– EU-Verordnung PPWR, ELV, WEEE führen zu verbindlichen Recycling- und Rezyklateinsatzquoten.
– Günstige asiatische Off-Spec-Neuware verdrängt europäische Rezyklate und erschwert Marktzugang.
– Mechanisches Recycling soll Vorrang behalten, chemisches Recycling liefert aktuell nur marginale Mengen.
EU-Verordnungen starten neue Ära für das Kunststoffrecycling – doch Herausforderungen bleiben
Mit der Neufassung der Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) sowie der Altfahrzeug- und WEEE-Richtlinie setzt die Europäische Union klare verbindliche Recycling- und Rezyklateinsatzquoten statt bisher freiwilliger Ziele. Diese gesetzlichen Neuerungen sollen das Kunststoffrecycling in Europa stärken und eine echte Kreislaufwirtschaft fördern. Bei der jüngsten Branchenkonferenz des bvse diskutierten über 300 Experten und Entscheider, wie sich diese Verordnungen auf die Industrie auswirken und welche Hindernisse noch zu überwinden sind.
Die PPWR trat am 11. Februar 2025 in Kraft und gilt unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten. Ziel ist vor allem, Verpackungen zurück in den Kreislauf zu führen: „Aus Getränkeflaschen werden Schalen oder Folien – echte Kreisläufe, in denen Verpackungen wieder zu Verpackungen werden, sind bislang die Ausnahme“, erklärt Dr. Thomas Probst vom bvse. Zwar existieren die technischen Voraussetzungen für hochwertiges Recycling, jedoch fehle es oft an ausreichenden Mengen geeigneter Inputstoffe: „Wir haben die technischen Grundlagen für hochwertiges Recycling. Aber ohne ausreichende Mengen geeigneter Inputstoffe bleibt der Aufbau geschlossener Kreisläufe Stückwerk.“
Ein besonderer Fokus liegt auf der Einbeziehung gewerblicher Verpackungsabfälle, die künftig getrennt und effizient erfasst werden müssen, ohne dabei neue Bürokratie aufzubauen. Probst fordert deshalb: „Wir brauchen neue Erfassungssysteme, die Kunststoffabfälle aus dem Gewerbebereich getrennt und effizient erfassen – ohne zusätzliche Bürokratiemonster zu schaffen.“ Die Branche setzt hier auf digitale, intelligente Systeme unter der Kontrolle der Zentralen Stelle Verpackungsregister, um Bewährtes weiterzuentwickeln und zugleich die Meldelasten gering zu halten.
Gleichzeitig wächst der Druck durch Importe aus Asien, die mit günstigeren Off-Spec-Neuware-Produkten den europäischen Markt überschwemmen. Probst warnt: „Diese Entwicklung führt zu einer doppelten Verdrängung – europäische Kunststoffproduzenten geraten unter Druck, und für hochwertige Rezyklate brechen die Absatzmärkte weg.“ Das regulatorische Ungleichgewicht zwischen strengen EU-Exportkontrollen und kaum kontrollierten Importen aus Drittstaaten sieht er als gravierendes Problem, das dringend adressiert werden muss: „Wenn wir wirklich eine geschlossene Kreislaufwirtschaft wollen, muss Europa hier dringend nachsteuern.“
Neben dem mechanischen Recycling gewinnt das chemische Recycling an Aufmerksamkeit, dessen tatsächlicher Beitrag aber weiterhin begrenzt ist. Trotz intensiver PR-Kampagnen sei der Output bisher nur marginal, so Probst: „Trotz massiver PR-Kampagnen bleibt der mengenmäßige Output des chemischen Recyclings derzeit marginal.“ Der bvse lehnt die geplante Bevorzugung chemischen Recyclings bei der Anrechnung auf Recyclingquoten ab, da dies den Markt verzerren und das mechanische Recycling schwächen würde. Für Dr. Probst ist klar: „Eine Sonderbehandlung des chemischen Recyclings verzerrt den Markt und schwächt das mechanische Recycling – obwohl letzteres ökologisch klar im Vorteil ist.“ Das mechanische Recycling bezeichnet er als „Rückgrat der europäischen Kunststoffkreislaufwirtschaft – und muss es auch bleiben.“
Mit diesen Gesetzesänderungen schafft die EU erstmals einen verbindlichen Rechtsrahmen für das Kunststoffrecycling – mit dem Potenzial, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben, aber auch mit erheblichen Herausforderungen durch Marktverwerfungen und fehlende Inputmengen. Die Diskussionen beim Branchentreffen machen deutlich, dass neben der Gesetzgebung vor allem praktische Umsetzungen und faire Wettbewerbsbedingungen entscheidend sind.
