Pflege in Deutschland: Angehörige leisten 206 Milliarden Euro – Streit um Pflegegrad 1

Pflegende Angehörige in Deutschland leisten unbezahlte Pflege im Wert von 206 Milliarden Euro jährlich. Gleichzeitig werden Sparpläne diskutiert, die den **Pflegegrad 1** infrage stellen – obwohl die tatsächlichen Ausgaben hierfür deutlich niedriger liegen als theoretisch möglich. Der Sozialverband VdK warnt vor falschen Einsparungen und fordert stattdessen mehr Anerkennung und Entlastung für diejenigen, die den Großteil der Pflege zu Hause stemmen.
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Inhaltsübersicht

– Unbezahlte Pflege durch Angehörige hatte 2023 einen Wert von 206 Milliarden Euro
– 4,9 Millionen Pflegebedürftige wurden 2023 überwiegend zu Hause versorgt
– VdK kritisiert Sparpläne in der Pflege und fordert mehr Unterstützung für Angehörige

Angehörige stemmen Pflege in Milliardenhöhe – Streit um Pflegegrad 1

Am 11. Oktober 2025 legt der Sozialverband VdK Zahlen vor, die das immense Ausmaß unbezahlter Pflegearbeit in Deutschland offenbaren: Pflegende Angehörige erbrachten 2023 informelle Pflegeleistungen mit einem monetären Wert von 206 Milliarden Euro (Stand: 11.10.2025; Quelle: HSZG-Studie). Diese Summe entspricht dem fiktiven Aufwand, wenn angelernte Pflegehilfskräfte dieselben Leistungen übernähmen. Die Debatte um Einsparungen in der Pflegeversicherung, insbesondere die Diskussion um die Abschaffung des Pflegegrad 1, stößt beim VdK auf scharfe Kritik. Verena Bentele, VdK-Präsidentin, kommentiert: „Angesichts dieser enormen Summe unentgeltlich erbrachter Pflegeleistungen sind aktuelle Debatten um Einsparungen in der Pflege ein Schlag ins Gesicht der pflegenden Angehörigen“. Sie ergänzt: „Sparpläne sind kein Ersatz für politische Fantasielosigkeit, und vor allem nicht für fehlende Strategien. Wenn sich nichts ändert, werden es auch in Zukunft die pflegenden Angehörigen sein, die den Laden am Laufen halten.“

Die Bedeutung der häuslichen Versorgung zeigt sich auch in den aktuellen Versorgungszahlen: Im Dezember 2023 wurden 86 Prozent der Pflegebedürftigen, das entspricht 4,9 Millionen Menschen, zu Hause versorgt – überwiegend durch Angehörige (Stand: 11.10.2025; Quelle: Statistisches Bundesamt).

Im Zentrum der Spar-Debatte steht der Pflegegrad 1. Das RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung beziffert das theoretische Einsparpotenzial bei vollständiger Leistungsinanspruchnahme auf 1,8 Milliarden Euro jährlich (Stand: 11.10.2025). In der Realität beliefen sich die Ausgaben der Pflegeversicherung für den Pflegegrad 1 im Jahr 2024 jedoch nur auf 640 Millionen Euro (Stand: 11.10.2025; Quelle: GKV-Spitzenverband), da viele Berechtigte die Leistungen nicht vollständig nutzen. Diese Diskrepanz macht deutlich, dass die Erwartungen an mögliche Einsparungen durch eine Abschaffung überzogen sind.

Kennzahl Wert Zeitraum Quelle/Stand
Monetärer Wert informeller Pflege 206 Milliarden Euro Jahr 2023 HSZG-Studie; Stand: 11.10.2025
Zu Hause versorgte Pflegebedürftige 86 % (4,9 Mio. Menschen) Dezember 2023 Statistisches Bundesamt; Stand: 11.10.2025
Tatsächliche Ausgaben für Pflegegrad 1 640 Millionen Euro Jahr 2024 GKV-Spitzenverband; Stand: 11.10.2025
Theoretisches Einsparpotenzial Pflegegrad 1 1,8 Milliarden Euro (jährlich) RWI; Stand: 11.10.2025

Warum die Debatte eskaliert

Die Diskussion um den Pflegegrad 1 hat eine besondere Schärfe entwickelt, weil sie auf mehreren Ebenen gleichzeitig geführt wird. Einerseits geht es um konkrete Zahlen und Einsparpotenziale, andererseits um grundsätzliche Fragen zur Zukunft der Pflege in Deutschland. Die Diskrepanz zwischen theoretischen Berechnungen und der Realität zeigt, warum einfache Lösungen in diesem komplexen Feld nicht funktionieren.

