NEST-Prozess 2025: Bundesnetzagentur Entwürfe zu Netzentgelten – VKU kritisiert Ausbildungskosten und Fachkräftemangel

Die Bundesnetzagentur hat ihre finalen Entwürfe für den NEST-Prozess vorgelegt, die bei den Stadtwerken auf gemischte Reaktionen stoßen. Zwar gibt es Verbesserungen wie die Ausweitung des OPEX-Aufschlags auf kleinere Netzbetreiber, doch kritisiert der Verband kommunaler Unternehmen die Nichtanerkennung von Ausbildungskosten und Betriebskitas. Diese Regelung könnte Unternehmen benachteiligen, die in Fachkräfteausbildung investieren, und die Energiewende gefährden.
Modernes blau beleuchtetes News-Studio mit runden LED-Podesten und großem Bildschirm mit Schriftzug ‚Verbands‑Monitor eins zu eins‘.
Inhaltsübersicht

– Bundesnetzagentur-Entwürfe zum NEST-Prozess erhalten gemischte Kritik vom VKU.
– Kleinere Netzbetreiber können nun OPEX-Aufschlag im vereinfachten Verfahren nutzen.
– Kritik an Nichtberücksichtigung von Ausbildungskosten und Betriebskitas als anerkannte Kosten.

NEST-Prozess: Stadtwerke sehen Teilerfolge, aber zu wenig Rückenwind für Investitionen

Die finalen Entwürfe der Bundesnetzagentur zum NEST-Prozess lösen bei den Stadtwerken gemischte Reaktionen aus. Während der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) bestimmte Verbesserungen gegenüber früheren Entwürfen anerkennt, bleibt die grundsätzliche Kritik bestehen. Die Bundesnetzagentur ist weit hinter ihren Möglichkeiten geblieben. Unternehmen, die in die Zukunft investieren, erhalten nicht den benötigten Rückenwind, lautet das ernüchternde Fazit.

Sehr erfreulich ist, dass der OPEX-Aufschlag künftig auch im vereinfachten Verfahren Anwendung findet. Als VKU haben wir uns vehement dafür stark gemacht, um eine Benachteiligung kleinerer Netzbetreiber zu verhindern, erklärt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing. Ebenfalls positiv bewertet der Verband die neue Abgrenzung zwischen Regel- und vereinfachtem Verfahren: Der VKU hat sich immer dafür eingesetzt, dass kleine Netzbetreiber weiterhin vom vereinfachten Verfahren profitieren können.

Kritisch sieht der VKU dagegen, dass die Bundesnetzagentur mehrere nachvollziehbare Forderungen nicht berücksichtigt hat. Für Unmut sorgt, dass die BNetzA Ausbildungskosten und Betriebs-Kitas künftig nicht mehr als dauerhafte und nicht beeinflussbare Kosten anerkennen will. Liebing warnt vor den Konsequenzen: Unternehmen, die nicht ausbilden, sind im Vorteil. Unternehmen, die in Ausbildung investieren und dazu beitragen, den Fachkräftebedarf zu decken, stellen sich schlechter.

Manche Ausgaben, wie etwa Lohnzusatzleistungen oder Betriebskindertagesstätten, erfüllen wichtige gesellschaftliche Funktionen und sollten deshalb nicht dem reinen Effizienzdruck unterliegen, betont der VKU-Hauptgeschäftsführer. Wenn solche Leistungen gekürt würden, um im Effizienzvergleich besser abzuschneiden, könnte das zentrale Ziele des Energiewirtschaftsgesetzes gefährden.

Auch bei der Anpassung der Fremdkapitalkomponente zeigt sich der VKU skeptisch: Es wäre besser gewesen, bei der bisherigen Systematik zu bleiben, deshalb sehen wir die aktuelle Lösung als suboptimalen Kompromiss. Liebing ergänzt: Die Bundesnetzagentur hat zwar auf unsere Anregungen reagiert. Wir bezweifeln, dass sich die aktuelle Regelung positiv für die Netzbetreiber auswirkt.

Der Verband kommunaler Unternehmen vertritt über 1.600 Stadtwerke und kommunalwirtschaftliche Unternehmen. Mit rund 309.000 Beschäftigten wurden 2022 Umsatzerlöse von 194 Milliarden Euro erwirtschaftet und mehr als 17 Milliarden Euro investiert. Weitere Details finden sich in der Publikation "Zahlen Daten Fakten 2024" (Stand: 2024, VKU).