Herausforderungen und Chancen für Europas Recyclingwirtschaft im globalen Kontext
Europas Kunststoffrecycling steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Mit der neuen EU-Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR) setzt Brüssel verbindliche Recycling- und Rezyklateinsatzquoten durch und entzieht sich damit der bisherigen Praxis freiwilliger Zielvorgaben. Dieses rechtliche Fundament markiert einen wichtigen Schritt, um den Aufbau geschlossener Kreisläufe zu fördern, in denen Verpackungen tatsächlich wieder zu Verpackungen werden – und nicht zu minderwertigen Produkten verarbeitet werden. Dennoch zeigt sich in der Praxis eine erhebliche Diskrepanz zwischen ambitionierten Vorschriften und den realen Voraussetzungen. So sind geeignete Rezyklate vor allem im Lebensmittelbereich derzeit rar, rPET bildet eine Ausnahme, da es die strengen lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllt.
Gleichzeitig trifft Europas Recyclingindustrie auf einen internationalen Markt, der von Wettbewerbsungleichgewichten geprägt ist. Großvolumige Importe asiatischer Off-Spec-Neuware, preislich attraktiver als heimische Rezyklate, setzen europäische Hersteller erheblich unter Druck und gefährden sowohl qualitativ hochwertige Recyclingprodukte als auch die Marktentwicklung innerhalb Europas. Dabei erschwert das bestehende regulatorische Ungleichgewicht die Situation, denn während EU-Exporte streng kontrolliert werden, gibt es für entsprechende Importe kaum vergleichbare Kontrollen. Die Forderung nach Ausgleich auf diesem Gebiet ist für den Aufbau einer echten Kreislaufwirtschaft zentral.
Globale Wettbewerbsbedingungen und europäische Abhängigkeit
Die europäische Recyclingbranche sieht sich mit zunehmend komplexen globalen Wettbewerbsbedingungen konfrontiert. Asiatische Produzenten bieten Ersatzstoffe zu niedrigeren Preisen an und verdrängen damit nicht nur europäische Kunststoffproduzenten, sondern schwächen gleichzeitig den Markt für hochwertige Rezyklate. Dieses Ungleichgewicht zieht sich durch die gesamte Lieferkette und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf mehreren Ebenen.
Die regulatorische Lage verschärft die Problematik: Während die EU ihre eigenen Exportvorgaben konsequent umsetzt, fehlt eine vergleichbare Kontrolle bei den Importen. Das führt zu einer Benachteiligung heimischer Produzenten und steht dem Ziel einer nachhaltigen, geschlossenen Kunststoffkreislaufwirtschaft entgegen. Ein stärker abgestimmtes, internationales Vorgehen ist notwendig, um diese Schieflage zu korrigieren.
Herausforderungen und Chancen für die Kreislaufwirtschaft
Der Ausbau einer funktionierenden und belastbaren Kreislaufwirtschaft verlangt nicht nur die technische Machbarkeit, sondern vor allem eine ausreichende Verfügbarkeit geeigneter Ressourcen und Infrastruktur. Die EU-Verordnung PPWR sieht erstmals auch gewerbliche und industrielle Verpackungsabfälle vor, was neue Erfassungs- und Verarbeitungssysteme erfordert. Hier gilt es, intelligente, digital unterstützte Systeme zu etablieren, die Effizienz steigern, die Erfassung verbessern und zugleich bürokratische Hürden minimieren.
