt an einer kleinen Gruppe von Menschen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial an. Gleichzeitig entsteht aber der Eindruck, psychische Erkrankungen seien generell sicherheitsrelevant. Dies kann das gesellschaftliche Klima gegenüber Betroffenen nachhaltig verändern – weg von Mitgefühl und Verständnis, hin zu Vorurteilen und Ausgrenzung. Besonders kritisch ist die geplante Öffnung der psychotherapeutischen Schweigepflicht durch den Datenaustausch mit Polizei, Justiz und Ausländerbehörden. Die Schweigepflicht ist ein essenzielles Element im Vertrauensverhältnis zwischen Patientinnen und Therapeuten. Wird dieser Schutz infrage gestellt, sinkt die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen, erheblich – was genau die verfügbaren Präventions- und Versorgungsangebote schwächt.

Neben diesen Risiken sollten auch die Versorgungsstrukturen in den Blick genommen werden. Derzeit führen begrenzte Kapazitäten, etwa bei ärztlichen Unterbringungsgutachten, zu erheblichen Lücken. Eine stärkere Einbindung psychologischer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten erscheint fachlich und versorgungspolitisch sinnvoll. Statt neuer Kontroll- und Überwachungsmechanismen bedarf es vielmehr multiprofessioneller Zusammenarbeit und eines Ausbaus psychosozialer Hilfen. So können spezialisierte Ambulanzen mit niedrigschwelliger Diagnostik und Krisenintervention das Risikomanagement effektiver und zugleich menschenwürdiger gestalten.

Stigmatisierungsgefahren und gesellschaftliche Folgen

Die Gefahr, Menschen mit psychischen Erkrankungen durch sicherheitspolitische Maßnahmen zu stigmatisieren, ist nicht nur eine abstrakte Debatte, sondern hat reale Folgen für Betroffene und das gesellschaftliche Miteinander. Wenn psychische Erkrankungen vor allem als potenzielle Sicherheitsrisiken wahrgenommen werden, prägt dies auch das öffentliche Bild und erschwert den offenen Umgang mit psychischer Gesundheit.

Stigmatisierung führt dazu, dass sich Betroffene zurückziehen, Ängste vor Diskriminierung wachsen und die Bereitschaft, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sinkt. Dies gefährdet zentrale Ziele der Prävention und Versorgung. Die psychotherapeutische Schweigepflicht spielt dabei eine Schlüsselrolle: Sie schafft einen geschützten Raum, in dem sich Patientinnen und Patienten öffnen können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen.

Der vorsichtige Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten ist deshalb unerlässlich. Der geplante Austausch mit Sicherheitsbehörden widerspricht dem Grundsatz, dass medizinische Informationen nur im Rahmen der Behandlung genutzt werden dürfen. Die vertrauensvolle Kommunikation zwischen Therapeut und Patient wird durch solche Maßnahmen beeinträchtigt, was letztlich die Stabilisierung und den Behandlungserfolg gefährdet.

Aufgabenverteilung und interprofessionelle Lösungen

Die Herausforderungen im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen, die ein Risiko für sich oder andere darstellen könnten, erfordern eine koordinierte und sachgerechte Antwort. Aktuell sind Unterbringungsgutachten ausschließlich durch Ärztinnen und Ärzte möglich. Diese Beschränkung führt angesichts begrenzter ärztlicher Kapazitäten zu Verzögerungen und Versorgungsengpässen.

Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten verfügen über die notwendige klinisch-diagnostische Expertise, um in diesen Fällen gezielt mitzuwirken. Ein fachlich fundierter Einbezug dieser Berufsgruppe könnte die Versorgungslücken schließen und die Gesamtqualität der Prävention verbessern.

Zentrale Elemente einer angemessenen Strategie sind:

  • Ausbau niedrigschwelliger ambulant psychosozialer Angebote,
  • verbindliche multiprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Medizin, Psychotherapie, Sozialarbeit und weiteren Disziplinen,
  • flächendeckende Zugänge zu Diagnostik, Krisenintervention und sozialer Vernetzung.

Damit lässt sich ein differenziertes Risikomanagement umsetzen, das neben Sicherheit auch die Rechte und Bedürfnisse der Betroffenen respektiert. Konkrete Vorschläge für solche Strukturen sind im gemeinsam von Fachverbänden vorgelegten Positionspapier erarbeitet worden. Sie zeigen, dass eine Balance zwischen Gefahrenabwehr und einem diskriminierungsfreien Umgang möglich und dringend notwendig ist.

Der Diskurs über die Ausgestaltung des Schutzes von Schweigepflicht und die Versorgungsrealität bei psychischen Erkrankungen wird auch künftig politisch und gesellschaftlich wichtig bleiben. Er erfordert eine differenzierte Debatte, die Risiken ebenso anerkennt wie den Wert von Therapie und Prävention. Nur durch eine breite interdisziplinäre Zusammenarbeit und den Ausbau wirksamer Hilfesysteme kann das Ziel erreicht werden, Menschen mit psychischen Erkrankungen zu unterstützen und gleichzeitig die Sicherheit der Gemeinschaft zu gewährleisten.

Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV).

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