Was die Zahlen zeigen

Die aktuelle Debatte offenbart eine erstaunliche Lücke zwischen Theorie und Praxis. Während theoretische Modelle hohe Einsparpotenziale versprechen, bleibt die Realität deutlich hinter diesen Erwartungen zurück. Viele Pflegebedürftige nehmen ihre Ansprüche nicht vollständig wahr – aus Unwissenheit, aus Sorge vor bürokratischen Hürden oder weil sie die Unterstützung nicht in Anspruch nehmen möchten. Diese Diskrepanz macht deutlich, dass rein rechnerische Betrachtungen der komplexen Lebensrealität pflegebedürftiger Menschen und ihrer Angehörigen nicht gerecht werden.

Die Verunsicherung unter Betroffenen wächst, während gleichzeitig die systemischen Belastungen zunehmen. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und die Belastung für pflegende Angehörige nimmt zu (Stand: 2023, Quelle: Bundesgesundheitsministerium). Vor diesem Hintergrund wirken Diskussionen über Einsparungen besonders kontrovers, da sie diejenigen treffen, die bereits jetzt das System stützen.

Kontroverse um Pflegegrad 1

Die Forderung nach Abschaffung des Pflegegrads 1 ignoriert die vielschichtigen Funktionen dieser Unterstützungsstufe. Der Pflegegrad 1 dient nicht nur der konkreten finanziellen Unterstützung, sondern auch der frühzeitigen Erkennung von Hilfebedarf und der Prävention. Wer hier streicht, riskiert, dass aus kleinen Einschränkungen größere Pflegebedarfe werden – mit entsprechend höheren Kosten für das System.

Hinzu kommen die demografischen Entwicklungen und der Fachkräftemangel, die die Situation zusätzlich verschärfen. Mit dem Eintritt der Babyboomer-Generation ins Pflegealter wird der Bedarf an Unterstützung weiter steigen, während gleichzeitig weniger professionelle Pflegekräfte zur Verfügung stehen. In dieser Situation auf die unbezahlte Care-Arbeit von Angehörigen zu setzen, ohne sie angemessen zu unterstützen, erscheint vielen Beobachtern als kurzsichtig. Die Debatte um den Pflegegrad 1 wird daher nicht nur unter finanziellen Gesichtspunkten geführt, sondern als grundsätzliche Weichenstellung für die Zukunft der Pflege in Deutschland.

Welche Unterstützung es schon gibt

Pflegende Angehörige können unter bestimmten Voraussetzungen ohne eigene Beiträge Rentenansprüche erwerben. Diese staatliche Absicherung bietet eine wichtige finanzielle Perspektive für Menschen, die ihre Zeit und Kraft in die Pflege von Familienmitgliedern investieren. Die Regelung gilt allerdings nur bei Erfüllung bestimmter Kriterien – dazu zählen ein Mindestpflegeaufwand, ein anerkannter Pflegegrad und die nicht-erwerbsmäßige Ausübung der Pflegetätigkeit. Die Deutsche Rentenversicherung bestätigt diese Möglichkeit für das Jahr 2025.

Die Unterstützungssysteme für pflegende Angehörige umfassen verschiedene Facetten. Wichtig zu wissen: Die Rentenansprüche entstehen automatisch, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Allerdings gibt es klare Grenzen – sowohl beim zeitlichen Umfang der Pflegetätigkeit als auch bei der Art der anerkannten Pflegesituation. Wer unsicher ist, ob die eigenen Umstände den Anforderungen entsprechen, sollte sich frühzeitig bei der Rentenversicherung oder Pflegekasse beraten lassen.

