– Vier Hilfsorganisationen fordern Reform des Hessischen Rettungsdienstgesetzes
– Zentrale Forderungen sind landesweite Standards und verbindliches Qualitätsmanagement
– Leitstellen sollen zu modernen Gesundheitslotsen weiterentwickelt werden
Alarmstufe Rot: Hilfsorganisationen fordern Rettungsdienst-Reform
Die vier großen Hilfsorganisationen in Hessen schlagen Alarm: ASB, DRK, Malteser und Johanniter sehen den Rettungsdienst am Limit und fordern einen kompletten Neustart. Anlass ist die bevorstehende Novelle des Hessischen Rettungsdienstgesetzes, die die Organisationen als historische Chance für eine grundlegende Reform begreifen.
„Wir erleben täglich, wie das System an seine Grenzen stößt. Unsere Mitarbeitenden, die Patientinnen und Patienten verdienen ein zukunftsfähiges, verlässliches Rettungssystem – und wir sind bereit, es mitzugestalten.“ Diese eindringliche Warnung begleitet die Forderung nach einer grundlegenden Neufassung des Hessischen Rettungsdienstgesetzes. Als Hauptursachen für die Krise nennen die Organisationen: „Demografischer Wandel, Fachkräftemangel, regionale Ungleichheit sowie steigende Anforderungen und Verfügbarkeit bringen den Rettungsdienst an seine Belastungsgrenze.“
Drei zentrale Forderungen bilden das Kernstück des Reformpakets:
Einheitliche Standards für ganz Hessen
Die Organisationen kritisieren die aktuelle Abhängigkeit von Landkreisgrenzen: „Der Rettungsdienst darf nicht länger vom Landkreis abhängen.“ Sie fordern „verbindliche landesweite Standards für Kompetenzen, Ausstattung und Fortbildung sowie eine zentrale Fachaufsicht im zuständigen Ministerium.“
Verbindliches Qualitätsmanagement
Transparenz und Vergleichbarkeit stehen im Mittelpunkt der zweiten Forderung: „Die Organisationen fordern ein gesetzlich verankertes Qualitätsmanagementsystem mit jährlichem Qualitätsbericht.“ Die Kosten für Qualitätssicherung sollen als Teil der Rettungsdienstfinanzierung anerkannt werden.
Leitstellen als Gesundheitslotsen
Die dritte Forderung zielt auf eine moderne Steuerung: „Die Leitstellen sollen zu modernen Gesundheitsleitstellen weiterentwickelt werden, die Patientinnen und Patienten gezielt in die richtige Versorgung steuern.“
Die Dimension der Herausforderung wird durch die Einsatzstatistik deutlich: Die vier Organisationen leisten 1.166.556 Einsätze jährlich* (Notfälle und Krankentransporte) und betreiben 347 Rettungswachen inklusive Notarzteinsatzfahrzeug-Standorten* Ihre klare Botschaft: Jetzt ist der Moment für mutige Entscheidungen.
Warum der Rettungsdienst in Hessen vor einem Umbruch steht
Die Forderungen der Hilfsorganisationen nach einer grundlegenden Reform kommen nicht aus dem Nichts. Sie sind die direkte Antwort auf strukturelle Probleme, die sich über Jahre aufgebaut haben und durch aktuelle gesetzliche Neuerungen eine historische Chance bieten.
Wie sich Einsatzzahlen und Personal entwickelten
Die Belastung des Rettungssystems hat bundesweit kontinuierlich zugenommen. Die Anzahl medizinischer Transporte in Deutschland stieg von 34 Millionen im Jahr 2014 auf 54 Millionen im Jahr 2024 (Quelle: DMRZ). Parallel dazu wuchs die Zahl der Beschäftigten im Rettungsdienst auf rund 89.000 Personen (Stand: 2024, Quelle: DMRZ).
| Jahr | Medizinische Transporte | Beschäftigte im Rettungsdienst | Quelle |
|---|---|---|---|
| 2014 | 34 Mio. | – | DMRZ* |
| 2024 | 54 Mio. | 89.000 | DMRZ* |
Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der hessischen Rettungsdienstlandschaft wider. Das Bundesland verfügt über zahlreiche Rettungsdienstbereiche, Rettungswachen und Leitstellen, die eine dezentrale Struktur bilden und zu Herausforderungen bei der Koordination und Standardisierung führen.