Die Recyclingwirtschaft muss sich zudem mit der Frage des chemischen Recyclings auseinandersetzen. Die Branche zeigt sich hierin skeptisch: Obwohl das chemische Recycling technisch Potenzial besitzt, bleibt der tatsächliche Output gemessen an den Erwartungen gering. Die Sonderbehandlung sogenannter „Dual-Use“-Stoffe im EU-Recht wird vom bvse kritisch gesehen, da sie den Markt verzerrt und das mechanische Recycling – das ökologisch überlegen bleibt und als Rückgrat der Kunststoffkreislaufwirtschaft gilt – schwächt.
Zentrale Herausforderungen europäischer Recyclingunternehmen auf einen Blick:
- Ungleichgewicht im globalen Wettbewerb: Asiatische Importe unterminieren den heimischen Markt und verdrängen nachhaltige Recyclingprodukte.
- Regulatorische Asymmetrien: Strenge EU-Ausfuhrregeln stehen unzureichenden Importkontrollen gegenüber.
- Infrastruktur und Qualität: Fehlende geschlossene Materialkreisläufe sowie unzureichende Erfassungssysteme für industrielle Kunststoffabfälle.
Die europäische Gesellschaft ist von diesen Entwicklungen unmittelbar betroffen. Recycling und Kreislaufwirtschaft sind nicht nur ökonomische, sondern entscheidende ökologische und soziale Themen. Die knappen Ressourcen und die Klimastrategien der EU hängen maßgeblich davon ab, wie effizient Plastikabfälle verwertet werden. Die neuen Verordnungen bieten dafür Chancen, setzen Industrie und Politik aber auch vor große Herausforderungen, die nur mit klaren Regeln, Innovationsbereitschaft und internationalem Dialog bewältigt werden können.
Diese Meldung und die darin enthaltenen Zitate basieren auf einer Pressemitteilung des bvse-Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.
7 Antworten
Es freut mich zu sehen, dass der Fokus auf geschlossenen Kreisläufen liegt! Aber wie stehen wir in Bezug auf neue Erfassungssysteme für gewerbliche Abfälle? Könnte das nicht noch komplizierter werden? Vielleicht sollte man darauf achten.
! Sarah hat recht! Wir brauchen einfache Lösungen und keine neuen Bürokratiemonster! Was denken andere darüber? Wie könnte eine digitale Lösung aussehen?
Die Herausforderung mit asiatischen Importen ist echt besorgniserregend. Wenn sie unsere Märkte überschwemmen, was passiert dann mit unseren heimischen Produzenten? Ich denke, wir müssen hier einen besseren Schutz finden. Wie kann das gelingen?
Marx, ich teile deine Sorgen! Es wäre hilfreich, wenn die EU auch gegen diese ungleichen Wettbewerbsbedingungen vorgeht. Gibt es da Pläne oder Initiativen? Wir sollten das Thema weiterverfolgen.
Ich glaube auch, dass mehr internationale Zusammenarbeit nötig ist! Wir sollten nicht nur auf die EU schauen, sondern auch globale Lösungen finden. Vielleicht gibt es Beispiele aus anderen Ländern?
Ich finde die neuen EU-Verordnungen zur Recyclingpolitik wirklich interessant! Es ist wichtig, dass wir endlich verbindliche Ziele haben. Aber wie können wir sicherstellen, dass die Industrie sich an diese Regeln hält? Vielleicht sollten wir auch mehr über die Rolle von chemischem Recycling diskutieren.
Das ist ein guter Punkt, Ottmar! Ich frage mich auch, ob die neuen Technologien zur Abfalltrennung wirklich effizient sind. Gibt es Studien dazu? Ich hoffe, dass der Fokus auf mechanischem Recycling nicht verloren geht.