Psychotherapie für vulnerable Gruppen: Symposium mit über 800 Teilnehmern fordert bessere kooperative Versorgung und neue Lösungen

Beim DPtV-Symposium „Psychotherapie für vulnerable Gruppen: Kooperativ versorgen!“ in Berlin und online nahmen über 800 Fachleute teil, um die Unterversorgung von Menschen mit Autismus, Suchterkrankungen und kognitiven Einschränkungen zu thematisieren. Gefordert wurde eine dauerhafte Finanzierung interdisziplinärer Behandlungsstrukturen und neuer Zugangswege nach § 31 Abs. 1 S. 3 Ärzte-ZV, da bislang nur zwölf spezialisierte Zentren mit langen Wartelisten existieren. Ziel ist, durch transparente Kooperationen und frühzeitige Interventionen Wartezeiten zu verkürzen und die psychotherapeutische Versorgung vulnerabler Gruppen flächendeckend zu verbessern.
VerbandsMonitor – Themen, Trends und Ticker vom 13.04.2025

– Symposium zur Verbesserung psychotherapeutischer Versorgung vulnerabler Gruppen mit über 800 Teilnehmern
– Vorstellung neuer Therapieansätze für Autismus, Suchtbehandlung und Psychotherapie geistig Behinderter
– Schaffung ambulanter Versorgungswege (§31 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV) für schwer erreichbare Patientengruppen

Psychotherapie für vulnerable Gruppen: Erkenntnisse und Impulse vom DPtV-Symposium 2025

Im Juni 2025 versammelten sich mehr als 800 Teilnehmende online und vor Ort in Berlin zum DPtV-Symposium, um über die Herausforderungen und Chancen in der Versorgung vulnerabler Gruppen mit psychotherapeutischen Angeboten zu diskutieren. Unter dem Motto „Psychotherapie für vulnerable Gruppen: Kooperativ versorgen!“ standen insbesondere der verbesserte Zugang zu psychotherapeutischen Leistungen und neue Wege der Zusammenarbeit im Zentrum. Gebhard Hentschel, Bundesvorsitzender der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung, formulierte die Kernaufgabe klar: „Wir müssen den Zugang vulnerabler Gruppen zur psychotherapeutischen Versorgung verbessern und die Möglichkeiten einer kooperativen Versorgung fördern.“

Ein Schwerpunkt lag auf der Versorgung von Menschen mit Autismus, die hierzulande therapeutisch unzureichend versorgt sind. Prof. Dr. Isabel Dziobek aus Berlin unterstrich, dass es für Erwachsene nur zwölf spezialisierte Zentren gebe – mit vielfach langen Wartelisten und einem Fokus auf Diagnostik statt Behandlung. Die Komplexität zeigt sich auch darin, dass häufig parallel andere Störungen auftreten, was die therapeutische Arbeit zusätzlich erschwere. Die Ausbildung berücksichtigt Autismus bislang nur unzureichend, was langfristig ein Hemmnis bleibt.

Auch die Behandlung von Suchterkrankungen wurde eingehend thematisiert. Dabei betonte Dipl.-Psych. Dr. Tim Pfeiffer aus München, wie wichtig ein früher Behandlungsbeginn ist: „Eine gute Behandlung von Konsumstörungen sollte möglichst früh erfolgen.“ Zugleich stellte er dar, dass die Forderung nach Abstinenz nach zehn Sitzungen nicht mehr zeitgemäß sei. Kooperative Ansätze, bei denen Psychotherapeut*innen etwa mit Ärzten oder Schuldnerberatungen zusammenarbeiten, sind sinnvoll – faktisch findet diese Arbeit aber kaum Anerkennung im Vergütungssystem: „Ich habe also einen Patienten mit einer Konsumstörung. Wenn ich mich eine Stunde mit seinem Arzt und Schuldnerberater zusammensetze, ist das sehr sinnvoll. Aber das wird nicht vergütet und ist für mich damit nur begrenzt möglich.“

Ein weiterer Blick galt der Psychotherapie mit geistig beeinträchtigten Menschen. Die Personengruppe ist laut Dipl.-Psych. Stefan Meir sehr heterogen, was Therapieansätze erschwert: „Die individuellen Entwicklungsprozesse sind schwer zu typisieren.“ Viele Betroffene hätten Schwierigkeiten, ihre Erlebnisse zu fassen und zu benennen. So können Rollenspiele oder kreative Methoden helfen, Gedanken und Emotionen darzustellen. Dabei ist eine positive Beziehungsgestaltung und die Haltung von Therapeut*innen als Modell von entscheidender Bedeutung.

