Sandaal-Fischerei bedroht Doggerbank: BUND warnt vor ökologischer Katastrophe in der Nordsee

Die Industriefischerei auf Sandaal bedroht das Meeresschutzgebiet Doggerbank in der Nordsee. Jährlich werden dort 94.000 Tonnen der Fische mit Grundschleppnetzen gefangen, die ausschließlich zu Fischmehl und -öl verarbeitet werden. Der BUND fordert mit einer Petition an Bundesfischereiminister Alois Rainer ein Verbot dieser Fischereipraxis im Schutzgebiet und übergibt am 22. Oktober fast 60.000 Unterschriften.
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Inhaltsübersicht

– Industriefischerei fängt jährlich 250.000 Tonnen Sandaale in der Nordsee
– Grundschleppnetze zerstören das Meeresschutzgebiet Doggerbank trotz MSC-Zertifizierung
– Sandaale sind zentrale Nahrungsgrundlage für Wale, Robben und Seevögel

Industriefischerei gefährdet das Herz der Nordsee

Jährlich werden in der Nordsee rund eine Viertelmillion Tonnen Sandaale nur für die Futtermittelproduktion gefischt. Davon werden 94.000 Tonnen im Gebiet der Doggerbank gefangen. Die BUND-Expertin Valeska Diemel bringt es auf den Punkt: „Unsere Auswertung von Fischereidaten hat ergeben, dass jährlich etwa 250.000 Tonnen Sandaale in der Nordsee ausschließlich für die Futtermittelproduktion gefangen werden. Davon werden 94.000 Tonnen im Gebiet der Doggerbank gefangen. Einer geschützten Sandbank, die als das Herz der Nordsee gilt.“

Seit Juli 2025 sammelt der BUND Unterschriften für ein Verbot der Grundschleppnetzfischerei im Schutzgebiet. Bereits über 56.000 Menschen – in der PM auch als „fast 60.000“ bezeichnet – unterstützen diese Forderung an Bundesfischereiminister Alois Rainer. Die Petition läuft noch bis 20. Oktober 2025.

  • Am 22. Oktober 2025 übergibt der BUND die gesammelten Unterschriften im Rahmen einer Bildaktion in Berlin.

Der BUND fordert ein sofortiges Ende der zerstörerischen Grundschleppnetzfischerei im Meeresschutzgebiet Doggerbank.

Warum Sandaale das Nordsee-Ökosystem stabilisieren

Der Sandaal zählt zu den wichtigsten Fischarten nach Fangvolumen in der Nordsee, gemeinsam mit Hering und Stint (Quelle: Sachverständigenrat für Umweltfragen, Stand: 2004). Diese kleine Schwarmfischart bildet eine zentrale Nahrungsgrundlage für das marine Leben – ihr Rückgang könnte ökologische Kettenreaktionen auslösen.

Warum Sandaale Ökosysteme stützen

Als Hauptbeute mehrerer Meeressäuger und Seevögel erfüllt der Sandaal eine Schlüsselfunktion im Nahrungsnetz (Quelle: Greenpeace, Stand: 2019). Die fettreichen Fische versorgen Robben, Wale und Seevögel mit lebenswichtiger Energie. Werden große Mengen dieser Art entnommen, fehlt diese Nahrungsquelle – mit potenziellen Folgen für die Bestände ihrer natürlichen Fressfeinde.

Doggerbank als Nahrungsraum für Meerestiere

Die Doggerbank stellt ein bedeutendes Nahrungsgebiet für verschiedene Meerestiere dar (Quelle: Bundesamt für Naturschutz, Stand: 2023). Die intensive Befischung in diesem Gebiet gefährdet somit nicht nur die Sandaalbestände selbst, sondern auch die Arten, die auf sie als Nahrung angewiesen sind.

Wie gefischt wird und wer das erlaubt

Die industrielle Fischerei auf Sandaal in der Nordsee folgt einem ausgeklügelten System aus Technik, Quotenverteilung und Zertifizierungen. In der Nordsee und speziell auf der Doggerbank werden Sandaale ausschließlich in industrieller Schleppnetzfischerei gefangen (Stand: 02/2020–02/2021, laut fischbestaende-online.de). Diese Verteilung spiegelt die wirtschaftlichen Interessen der Anrainerstaaten wider.

