– VIER PFOTEN betont Tierschutz als Schlüssel zur Pandemieprävention
– Über 70 Prozent aller neuen Infektionskrankheiten sind Zoonosen
– Forderungen umfassen Ende der Massentierhaltung und Wildtierhandel
One Health: Tierschutz als Pandemieschutz
Vor dem InterContinental Berlin in der Budapester Straße machen heute Aktivisten in Schutzanzügen auf sich aufmerksam. Ein überdimensionaler Tiger trägt symbolisch eine FFP2-Maske – ein eindrückliches Bild, mit dem die Tierschutzstiftung VIER PFOTEN beim World Health Summit für den Zusammenhang zwischen Tierwohl und Pandemieprävention wirbt. Die Aktion findet noch bis 14:00 Uhr statt und richtet sich gezielt an die internationalen Entscheidungsträger des Gesundheitsgipfels.
Im Mittelpunkt steht das One-Health-Konzept, das die untrennbare Verbindung von menschlicher Gesundheit, Tierwohl und intakter Umwelt betont. „Das sogenannte One-Health-Konzept ist in dem im Mai dieses Jahres verabschiedeten Pandemieabkommen – zum ersten Mal in der Geschichte in einem internationalen und rechtlich bindenden Instrument – fest verankert. Damit wird der enge Zusammenhang von Gesundheit und dem Wohlergehen von Mensch, Tier und Umwelt anerkannt. Ein wichtiger Schritt, um den Ausbruch von Zoonosen, die sich zu Pandemien entwickeln können, an der Wurzel zu packen und unseren Umgang mit Tieren und der Natur zu verbessern. Jetzt müssen Regierungen dringend One-Health-Strategien entwickeln und Tierwohl als Lösung zur Pandemieprävention priorisieren“, erklärt Ladina Bissinger, Campaignerin bei VIER PFOTEN Deutschland.
VIER PFOTEN übergab dem Präsidenten des World Health Summit, Prof. Dr. Axel Pries, einen Forderungsbrief und konkretisiert ihre Position mit vier zentralen Maßnahmen:
- Ende der Massentierhaltung durch bessere Haltungsbedingungen, widerstandsfähigere Rassen und geringere Bestandsdichten
- Reduktion der Produktion und des Verbrauchs tierischer Produkte
- Verbot des kommerziellen Handels mit Wildtieren und von Lebendtiermärkten
- Schließung aller Pelzfarmen
Die Organisation betont, dass gestresste und unter schlechten Bedingungen gehaltene Tiere anfälliger für Krankheiten sind. In Massentierhaltungen können sich Erreger schnell verbreiten, mutieren und letztlich auf den Menschen überspringen. Der verbesserte Tierschutz stellt somit eine wirksame Präventionsstrategie dar, um künftige Pandemien bereits im Entstehen zu verhindern.
Warum Tierschutz Pandemien vorbeugt
Das Konzept One Health revolutioniert unseren Blick auf Gesundheitsvorsorge. Es versteht Mensch, Tier und Umwelt als untrennbar verbundenes System – damit wird konsequenter Tierschutz zu einem zentralen Baustein der Pandemieprävention. Mehr als 70 Prozent aller neuartigen Infektionskrankheiten weltweit sind Zoonosen, bei denen Erreger vom Tier auf den Menschen überspringen. Diese Erkenntnis treibt internationale Gesundheitspolitik voran.
Was One Health bedeutet
Das One Health High Level Expert Panel der WHO legte im Dezember 2021 erstmals eine operationelle Definition vor, um Präventionsstrategien international zu standardisieren. Dieser Meilenstein etablierte den ganzheitlichen Ansatz offiziell: Gesundheit lässt sich nicht isoliert betrachten, sondern nur durch integrierte Maßnahmen für Mensch, Tier und Ökosysteme schützen.
Die Tierschutzorganisation VIER PFOTEN betont: „Das sogenannte One-Health-Konzept ist in dem im Mai dieses Jahres verabschiedeten Pandemieabkommen – zum ersten Mal in der Geschichte in einem internationalen und rechtlich bindenden Instrument – fest verankert.“ Diese Verankerung unterstreicht den engen Zusammenhang von Gesundheit und dem Wohlergehen von Mensch, Tier und Umwelt.
Politikrahmen in EU und weltweit
Die politische Umsetzung gewinnt zunehmend an Fahrt. Die EU-Global Health Strategy adressiert seit Ende November 2022 One Health explizit als prioritären Politikrahmen. Dieser Schritt zeigt, dass die Europäische Union die systemische Bedeutung des Ansatzes erkannt hat.