Diese bereits bestehenden Leistungen zeigen, dass die gesellschaftliche Bedeutung pflegender Angehöriger erkannt wird. Gleichzeitig machen die begrenzten Rahmenbedingungen deutlich, dass hier noch Entwicklungspotenzial besteht. Die aktuelle Diskussion um die Absicherung pflegender Angehöriger gewinnt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung zusätzlich an Dringlichkeit.

Folgen für Familien und Gesellschaft

Die abstrakten Zahlen zur Pflegesituation in Deutschland haben konkrete Auswirkungen auf Millionen von Menschen. Wenn pflegende Angehörige unbezahlte Pflegeleistungen im Wert von 206 Milliarden Euro erbringen und etwa 86 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt werden, zeigt dies eine gesellschaftliche Realität, die weit über individuelle Schicksale hinausreicht. Die Diskussion um Sparpläne in der Pflege trifft daher nicht nur auf politischer Ebene auf Kritik, sondern hat unmittelbare Konsequenzen für das tägliche Leben vieler Familien.

Die aktuelle Debatte verunsichert Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in einer ohnehin schon belastenden Situation. Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, bringt es auf den Punkt: „Sparpläne sind kein Ersatz für politische Fantasielosigkeit, und vor allem nicht für fehlende Strategien.“ Diese Aussage unterstreicht, dass es nicht nur um kurzfristige Einsparungen geht, sondern um langfristige Konzepte für ein System, das bereits heute an seine Grenzen stößt.

Drei zentrale Bereiche zeigen, warum die aktuelle Situation Familien vor enorme Herausforderungen stellt:

  • Finanzielle Stabilität: Verlässliche Leistungen für pflegende Angehörige bilden die Grundlage für viele Haushalte. Ohne planbare Unterstützung geraten Familien nicht nur in akute finanzielle Not, sondern verlieren auch die Möglichkeit, Pflege und eigenes Einkommen langfristig zu balancieren.

  • Zeit und Arbeit: Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf wird zur Zerreißprobe. Fehlende Entlastung führt dazu, dass viele Angehörige ihre Arbeitszeit reduzieren oder ganz aus dem Beruf aussteigen müssen – mit langfristigen Folgen für ihre Altersvorsorge und Karrierechancen.

  • Versorgungssicherheit: Die Fachkräfteknappheit im professionellen Pflegesystem verschärft die Situation zusätzlich. Wenn professionelle Unterstützung fehlt, lastet die gesamte Versorgungsverantwortung auf den Familien. Gleichzeitig zeigt sich: Eine starke Unterstützung pflegender Angehöriger entlastet nicht nur die Familien, sondern kann auch das gesamte Pflegesystem stabilisieren.

Die aktuelle Diskussion um mögliche Einsparungen vernachlässigt einen entscheidenden Punkt: Ohne verlässliche Rahmenbedingungen und Planungssicherheit wird die häusliche Pflege, die das Rückgrat unseres Pflegesystems bildet, langfristig nicht aufrechtzuerhalten sein.

Pflegepolitik im Fokus: Drei zentrale Weichenstellungen

Die Debatte um die Zukunft der Pflege in Deutschland konzentriert sich auf drei entscheidende politische Felder, die maßgeblich darüber bestimmen werden, wie Familien entlastet und die Versorgung langfristig gesichert werden kann. An erster Stelle steht die weitere Klärung zum Pflegegrad 1. Die aktuelle Diskussion über mögliche Streichungen verunsichert viele Betroffene, obwohl die tatsächlichen Einspareffekte begrenzt wären. Hier braucht es eine sachliche Bewertung, die den tatsächlichen Bedarf der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt.

Zweitens rückt die Anerkennung und Unterstützung pflegender Angehöriger immer stärker in den Fokus. Mit dem Eintritt der Babyboomer-Generation ins Pflegealter und dem anhaltenden Fachkräftemangel wird die Bedeutung der informellen Pflege weiter zunehmen. Politische Maßnahmen müssen daher darauf abzielen, diese Gruppe finanziell zu entlasten, institutionell zu unterstützen und die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu verbessern.