Gesetzesnovelle 2025: Chancen und Zielsetzungen
Die geplante Gesetzesnovelle 2025 bietet die Möglichkeit, langjährige Probleme systematisch anzugehen. Bereits Anfang 2025 wiesen die Ersatzkassen in einem Prüfbericht auf gravierende Unterschiede bei Standards und IT-Systemen in den hessischen Leitstellen hin und forderten eine Vereinheitlichung sowie die Verankerung des Rettungsdienstes im SGB V (Stand: 2025, Quelle: vdek)*.
Die hessische Landesregierung plant mit der Reform den Ausbau der Leitstellen zu virtuellen Gesundheitsleitstellen. Dies könnte nach Regierungsangaben ein jährliches Einsparpotenzial von etwa 42 Millionen Euro generieren (Stand: 2025, Quelle: vdek)*. Die geplante Modernisierung zielt darauf ab, die bisherige Zersplitterung zu überwinden und landesweit einheitliche Qualitätsstandards zu etablieren.
Die strukturellen Veränderungen der letzten Jahre, kombiniert mit der aktuellen Gesetzesinitiative, schaffen damit die Grundlage für den geforderten Neustart des hessischen Rettungsdienstes.
Zwischen Zertifizierung und Kritik: Die widersprüchliche Datenlage
Die Diskussion um die Zukunft des hessischen Rettungsdienstes wird durch unterschiedliche Bewertungen und Prüfergebnisse geprägt. Während lokale Qualitätsnachweise hohe Standards dokumentieren, zeigen überregionale Prüfberichte erhebliche Defizite auf – ein scheinbarer Widerspruch, der sich aus unterschiedlichen Prüfschwerpunkten und Methodiken erklärt.
Qualitätssicherung vs. Prüfberichte
Im Wiesbadener Rettungsdienst gilt seit 2023 eine KTQ-Zertifizierung mit externer Qualitätssicherung und regelmäßiger Rezertifizierung zur Sicherung der Dienstleistungsqualität.* Dieses lokale Qualitätsmanagement wird durch aktuelle Kontroll-Audits bestätigt: Die Kontroll-Audits im hessischen Rettungsdienst bestätigen höchste Qualitätsstandards, insbesondere bei Hygiene, Dokumentation und Verbesserungsprozessen (Stand 23.01.2025).*
Diesen positiven Ergebnissen stehen kritische Prüfberichte gegenüber. Die Ersatzkassen monieren in ihrem aktuellen Bericht, dass Leitstellen mit unterschiedlichen Standards und IT-Systemen arbeiten (Stand: 2025).*
Die widersprüchlichen Befunde lassen sich so zusammenfassen:
- Lokale Qualitätsnachweise dokumentieren hohe Standards in einzelnen Bereichen
- Überregionale Prüfberichte kritisieren die mangelnde Einheitlichkeit im Gesamtsystem
Technik, Leitstellen, Telemedizin: Faktenlage
Die unterschiedlichen Bewertungen werden besonders bei der Betrachtung der Leitstellen und technischen Infrastruktur deutlich. Während die KTQ-Zertifizierung und Kontroll-Audits die Qualitätssicherung in bestehenden Strukturen bestätigen, zeigt der Prüfbericht der Ersatzkassen die systemischen Probleme auf: Die uneinheitlichen Standards und IT-Systeme behindern eine flächendeckend gleichwertige Versorgung.
Diese Diskrepanz erklärt sich aus dem unterschiedlichen Fokus der Prüfungen. Lokale Audits bewerten die Einhaltung bestehender Vorgaben, während überregionale Prüfberichte die Vergleichbarkeit und Einheitlichkeit des Gesamtsystems hinterfragen. Die Hilfsorganisationen selbst fordern in ihrem Positionspapier daher "einheitliche Strukturen und Standards für ganz Hessen" sowie die Weiterentwicklung der Leitstellen zu modernen Gesundheitslotsen.