Wichtige Neuerungen ergeben sich aus einer Verordnung vom Februar 2025, die im Medizinrecht neue Möglichkeiten schafft. Dr. Markus Plantholz erläuterte den neuen Zugang für die ambulante Versorgung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung, Suchterkrankungen oder erheblicher sozialer Benachteiligung: „Ohne großes Aufsehen wurde durch Verordnung vom 14. Februar 2025 ein wichtiger neuer Zugang zur Versorgung in § 31 Abs. 1 Satz 3 Ärzte-ZV geschaffen.“ Diese Regelung könnte die Versorgungssituation dieser Gruppen deutlich verbessern.

Die Diskussion um Organisation und Finanzierung der kooperativen Versorgung zeigt jedoch weiter offene Fragen auf. Die Kritik richtet sich gegen die steigende Zersplitterung der Abrechnungssysteme und die mangelnde Transparenz: „Man sollte überlegen, wie sinnvoll ein immer kleinteiligerer EBM noch ist. Und man sollte Versorgungskapazitäten transparenter machen“, so Anne-Kathrin Klemm vom BKK Dachverband. Gleichzeitig mahnte Dr. Sibylle Steiner von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Das Thema Koordination und Kooperation kann bei der neuen Ermächtigung kein Beiprodukt des persönlichen Idealismus sein. Wenn Innovationsfonds-Projekte in die Regelversorgung überführt werden sollen, muss die Finanzierung dafür gewährleistet sein.“

Vertiefende Vorträge und Videos sind bald unter www.dptv.de/symposium verfügbar und bieten Interessierten die Möglichkeit, sich umfassend über die facettenreiche Versorgung und die dringend nötigen Reformen bei psychotherapeutischen Angeboten für vulnerable Gruppen zu informieren.

Psychotherapie für alle? Herausforderungen, Lösungen und Perspektiven für vulnerable Gruppen

Der Zugang zu psychotherapeutischer Versorgung ist in Deutschland für viele Menschen nach wie vor begrenzt – besonders für vulnerable Gruppen wie Menschen mit Autismus, Suchterkrankungen oder geistigen Behinderungen. Diese Gruppen stehen vor vielfältigen Hürden, die medizinische, soziale und strukturelle Aspekte umfassen. Das DPtV-Symposium 2025 hat deutlich gemacht, wie dringend der Bedarf ist, Versorgungslücken zu schließen und gleichzeitig kooperative Versorgungsmodelle zu fördern. Die politische Dimension spielt dabei eine wichtige Rolle, etwa durch neue gesetzliche Regelungen, die gezielt solche Gruppen berücksichtigen.

Warum sind gerade vulnerable Gruppen schlecht versorgt?
Die Gründe für die unzureichende Versorgung sind vielfältig. In fast allen vulnerablen Gruppen besteht ein Mangel an spezialisierten Therapieangeboten und an Fachkräften, die auf die spezifischen Bedürfnisse eingestellt sind. So gibt es für erwachsene Menschen mit Autismus in Deutschland gerade einmal zwölf spezialisierte Zentren – und diese sind überwiegend auf Diagnostik fokussiert. Lange Wartelisten erschweren eine rechtzeitige Behandlung zusätzlich. Auch die psychotherapeutische Ausbildung widmet dem Thema Autismus zu wenig Raum. Ähnlich komplex sind die Herausforderungen bei Suchterkrankungen. Die Behandlung wird durch häufige Begleiterkrankungen erschwert, und wirksame Vernetzung mit Beratungsstellen oder Sozialdiensten ist noch nicht systematisch etabliert. Bei Menschen mit geistiger Behinderung erschweren heterogene Entwicklungsverläufe und Schwierigkeiten in der Kommunikation die Therapieplanung und Umsetzung.

Weitere zentrale Herausforderungen in der Versorgung vulnerabler Gruppen lassen sich so zusammenfassen:

  • Mangel an spezialisierten Therapieeinrichtungen und Fachwissen
  • Unzureichende Berücksichtigung in Aus- und Weiterbildung
  • Lange Wartezeiten und begrenzte Kapazitäten
  • Fehlende Vernetzung und Kooperation zwischen verschiedenen Berufsgruppen und Institutionen
  • Begrenzte finanzielle und strukturelle Ressourcen für komplexe Versorgungsbedarfe

Wie kann eine kooperative Versorgung verbessert werden?
Das Symposium hat unterstrichen, dass strukturelle Reformen und die Förderung von Kooperationen zentrale Stellschrauben sind. Die neue Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 3 der Ärzte-Zulassungsverordnung eröffnet wichtige neue Zugänge für die ambulante psychotherapeutische Versorgung vulnerabler Gruppen. Doch die Umsetzung erfordert mehr als rechtliche Neuerungen: Es braucht eine bessere Vergütung und Flexibilität in der Praxis, um interdisziplinäre Zusammenarbeit aktiv zu ermöglichen. Dr. Tim Pfeiffer, Psychotherapeut aus München, wies darauf hin, dass etwa der regelmäßige Austausch mit Ärzten und Schuldnerberatern zwar sinnvoll sei, aber bislang finanziell nicht abgebildet wird. Eine wirksame Therapie von Suchterkrankungen erfordere zudem, die lange überholte Forderung nach Abstinenz strikt nach zehn Sitzungen zu hinterfragen.