Drittens erfordert die nachhaltige Absicherung der Pflegeversicherung klare Entscheidungen. Die Diskussionen um eine einheitliche Pflegeversicherung, in die alle Bürgerinnen und Bürger einzahlen und die alle Einkommensarten berücksichtigt, gewinnen an Bedeutung. Die kommenden Reformen werden zeigen, ob es gelingt, die Finanzierungsgrundlagen so zu gestalten, dass sie den wachsenden Herausforderungen standhalten können. Diese Weichenstellungen werden nicht nur über die Entlastung von Familien entscheiden, sondern auch über die Stabilität der gesamten Pflegeversorgung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

Die nachfolgenden Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung des Sozialverbands VdK Deutschland.

Weiterführende Quellen:

  • „Im Dezember 2023 wurden rund 86 % der Pflegebedürftigen (4,9 Millionen Menschen) in Deutschland zu Hause versorgt, überwiegend durch Angehörige; der monetäre Wert dieser informellen Pflegeleistungen beträgt etwa 206 Milliarden Euro pro Jahr.“ – Quelle: https://www.destatis.de
  • „Die Bundesregierung diskutiert über die Abschaffung des Pflegegrads 1, was über 860.000 Menschen betreffen und laut Schätzungen ein jährliches Einsparpotenzial von etwa 1,8 Milliarden Euro bedeuten würde (Stand: Juni 2024).“ – Quelle: https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de
  • „Der demografische Wandel und der Fachkräftemangel in der Pflege führen dazu, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und die Belastung für pflegende Angehörige in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird (Stand: 2023).“ – Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de
  • „Pflegende Angehörige können unter bestimmten Voraussetzungen ohne eigene Beiträge Rentenansprüche erwerben, als Form staatlicher Unterstützung (Stand: 2025).“ – Quelle: https://www.deutsche-rentenversicherung.de

9 Antworten

  1. Ich finde es wichtig, dass wir diese Themen offen diskutieren und Lösungen finden! Die Belastung für Familien wächst und das darf nicht ignoriert werden.

    1. Das sehe ich genauso Arnulf! Ich denke auch an die zukünftigen Generationen – was wird mit ihnen passieren? Wir müssen jetzt handeln!

    2. Und wie sieht es mit der Rentenversicherung aus? Gibt es genug Informationen darüber? Viele scheinen sich da nicht auszukennen.

  2. Die Debatte um den Pflegegrad 1 macht mir wirklich Sorgen. Ich glaube nicht, dass Einsparungen hier der richtige Weg sind. Was wäre denn eine bessere Lösung? Vielleicht mehr Aufklärung über Leistungen?

    1. Ja genau Guenter! Mehr Aufklärung wäre super wichtig! Ich kenne viele Leute, die nicht wissen, was ihnen zusteht und daher keine Hilfe beantragen.

  3. Es ist traurig zu sehen, dass die Regierung über Einsparungen diskutiert, anstatt die Unterstützung für pflegende Angehörige zu erhöhen. Wie können wir als Gesellschaft sicherstellen, dass diese Menschen die Hilfe bekommen, die sie brauchen?

  4. Wow, 206 Milliarden Euro für unbezahlte Pflege sind eine riesige Summe! Das zeigt doch wirklich die Bedeutung der pflegenden Angehörigen. Aber warum wird das nicht besser unterstützt? Hat jemand von euch Erfahrungen damit?

  5. Ich finde es erschreckend, wie viel Geld wir in der Pflege einsparen wollen, während die pflegenden Angehörigen so viel leisten. Es ist wichtig, dass wir ihre Arbeit anerkennen und unterstützen. Was denkt ihr über die Rolle des Pflegegrades 1?

    1. Ich stimme dir zu, Reinhild! Der Pflegegrad 1 scheint oft übersehen zu werden. Ich denke, es sollte mehr Informationen darüber geben, wie man Unterstützung bekommt. Welche Möglichkeiten kennt ihr?

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