Die zeitliche Abfolge der Prüfergebnisse – von der KTQ-Zertifizierung 2023 über die positiven Kontroll-Audits Anfang 2025 bis hin zu den kritischen Prüfberichten später im Jahr 2025 – unterstreicht die anhaltende Spannung zwischen lokaler Qualitätssicherung und überregionaler Systemkritik.
Ausblick & gesellschaftliche Relevanz
Die anstehende Reform des hessischen Rettungsdienstgesetzes betrifft Fachkreise und zielt auf eine Verbesserung der Versorgung. Mit der geplanten Novelle 2025 will die Landesregierung die Leitstellen zu virtuellen Gesundheitsleitstellen ausbauen*.
Konkrete Änderungen für die Versorgung
Für Patientinnen und Patienten würde die Reform spürbare Verbesserungen bringen: Statt langer Wartezeiten auf den Rettungsdienst könnten sie schneller in die passende Versorgungsebene vermittelt werden – sei es zum Bereitschaftsdienst, zur Telemedizin oder direkt in die Hausarztpraxis. Die geplante Umstellung verspricht nicht nur mehr Effizienz, sondern auch Kosteneinsparungen: Das jährliche Einsparpotenzial liegt bei etwa 42 Millionen Euro*.
Doch nicht alle Aspekte der Reform sind unumstritten. Ein aktueller Prüfbericht der Ersatzkassen vom Juli 2025 weist auf erheblichen Prüfbedarf hin – insbesondere bei der Zweckmäßigkeit der Maßnahmen, dem personellen Zuschnitt und der Wirtschaftlichkeit der geplanten Strukturen*.
Nächste Schritte: Novelle 2025 und Beteiligungsmöglichkeiten
Die Hilfsorganisationen betonen die Dringlichkeit der Reform angesichts von Fachkräftemangel, demografischem Wandel und regionaler Ungleichheit. Wie genau die Landesregierung die parlamentarische Beratung gestaltet und wie Bürgerinnen und Bürger in den Reformprozess einbezogen werden, steht noch aus.
Die Transparenz des Verfahrens wird entscheidend sein für die Akzeptanz der Neuregelungen. Bleibt die Frage: Wann die konkreten Entwürfe öffentlich gemacht werden und welche Möglichkeiten zur Stellungnahme vorgesehen sind.
Dieser Beitrag stützt sich auf eine Pressemitteilung des DRK-Landesverbands Hessen e.V. sowie der weiteren beteiligten Hilfsorganisationen ASB, Malteser und Johanniter in Hessen.
Weiterführende Quellen:
- „Seit 1999 sind die Träger des Rettungsdienstes in Hessen gesetzlich verpflichtet, ihre Bereiche regelmäßig zu überprüfen, doch ein aktueller Prüfbericht kritisiert, dass diese Kontrollpflicht seit 25 Jahren vernachlässigt wurde.“ – Quelle: https://www.dmrz.de/blog/rettungsdienst-krankentransporte-25-jahre-ohne-reform-bedrohen-versorgung
- „Die Anzahl der medizinischen Transporte in Deutschland stieg von 34 Mio. im Jahr 2014 auf 54 Mio. im Jahr 2024, begleitet von einem bundesweiten Beschäftigtenanstieg um 59 % auf rund 89.000 im Rettungsdienst (Stand 2024).“ – Quelle: https://www.dmrz.de/blog/rettungsdienst-krankentransporte-25-jahre-ohne-reform-bedrohen-versorgung
- „Im Wiesbadener Rettungsdienst gilt seit 2023 eine KTQ-Zertifizierung mit externer Qualitätssicherung und regelmäßiger Rezertifizierung zur Sicherung der Dienstleistungsqualität.“ – Quelle: https://ktq.de/fileadmin/media/Pressespiegel/FB-Brodermann.pdf
