– Gemeinsame Initiative zur Stärkung der Neurostimulation in Politik und Öffentlichkeit
– Ziel ist bessere Versorgung bei chronischen Erkrankungen durch früheren Einsatz
– Fokus auf Qualitätsstandards, KI-gestützte Technologien und sektorenübergreifende Strukturen
Medizintechnik-Branche fordert mehr Bewusstsein für Neurostimulation
Medizinische Fachgesellschaften und MedTech-Unternehmen haben sich am 14. Oktober 2025 in Berlin getroffen, um gemeinsam den Stellenwert moderner Neuromodulationsverfahren zu stärken. Die Initiatoren des Treffens fordern mehr Aufmerksamkeit für diese Behandlungsmethoden, um die Versorgung von Patient:innen mit chronischen Erkrankungen zu verbessern.
„Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein für die modernen Behandlungsmethoden der Neurostimulation, um die Versorgung von Patient:innen bei chronischen Erkrankungen zu verbessern“, erklärten die Initiatoren des Fachtreffens. Zu diesen gehören PD Dr. Dirk Rasche, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neuromodulation (DGNM), Dr. Thorsten Luecke, Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Interdisziplinäre Spezielle Schmerz- und Palliativmedizin (AISSP), sowie Gerd Gottschalk, Sprecher des BVMed-Fachbereichs Neurostimulation und Neuromodulation (FBNSM).
Die Fachleute kritisieren, dass Neurostimulation aktuell zu spät in der Behandlungskette zum Einsatz kommt. „Bei vielen Betroffenen wäre es sinnvoll, ihnen viel früher eine Neurostimulation zu vermitteln“, so DGNM-Präsident Rasche. Die Verfahren können chronische Schmerzen lindern, Symptome wie Zittern reduzieren und sogar Depressionen positiv beeinflussen.
Das erklärte Ziel der Initiative ist die Stärkung des Stellenwerts der Neuromodulation durch die Etablierung von Qualitätskriterien, Standards und Dokumentationsrichtlinien. Zudem sollen Behandlungspfade und sektorenübergreifende Versorgungsstrukturen aufgebaut werden. Vor dem Hintergrund aktueller Gesundheitsreformen wollen die Beteiligten durch Öffentlichkeitsarbeit Politik und Bevölkerung für die vielfältigen Anwendungsbereiche der modernen Neuromodulation sensibilisieren.
„Wir wollen gemeinsam die medizinisch-wissenschaftliche, ökonomische und politische Relevanz der Neuromodulation nachhaltig stärken“, lautet das Fazit der Initiatoren Rasche, Luecke und Gottschalk.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Branche unterstreicht die Dringlichkeit der Forderungen: Der BVMed repräsentiert über 300 Hersteller und Zulieferer der Medizintechnik-Branche (Stand: 20.10.2025, BVMed-Pressemitteilung). Die Medizintechnik-Branche beschäftigte im Jahr 2024 insgesamt 212.100 Menschen und erwirtschaftete eine Bruttowertschöpfung von 19,7 Milliarden Euro (Stand: 2024, BVMed-Pressemitteilung). Die 1.510 Medizintechnik-Hersteller mit mehr als 20 Beschäftigten erzielten 2024 einen Gesamtumsatz von über 41 Milliarden Euro (55 Milliarden Euro mit Kleinstunternehmen) (Stand: 2024, BVMed-Pressemitteilung). 68 Prozent des Umsatzes stammen aus dem Auslandsgeschäft (Stand: 2024, BVMed-Pressemitteilung). Rund 9 Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung (Stand: 2024, BVMed-Pressemitteilung), wobei 93 Prozent der Unternehmen KMU sind (Stand: 2024, BVMed-Pressemitteilung).
Quelle: BVMed-Pressemitteilung vom 20.10.2025
Medizinische Grundlagen der Neuromodulation
Neuromodulation bezeichnet ein reversibles und nicht destruktives Verfahren zur Behandlung schwerer chronischer Schmerzen. Diese Methode kommt typischerweise dann zum Einsatz, wenn andere Therapieansätze ausgeschöpft oder nicht erfolgreich waren (Stand: 2021, Quelle: Universitätsklinikum Köln*) . Der Begriff "reversibel" bedeutet, dass die Behandlung umkehrbar ist – die Stimulation kann angepasst oder beendet werden, ohne dauerhafte Veränderungen am Nervensystem zu hinterlassen. "Nicht destruktiv" weist darauf hin, dass keine Nervenzellen zerstört werden, im Gegensatz zu manchen chirurgischen Eingriffen.
Was ist Neuromodulation?
Bei der Neuromodulation handelt es sich um verschiedene Verfahren, die gezielt die Aktivität des Nervensystems beeinflussen. Die Technologien modulieren die Erregungsleitung in Nervenbahnen, um Symptome zu lindern oder Körperfunktionen zu verbessern. Das Anwendungsspektrum reicht von chronischen Schmerzen über neurologische Erkrankungen wie Epilepsie und Parkinson bis hin zu psychiatrischen Indikationen wie Depressionen und Atemstörungen. Die Methode stellt besonders für Patienten eine Option dar, bei denen konventionelle medikamentöse Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen.