Technik, Beifangrisiko, Maschenweiten

Die eingesetzten Grundschleppnetze gehören zu den umstrittensten Fangmethoden. Mit besonders kleinen Maschen von weniger als 16 Millimetern Durchmesser durchpflügen sie den Meeresboden, wo Sandaale den Großteil ihres Lebens vergraben verbringen. Diese engen Maschen wirken wie ein Sieb und führen zu erheblichem Beifang – alles, was größer als 16 Millimeter ist, wird zum Kollateralschaden der Sandaalfischerei. Die Methode zerstört dabei nicht nur die Population der Zielart, sondern den gesamten Lebensraum der geschützten Sandbank.

Bereits im Jahr 2015 wurden von deutschen Fangschiffen 13.922 Tonnen Sandaal und Sprotte gefangen, rund 88 % davon wurden industriell verwertet (z. B. zu Fischmehl und Fischöl) – diese Zahlen des Thünen-Instituts (Stand: 2015) zeigen die lange Tradition dieser Verwertungskette.

Regeln, Quoten und Zertifikate

Während die meisten Anrainerstaaten an der bestehenden Praxis festhalten, hat Großbritannien 2024 als einziges Land die Grundschleppnetzfischerei im britischen Teil der Doggerbank verboten (Stand: 2024, laut Bundesamt für Naturschutz). Diese politische Maßnahme steht im Kontrast zur anhaltenden Zertifizierungspraxis: Die dänische und schwedische Industriefischerei auf Sandaal in der Nordsee bleibt nach MSC-Zertifizierung bis mindestens 2030 als "nachhaltig" eingestuft, trotz Kritik an Auswirkungen auf das Ökosystem der Schutzgebiete (Stand: 2025, laut fischbestaende-online.de).

Diese Einstufung wirft Fragen auf: Wie kann eine Fischereimethode, die Schutzgebiete beeinträchtigt und erheblichen Beifang produziert, als nachhaltig gelten? Die Diskrepanz zwischen MSC-Zertifikat und ökologischen Bedenken zeigt die Spannungen zwischen industriellen Interessen und Naturschutzzielen.

Wenn die Nahrungskette bricht

Die industrielle Sandaalfischerei greift tief in das marine Ökosystem ein. Sandaale bilden eine zentrale Nahrungsgrundlage für zahlreiche Raubfische, Meeressäuger und Seevögel in der Nordsee. Ihre massenhafte Entnahme kann daher zu gravierenden Eingriffen in die Nahrungskette führen, da viele Arten direkt von diesem Schwarmfisch abhängen (Quelle: Greenpeace, Stand: 2019).

Nahrungsketten-Effekte

Die ökologischen Folgen zeigen sich besonders deutlich am Beispiel des Papageientauchers. Dieser charakteristische Seevogel ist auf nährstoffreiche Sandaale als Hauptnahrungsquelle für sich und seine Jungen angewiesen. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass der Rückgang der Sandaalbestände unmittelbar zu Nahrungsmangel und Bestandsrückgängen bei diesen und anderen marinen Arten führen kann (Quelle: Greenpeace, Stand: 2019).

Parallel dazu treibt die Aquakultur-Industrie die Nachfrage weiter an. Für die Produktion von 1 Kilogramm Zuchtfisch werden zwischen 1,1 und 2,8 Kilogramm Wildfisch wie Sandaal benötigt (Quelle: BUND Schleswig-Holstein, Stand: 2013). Diese Abhängigkeit von ganzen Wildfischen für Futtermittel verschärft den Druck auf die bereits belasteten Bestände.

Regionale Beobachtungen

An der Doggerbank, der größten Sandbank der Nordsee, verdichten sich diese Effekte. Das Gebiet bietet nicht nur Sandaalen optimale Lebensbedingungen, sondern dient gleichzeitig als wichtiger Lebensraum für Schweinswale, Seehunde, Kegelrobben und diverse Seevogelarten. Die intensive Befischung in diesem sensiblen Ökosystem gefährdet somit direkt die Tierwelt, die auf die Sandaale als Nahrungsgrundlage angewiesen ist.

Politik, Protest und Ausblick

Die Auseinandersetzung um die Doggerbank zeigt grundlegende Spannungen im europäischen Meeresschutz auf. Während das Gebiet offiziell als Schutzgebiet ausgewiesen ist, erlauben bestehende Regelungen weiterhin zerstörerische Fischereipraktiken. Diese Diskrepanz zwischen Schutzstatus und tatsächlicher Nutzung führt zu wachsenden Konflikten zwischen Naturschutzorganisationen, politischen Entscheidungsträgern und der Fischereiwirtschaft.