- „Hessen verfügt 2024 über 26 Rettungsdienstbereiche, ca. 300 Rettungswachen und 25 Leitstellen; die laufende Gesetzesnovelle sieht u.a. verbesserte digitale Vernetzung und Einbeziehung von Ersthelfer-Apps vor.“ – Quelle: https://www.skverlag.de/rettungsdienst/meldung/newsartikel/hessen-will-rettungsdienst-zukunftsfaehig-machen.html
- „Ein Prüfbericht der Ersatzkassen aus 2025 stellt fest, dass die 25 Leitstellen in Hessen unterschiedliche Standards und IT-Systeme nutzen, was zu regionalen Versorgungsunterschieden führt, und fordert eine Vereinheitlichung sowie Verankerung des Rettungsdienstes im SGB V.“ – Quelle: https://www.vdek.com/LVen/HES/Presse/Pressemitteilungen/2025/NotfallG-BT/_jcr_content/par/download/file.res/HES55-2025%20-%20Statement%20Claudia%20Ackermann%201.%20Lesung%20NotfallG.pdf
- „Die hessische Landesregierung plant mit der Reform 2025 den Ausbau der Leitstellen zu virtuellen Gesundheitsleitstellen, woraus ein jährliches Einsparpotenzial von ca. 42 Mio. Euro entstehen könnte.“ – Quelle: https://www.vdek.com/LVen/HES/Presse/Pressemitteilungen/2025/NotfallG-BT.html
- „Ein Prüfbericht der Ersatzkassen aus Juli 2025 kritisiert, dass Überprüfungen der Zweckmäßigkeit und des Zuschnitts der Rettungsdienstbereiche sowie Personaleinsatz und Wirtschaftlichkeit bislang unzureichend sind.“ – Quelle: https://www.vdek.com/LVen/HES/Presse/Pressemitteilungen/2025/PKRD/_jcr_content/par/download_1328640606/file.res/Pr%C3%BCfbericht_5_3_HRDG_08072025_final.pdf
- „Die Kontroll-Audits im hessischen Rettungsdienst bestätigen 2025 höchste Qualitätsstandards, insbesondere bei Hygiene, Dokumentation und Verbesserungsprozessen (Stand 23.01.2025).“ – Quelle: https://osthessen-news.de/n11771226/kontroll-audit-bestatigt-die-einhaltung-hoechster-standards-im-rettungsdienst.html


8 Antworten
Ich finde es toll das jetzt darüber gesprochen wird! Die Reform könnte wirklich viele Verbesserungen bringen für alle Beteiligten. Was denkt ihr über die Finanzierung dieser Maßnahmen?
„Alarmstufe Rot“ ist eine starke Überschrift! Es zeigt wirklich die Dringlichkeit der Situation auf. Wie lange dauert es wohl noch bis wir erste Ergebnisse sehen werden?
Die Idee, Leitstellen in Gesundheitslotsen umzuwandeln, klingt spannend. Was denkt ihr über die Rolle der Telemedizin in diesem Zusammenhang? Wird das eine große Hilfe sein?
Ja, Telemedizin kann sicher eine Erleichterung bringen! Aber wie sieht es mit den Datenschutzfragen aus? Das muss unbedingt geklärt werden.
Das Thema ist sehr komplex und braucht viel Aufmerksamkeit. Qualitätsmanagement ist entscheidend! Gibt es schon Beispiele aus anderen Bundesländern, wo das gut funktioniert hat?
Das wäre echt interessant zu wissen! Vielleicht könnte man von den Erfahrungen lernen. Eine transparente Kommunikation wäre auch hilfreich.
Die Forderungen der Hilfsorganisationen sind wirklich wichtig. Einheitliche Standards könnten helfen, die Qualität zu verbessern. Wie stellt man sich die Umsetzung vor? Ich hoffe, es wird bald ein Plan vorgestellt.
Ich stimme zu, die einheitlichen Standards sind notwendig! Aber was passiert mit den bestehenden Rettungsdiensten? Werden diese finanziell unterstützt, um die Umstellung zu schaffen?