Der aktuelle Entwurf des internationalen Pandemieabkommens (Stand: 2025) geht noch weiter: Er verankert rechtliche Pflichten, One Health in nationale Pläne zu integrieren – insbesondere beim Wildtierhandel und der Landnutzung. Diese Entwicklung markiert einen Paradigmenwechsel weg von reaktiver Krisenbewältigung hin zu vorbeugenden Maßnahmen.
Die zeitliche Abfolge der politischen Meilensteine – von der konzeptionellen Klärung durch die WHO-Expertengruppe über die EU-Strategie bis hin zum völkerrechtlichen Abkommen – verdeutlicht die wachsende internationale Priorisierung des Themas. Tierschutz wird damit nicht länger als isoliertes Anliegen betrachtet, sondern als essenzieller Bestandteil globaler Gesundheitsvorsorge.
Zahlen und Fakten zu Zoonosen-Risiken
Die wissenschaftliche Evidenz zeigt deutlich: Tierhaltungssysteme und Wildtierhandel spielen eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Pandemiegefahren. Aktuelle Studien und internationale Analysen belegen diesen Zusammenhang mit konkreten Zahlen.
- 50 Prozent der Zoonosen, die seit 1940 bei Menschen aufgetreten sind, stehen in Verbindung mit der Landwirtschaft (Stand: 2023).
Bereits 2022 wies ein IUCN-Bericht darauf hin, dass die weltweit zunehmende Intensivtierhaltung von Schweinen, Geflügel und gezüchteten Wildtierarten mit dem pandemischen Auftreten hochpathogener Erkrankungen korrespondiert. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) griff diese Erkenntnisse in ihrer Analyse auf (Stand: 2022/2023).
Als direkte Konsequenz forderten internationale Organisationen 2024 in einem offenen Brief an die Weltgesundheitsorganisation strikte Kontrollen sowie Einschränkungen und Verbote des Wildtierhandels als unverzichtbaren Bestandteil wirksamer Präventionsstrategien (Stand: 2024). Diese Entwicklung unterstreicht die wachsende Anerkennung des One-Health-Ansatzes, der die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt als untrennbar verbunden betrachtet.
One Health in Politik und Alltag
Der One-Health-Ansatz verlangt von der Politik ein grundlegend neues Denken: Statt isolierter Fachpolitiken wird Querschnittspolitik notwendig, die Mensch, Tier und Umwelt als zusammenhängendes System begreift. Der aktuelle Entwurf des Pandemieabkommens (Stand: 2025) spiegelt diese Anforderung wider – Staaten sollen One Health systematisch integrieren und konkrete Maßnahmen zu Wildtierhandel sowie Landnutzung in ihre nationalen Pandemiepläne aufnehmen, wie das SWP-Dossier dokumentiert.
Praktische Belege zeigen, dass dieser interdisziplinäre Ansatz funktioniert: In der Demokratischen Republik Kongo vernetzen Programme bereits Humanmedizin, Veterinärwesen und Agrarsektor, um zoonotische Risiken gezielt zu reduzieren (Stand: 2024). Diese koordinierte Herangehensweise, die Malteser International umsetzt, beweist, dass sektorübergreifende Zusammenarbeit konkrete Erfolge bringt.
Für Verbraucherinnen und Verbraucher wird deutlich: Persönliche Entscheidungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Konsum tierischer Produkte bis zum Umgang mit Wildtieren – beeinflussen indirekt das Risiko neu auftretender Zoonosen. Politische Leitplanken können diesen notwendigen Wandel flankieren und nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster fördern. Die Verknüpfung individueller Verantwortung mit strukturellen Rahmenbedingungen bildet das Fundament einer wirksamen Pandemieprävention.
Vom Gipfel in Berlin in die Praxis
Der World Health Summit bietet die Bühne für Diskussionen und ein internationales Netzwerk – doch die eigentliche Arbeit beginnt danach in Ministerien, Behörden und lokalen Verwaltungen. Bereits 2024 forderten internationale Organisationen in einem offenen Brief an die WHO, den Wildtierhandel konsequent zu regulieren bis hin zu Verboten, um Prävention wirksam zu machen (Stand: 2024). Mit der erstmaligen Verankerung von One Health im internationalen Pandemieabkommen (Stand: 2025) wächst der politische Druck, nationale Aktionspläne zügig zu schärfen. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei der Schnittstelle zwischen Landnutzung, Landwirtschaft und Artenschutz, wo viele Zoonosen ihren Ursprung nehmen. Die Herausforderung besteht nun darin, die auf internationaler Ebene beschlossenen Prinzipien in konkrete Maßnahmen vor Ort zu übersetzen – von nachhaltiger Landwirtschaft über verbesserten Tierschutz bis hin zu wirksamen Kontrollen des Wildtierhandels.