Gegenüberstellungen: BUND vs. Behörden

Der BUND hat mit seiner Petition konkrete Forderungen an die Politik gerichtet – bisher jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Die Organisation dokumentiert, dass trotz des Schutzstatus weiterhin Grundschleppnetze in dem sensiblen Ökosystem zum Einsatz kommen. Die politische Reaktion fiel bisher verhalten aus: Bundesfischereiminister Alois Rainer lehnte die Annahme der Petition mit bereits über 56.000 Unterschriften ab.

Auf europäischer Ebene zeigt sich ein uneinheitliches Bild: Großbritannien verbot 2024 die Grundschleppnetzfischerei im britischen Teil der Doggerbank – Stand: 2024. Im deutschen und niederländischen Teil des Schutzgebiets bleibt diese Praxis jedoch weiterhin erlaubt. Diese unterschiedliche Handhabung untergräbt den ganzheitlichen Schutzanspruch des grenzüberschreitenden Ökosystems.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Zertifizierungspraxis: Der Marine Stewardship Council (MSC) stuft die dänische und schwedische Industriefischerei auf Sandaal bis mindestens 2030 als "nachhaltig" ein – Stand: 2025. Diese Einstufung steht in deutlichem Widerspruch zu den Erkenntnissen von Naturschutzorganisationen, die die Zerstörung des Meeresbodens und die Gefährdung des gesamten Nahrungsnetzes beklagen.

Was Leser tun können

Die anhaltende Debatte zeigt, dass politischer Druck notwendig bleibt, um Veränderungen zu erreichen. Verschiedene Handlungsoptionen stehen zur Diskussion:

  • Nationale Verbote: Deutschland könnte dem britischen Beispiel folgen und Grundschleppnetze im deutschen Teil der Doggerbank verbieten
  • EU-weite Regelungen: Eine einheitliche europäische Politik könnte den Schutzstatus tatsächlich durchsetzen
  • Zertifizierungsreformen: Anpassungen der MSC-Kriterien könnten Grundschleppnetze in Schutzgebieten von der Nachhaltigkeitszertifizierung ausschließen

Für interessierte Bürgerinnen und Bürger bietet die BUND-Petition eine konkrete Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Die Unterschriftensammlung läuft noch bis Oktober 2025 und richtet sich direkt an den verantwortlichen Bundesminister. Über die Petition hinaus können Verbraucher durch bewusste Kaufentscheidungen und Aufklärung im persönlichen Umfeld das Thema im öffentlichen Bewusstsein halten.

Die Doggerbank bleibt damit ein Prüfstein für die Glaubwürdigkeit europäischer Meeresschutzpolitik – und dafür, ob Schutzgebiete tatsächlich Schutz bieten oder lediglich auf dem Papier existieren.

Die vorliegenden Informationen und Zitate stützen sich auf eine Pressemitteilung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Weiterführende Quellen:

7 Antworten

  1. Die Diskrepanz zwischen dem MSC-Zertifikat und den ökologischen Auswirkungen ist bedenklich. Wie kann etwas als nachhaltig gelten, wenn es das Leben im Meer gefährdet? Das muss geändert werden!

    1. …und ich finde es schockierend! Es gibt immer wieder neue Berichte über den Rückgang der Bestände von Seevögeln und Robben wegen der Überfischung. Was können wir tun?

  2. Ich habe von der Petition gehört und finde es toll, dass sich so viele Menschen engagieren! Aber warum dauert es so lange, bis etwas passiert? Wir müssen Druck aufbauen!

  3. Die Menge an Sandaalen, die gefangen wird, ist einfach unvorstellbar! Es ist wichtig, dass wir mehr Bewusstsein für den Schutz der Doggerbank schaffen. Wo bleibt der Schutz unserer Meere?

    1. Ich denke auch, dass mehr Aufklärung nötig ist! Vielleicht sollten Schulen mehr über solche Themen lehren? Es betrifft uns alle!

  4. Ich finde es erschreckend, wie die Industriefischerei die Nordsee so stark belastet. Sandaale sind so wichtig für das Ökosystem, und trotzdem wird so viel gefischt! Wer denkt da nur an die Zukunft?

    1. Ja, das ist wirklich traurig. Ich frage mich, was wir als Verbraucher tun können, um diese Praktiken zu stoppen. Gibt es eine Möglichkeit, direkt Einfluss auf die Politik zu nehmen?

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