Evidenz und Indikationen
Die Wirksamkeit neuromodulatorischer Verfahren ist für bestimmte Erkrankungen wissenschaftlich gut belegt. Bei neuropathischen Schmerzen sprechen nur 30–40 Prozent der Patienten auf Medikamente an (Stand: März 2021, Quelle: Medical Tribune*) . Für das Post-Laminektomie-Syndrom – Schmerzen nach Wirbelsäulenoperationen – gilt die Spinal Cord Stimulation mit Evidenzlevel 1+ als belegt. Diese Behandlungsform erweist sich nicht nur als kosteneffektiver, sondern verbessert die Lebensqualität der Betroffenen stärker als medikamentöse Therapien (Stand: März 2021, Quelle: Medical Tribune*) .
Das Indikationsspektrum der Neuromodulation erweitert sich kontinuierlich. Neben chronischen Rückenschmerzen und dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom zählen Polyneuropathie, Endometriose und verschiedene Kopfschmerzsyndrome zu den behandelbaren Erkrankungen (Stand: März 2021, Quelle: Medical Tribune*) . Diese breite Anwendbarkeit macht die Neuromodulation zu einem wichtigen Baustein in der modernen Schmerztherapie, insbesondere für Patienten, bei denen andere Behandlungsoptionen versagt haben.
Gesellschaftliche Relevanz und Hürden in der Versorgung
Die demografische Entwicklung in Deutschland erhöht den Bedarf an wirksamen Therapien für chronische Erkrankungen deutlich. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit, an mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig zu leiden.* Diese Multimorbidität stellt das Gesundheitssystem vor wachsende Herausforderungen, da viele Standardtherapien an ihre Grenzen stoßen.* Gerade hier könnten Neuromodulationsverfahren eine entscheidende Lücke schließen.
Trotz des klaren medizinischen Nutzens sehen sich viele Betroffene mit erheblichen Versorgungsbarrieren konfrontiert:
- Mangelnde Aufklärung und späte Überweisung: Fachärzte kritisieren, dass Neuromodulation „noch zu weit hinten in der Behandlungskette“ stehe. Dabei wäre ein früherer Einsatz sinnvoll, besonders bei medikamentenresistenten Verläufen.*
- Finanzielle Hürden: Obwohl für chronisch erkrankte Menschen eine Belastungsgrenze bei Zuzahlungen gilt,* bleiben oft zusätzliche Kosten, die eine Behandlung erschweren.
- Fehlende Versorgungsstrukturen: Sektorenübergreifende Behandlungspfade sind noch nicht flächendeckend etabliert, was den Zugang zu spezialisierten Zentren verzögert.
Diese Hürden zeigen, dass neben der technologischen Entwicklung auch die Versorgungsstrukturen und die Aufklärung von Patient:innen und Ärzteschaft verbessert werden müssen, um die Potenziale der Neuromodulation voll auszuschöpfen.
Neurostimulation: So kann die Versorgung verbessert werden
Die Initiative von Fachgesellschaften und MedTech-Unternehmen verdeutlicht einen dringenden Handlungsbedarf: Neurostimulation muss früher und gezielter in die Behandlungskette chronischer Erkrankungen integriert werden. Vor dem Hintergrund steigender Multimorbidität und zunehmender Medikamentenresistenz bieten moderne Neuromodulationsverfahren vielversprechende Alternativen – doch ihr Potenzial wird im Versorgungsalltag noch nicht ausgeschöpft.
Eine gezielte Informationsoffensive für Patient:innen könnte hier entscheidend wirken. Klare, verständliche Aufklärungsmaterialien in leichter Sprache, bereitgestellt durch Arztpraxen, Krankenkassen und Patientenorganisationen, könnten Barrieren abbauen. Parallel benötigen niedergelassene Ärzt:innen gezielte Fortbildungen, um die Verfahren früher in ihre Therapieempfehlungen einzubeziehen.
Die Zusammenarbeit zwischen den Sektoren stellt eine weitere wichtige Komponente dar. Standardisierte Überleitungsprozesse und klare Indikationskriterien könnten verhindern, dass Patient:innen unnötige Wartezeiten durchlaufen müssen.
Die klinische Forschung zeigt, dass die Evidenz für den Nutzen dieser Verfahren zunehmend wächst*. Diese wissenschaftliche Basis sollte durch verstärkte Förderung von Studien weiter ausgebaut werden, insbesondere für bisher weniger untersuchte Anwendungsgebiete. Fachgesellschaften können hier Leitlinien entwickeln, die den aktuellen Forschungsstand abbilden und Ärzt:innen konkrete Entscheidungshilfen bieten.
Für die Gesundheitspolitik ergibt sich die Chance, innovative Versorgungsformen gezielt zu unterstützen. Die Integration von Neuromodulation in Disease-Management-Programme oder die Schaffung von Vergütungsanreizen für sektorübergreifende Behandlungspfade wären konkrete Schritte, um die Versorgungslücke zu schließen. Patient:innenvertretungen wiederum können als wichtige Brücke zwischen Betroffenen und Fachkreisen wirken, indem sie Erfahrungsberichte sammeln und in die Diskussion um Versorgungsstandards einbringen.