Kostenträger und Gesundheitsinstitutionen regen eine Überprüfung der bestehenden Vergütungsmodelle an, um kleinteilige Abrechnungen zu reduzieren und Versorgungskapazitäten transparenter zu machen. Anne-Kathrin Klemm vom BKK Dachverband forderte, "man sollte überlegen, wie sinnvoll ein immer kleinteiligerer EBM noch ist." Auch Projekte aus dem Innovationsfonds, die gemeindepsychiatrische Versorgung aufbauen, zeigen, dass systematische Kooperationen gelingen können – wenn die Finanzierung dafür sichergestellt ist. Dr. Sibylle Steiner von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betonte: "Das Thema Koordination und Kooperation kann bei der neuen Ermächtigung kein Beiprodukt des persönlichen Idealismus sein."

Die Zukunft der Versorgung vulnerabler Gruppen liegt offenbar in einem kooperativen Versorgungsmodell, das sowohl die fachlichen Kompetenzen als auch die sozialen Begleitstrukturen einbezieht und über reine Einzeltherapie hinausdenkt.

Ausblick: Entwicklungsmöglichkeiten im Blick
Die angesprochenen Herausforderungen verlangen kontinuierliche Anpassungen in Ausbildung, Praxis und Gesundheitssystem. Neue Therapieansätze, etwa durch digitale Interventionen oder innovative Technologien, eröffnen Chancen, Versorgung effizienter und patientenorientierter zu gestalten. Neben der Verbesserung der fachlichen Qualifikation in der Ausbildung steht vor allem die konsequente Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit auf der Agenda. Gesetzliche Neuerungen bieten den notwendigen Rahmen, benötigen aber begleitende Maßnahmen in Praxis und Finanzierung, um wirksam zu werden.

Der Diskurs auf dem DPtV-Symposium macht deutlich, dass die Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung für vulnerable Gruppen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleibt. Nur durch gezielte strukturelle Reformen und kooperative Versorgungsansätze werden die Bedürfnisse dieser Menschen künftig besser abgedeckt werden können.

Die in diesem Artikel verwendeten Informationen und Zitate stammen aus der Pressemitteilung der Deutschen PsychotherapeutenVereinigung (DPtV).

9 Antworten

  1. Die neue Verordnung könnte echt einen Unterschied machen! Ich finde es toll zu sehen, dass da was vorangeht.
    Aber ich frage mich: Wie schnell wird sich das alles umsetzen lassen? Gibt es dazu schon konkrete Pläne?

    1. Das ist eine gute Frage! Es wäre spannend zu wissen, ob diese Pläne öffentlich zugänglich sind oder ob nur Insider davon erfahren.

  2. „Kooperative Versorgung“ klingt vielversprechend, aber ich mache mir Sorgen um die Finanzierung. Wie können wir sicherstellen, dass diese Zusammenarbeit auch belohnt wird? Das Thema scheint sehr komplex zu sein.

    1. „Ja genau! Wenn nichts vergütet wird, arbeiten dann alle schlecht zusammen! Wir müssen Lösungen finden!“

  3. Es ist erschreckend zu hören, wie wenige spezialisierte Zentren es für Autisten gibt. Was könnten wir tun, um diesen Mangel zu beheben? Vielleicht sollte man auch darüber nachdenken, wie man das Bewusstsein in der Gesellschaft dafür erhöhen kann.

    1. Das wäre wichtig! Mehr Aufklärung könnte echt helfen. Ich denke auch, dass es wichtig ist, dass Ärzte und Therapeuten besser zusammenarbeiten.

  4. Die lange Wartezeiten sind ein echtes Hindernis für viele Betroffene. Ich hoffe, dass die neue Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 3 wirklich etwas bewirken kann. Was denkt ihr über die Umsetzung dieser Regelungen in der Praxis?

  5. Ich finde den Ansatz, die psychotherapeutische Versorgung für vulnerabel Gruppen zu verbessern, sehr wichtig. Warum gibt es so wenig spezialisierte Therapieeinrichtungen? Könnte es helfen, mehr Fachkräfte auszubilden? Ich bin gespannt auf die Diskussion.

    1. Ja, das Problem ist echt groß. Es gibt einfach nicht genug Plätze. Vielleicht sollten wir mehr über die Finanzierung reden, damit die Therapeuten auch besser zusammenarbeiten können.

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