Die hier bereitgestellten Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung von VIER PFOTEN – Stiftung für Tierschutz.
Weiterführende Quellen:
- „Ein Bericht der IUCN aus dem Jahr 2022 bestätigt, dass der weltweite Trend zur intensiven Großproduktion von Schweinen, Geflügel und gezüchteten Wildtierarten mit dem pandemischen Auftreten hoch-pathogener humaner oder zoonotischer Erkrankungen korrespondiert.“ – Quelle: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2023A37/
- „50 Prozent der Zoonosen, die seit 1940 bei Menschen aufgetreten sind, stehen in Verbindung mit der Landwirtschaft.“ (Stand: 2023) – Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/zoonosen-woher-die-naechste-pandemie-kommen-wird-und-wie-sie-sich-verhindern-laesst-a-45d0971c-dda2-4a37-8e52-9385daa85a61
- „Internationale Organisationen fordern in einem offenen Brief an die WHO (2024), kompromisslose Kontrollen sowie Einschränkungen und Verbote des Handels mit Wildtieren als unverzichtbaren Bestandteil wirksamer Pandemiepräventionsstrategien.“ – Quelle: https://international.nabu.de/news/2024/34748.html
- „Der Entwurf des internationalen Pandemieabkommens (Stand: 2025) enthält erstmals eine Reihe rechtlicher Verpflichtungen für Staaten, One Health zu integrieren, darunter die Pflicht, Maßnahmen zur Epidemieprävention im Bereich Handel mit Wildtieren und Landnutzung in nationale Pandemiepläne aufzunehmen.“ – Quelle: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2023A37/
- „Die EU-Global Health Strategy (Ende November 2022) adressiert explizit One Health als prioritären Politikrahmen, um Gesundheit als zentrale Dimension der EU-Außenpolitik zu etablieren und die Determinanten wie Klimawandel, Umweltzerstörung und Nahrungsmittelsicherheit in die Mitgliederstaaten-Strategien zu integrieren.“ – Quelle: https://www.swp-berlin.org/10.18449/2023A37/
- „Die Implementation von One-Health-Ansätzen zur Epidemieprävention findet bereits praktisch z. B. in der DR Kongo statt, wo Interaktion von Humanmedizin, Veterinärmedizin und Agrarsektor gezielt zoonotische Risiken adressiert.“ (Stand: 2024) – Quelle: https://www.malteser-international.org/de/themen/so-helfen-wir/gesundheit/one-health.html
- „Das One Health High Level Expert Panel (OHHLEP) der WHO veröffentlichte im Dezember 2021 erstmals eine operationelle Definition von One Health zur internationalen Standardisierung von Präventionsstrategien.“ – Quelle: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10259356/
8 Antworten
Ich habe von den Risiken durch Wildtierhandel gehört und finde das sehr beunruhigend. Was denkt ihr über den Einfluss des Handels auf unsere Gesundheit? Gibt es Lösungen?
Ja, das Thema sollte mehr in den Medien behandelt werden! Jeder kann seinen Teil beitragen und bewusster konsumieren.
Der One-Health-Ansatz scheint ein guter Weg zu sein, um Pandemien vorzubeugen. Ich frage mich aber, wie schnell die Politik reagieren kann. Glaubt ihr, dass wir bald Fortschritte sehen werden?
Das hoffe ich auch! Es ist wichtig, dass die Regierung die nötigen Schritte unternimmt und nicht nur redet.
Ich finde es gut, wenn mehr Leute sich für Tierschutz einsetzen. Jeder kann etwas tun – sei es durch Aufklärung oder durch Kaufentscheidungen.
Die Forderung nach einem Ende der Massentierhaltung klingt sinnvoll. Wir sollten wirklich über unsere Ernährung nachdenken. Welche Alternativen kennt ihr zu tierischen Produkten? Teilen wir Ideen!
Es ist erschreckend zu hören, dass über 70 Prozent der neuen Krankheiten von Tieren kommen. Ich denke, mehr Aufklärung über Zoonosen ist notwendig. Wer hat schon Erfahrungen mit diesem Thema gemacht?
Ich finde es gut, dass VIER PFOTEN auf das Thema Tierschutz aufmerksam macht. Es ist wichtig, dass wir die Zusammenhänge zwischen Tierwohl und Pandemien verstehen. Was denkt ihr, wie könnten wir alle dazu beitragen?