Die gemeinsame Initiative zeigt: Nur durch abgestimmtes Handeln aller Beteiligten lässt sich das volle Potenzial der Neurostimulation für Patient:innen mit chronischen Erkrankungen erschließen.
Die nachfolgenden Informationen beruhen auf einer Pressemeldung des Bundesverbands Medizintechnologie e.V. (BVMed).
Weiterführende Quellen:
- „Neuromodulation ist ein reversibles, nicht destruktives Verfahren zur Behandlung schwerer chronischer Schmerzen und wird typischerweise angewendet, wenn andere Therapien ausgeschlossen oder nicht erfolgreich sind (Stand: 2021).“ – Quelle: https://stereotaxie.uk-koeln.de/erkrankungen-therapien/neuromodulation-bei-chronischen-schmerzen/
- „Nur 30–40 % der Patienten mit neuropathischen Schmerzen sprechen auf Medikamente an; für das Post-Laminektomie-Syndrom ist die Wirksamkeit der Spinal Cord Stimulation mit Evidenzlevel 1+ belegt, sie gilt als kosteneffektiver und verbessert die Lebensqualität stärker als medikamentöse Therapie (Stand: März 2021).“ – Quelle: https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/elektrische-neurostimulation-lindert-chronische-schmerzen-oft-besser-als-medikamente
- „Das Spektrum der Indikationen für elektrische Neuromodulation hat sich in den letzten Jahren deutlich erweitert, unter anderem auf chronische Rückenschmerzen, komplexes regionales Schmerzsyndrom, Polyneuropathie, Endometriose und Kopfschmerzsyndrome (Stand: März 2021).“ – Quelle: https://www.medical-tribune.de/medizin-und-forschung/artikel/elektrische-neurostimulation-lindert-chronische-schmerzen-oft-besser-als-medikamente
- „Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Wahrscheinlichkeit, an mehreren chronischen Erkrankungen gleichzeitig zu leiden: In Deutschland sind etwa 50 % der 50-Jährigen und rund 80 % der 80-Jährigen mehrfach chronisch krank (Stand: Mai 2023).“ – Quelle: https://aktuell.uni-bielefeld.de/2023/05/09/das-richtige-mass-an-therapie-fuer-chronisch-erkrankte-finden/
- „Für Patient:innen mit schwerwiegenden chronischen Erkrankungen gilt eine Belastungsgrenze bei Zuzahlungen zu Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung von 1 % des Bruttoeinkommens (Stand: Juli 2024).“ – Quelle: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/c/chronisch-kranke-menschen.html
12 Antworten
Manchmal denke ich an meine eigenen Erfahrungen mit Schmerztherapie und wünschte mir einfach mehr Informationen über alternative Methoden wie Neurostimulation.
Das stimmt! Man muss echt oft selbst recherchieren um Antworten zu finden.
Ich finde es gut das Thema hier zur Sprache zu bringen! Mehr Menschen müssen erfahren wie wichtig Neurostimulation sein kann und wieviel Leid sie lindern kann.
‚Wir brauchen ein stärkeres Bewusstsein‘ – dieser Satz trifft den Nagel auf den Kopf! Ich hoffe wirklich, dass diese Initiative Erfolg hat und dass mehr Menschen von diesen Behandlungsmöglichkeiten erfahren.
– Ja! Jeder sollte wissen, was Neurostimulation kann! Vielleicht sollten wir auch eine Online-Petition starten, um mehr Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
– Gute Idee! Eine Petition könnte helfen! Viele Menschen leiden still vor sich hin und haben keine Ahnung von Alternativen.
Die Notwendigkeit für mehr Bewusstsein in der Öffentlichkeit ist klar. Es ist so wichtig, dass Patienten frühzeitig Zugang zu Neuromodulation haben. Wer könnte solche Informationskampagnen unterstützen?
Das sollten auf jeden Fall die Krankenkassen tun! Sie könnten Informationen bereitstellen und vielleicht sogar Workshops anbieten.
Ich frage mich auch, ob die Politik hier nicht aktiver werden könnte? Schließlich geht es um das Wohl von vielen Menschen mit chronischen Schmerzen.
Ich finde den Ansatz, Neurostimulation früher einzusetzen, wirklich wichtig. Viele Patienten warten zu lange auf eine effektive Behandlung. Wie können wir die Ärzteschaft besser informieren? Ich denke, da muss mehr Aufklärung her.
Das sehe ich auch so! Aufklärung ist entscheidend, um die Barrieren zu überwinden. Vielleicht könnten Schulungen für Ärzte helfen, diese Methoden besser zu verstehen und anzuwenden.
Ja genau! Und es wäre toll, wenn Patienten über ihre Möglichkeiten informiert werden. Oft wissen sie gar nicht, dass es Alternativen gibt.