Vom Konsultationsstart zum Methodenentwurf: Die Chronologie des NEST-Prozesses

Der NEST-Prozess durchlief mehrere Entwicklungsstufen, bevor die finalen Entwürfe vorlagen. Die Bundesnetzagentur verfolgte dabei einen transparenten Zeitplan mit klar definierten Meilensteinen, die aufeinander aufbauten.

Ab Januar 2024 begann die Konsultation der NEST-Prozess-Eckpunkte (Stand: Januar 2024). Diese frühe Einbindung der Marktteilnehmer bildete die Grundlage für die späteren methodischen Ausgestaltungen. Die regulatorische Behörde sammelte in dieser Phase erste Rückmeldungen zu den geplanten Neuerungen.

Methodische Neuerungen nehmen Gestalt an

Am 18.06.2025 legte die Bundesnetzagentur konkrete Methodenentwürfe vor, die wesentliche Änderungen enthielten (Stand: 18.06.2025). Besondere Bedeutung erlangten zwei Neuerungen: Die Kapitalverzinsung sollte künftig über einen WACC-Ansatz ermittelt werden. Gleichzeitig plante die Behörde eine grundlegende Reform des Produktivitätsfaktors – statt der bisherigen Methode sollte der Xgen-Faktor mittels Malmquist-Index berechnet und ausschließlich auf Betriebskosten angewendet werden.

Diese methodischen Zwischenstände markierten einen wichtigen Entwicklungsschritt, der die Diskussion um die künftige Regulierungsarchitektur versachlichte. Die Bundesnetzagentur bezog damit Position zu zentralen Streitfragen der Anreizregulierung.

Veröffentlichung der Zwischenstände

Im September 2025 veröffentlichte die Bundesnetzagentur schließlich die Zwischenstände ihrer Festlegungen (Stand: September 2025). Diese Veröffentlichung bildete die letzte Stufe vor den finalen Entwürfen und gab den Netzbetreibern Gelegenheit, die konkrete Ausgestaltung der neuen Methoden zu prüfen. Die chronologische Abfolge von der initialen Konsultation über die Methodenentwürfe bis zu den Zwischenständen gewährleistete einen strukturierten Entwicklungsprozess mit ausreichend Beteiligungsmöglichkeiten für alle Stakeholder.

Zentrale Regelungsänderungen und ihre Kontroversen

Die Entwürfe zum NEST-Prozess bringen tiefgreifende methodische Neuerungen, die Netzbetreiber unterschiedlich treffen. Ein wirtschaftlicher Schwellenwert ersetzt künftig die reine Kundenzahl als Kriterium für das vereinfachte Verfahren. Laut Bundesnetzagentur (Stand: März 2025) bestimmt künftig ein wirtschaftlicher Schwellenwert anstelle der Kundenzahl die Verfahrenseinordnung für Netzbetreiber, wodurch sehr kleine Netzbetreiber weiterhin das Kleinstnetzbetreiber-Verfahren nutzen können.* Diese Änderung soll Bürokratie reduzieren und verhindern, dass Unternehmen allein durch Wachstum zwangsläufig in das aufwändigere Regelverfahren wechseln müssen.

Bei der Effizienzwertermittlung setzt die Bundesnetzagentur auf eine gewichtete Mittelwertbildung der bereinigten Effizienzwerte (Stand: Februar 2025). Kleinere Netzbetreiber erhalten dabei eine höhere Gewichtung, was ihre Wettbewerbsposition stärken soll. Interessant ist die Entwicklung bei den Betriebskosten: Während die BNetzA zunächst keine OPEX-Anpassung im vereinfachten Verfahren vorsah, dokumentiert die Pressemitteilung vom 30.10.2025 eine Abweichung – der OPEX-Aufschlag soll nun auch kleineren Netzbetreibern zugutekommen.*

Die methodischen Festlegungen vom 18.06.2025 bringen weitere wesentliche Änderungen: Der Produktivitätsfaktor (Xgen) wird künftig mittels Malmquist-Modell ermittelt.* Diese methodische Präzisierung soll die Effizienzbewertung transparenter und nachvollziehbarer gestalten.

Besondere Kontroversen lösen die geplanten Änderungen bei der Anerkennung von Ausbildungskosten und Betriebskindertagesstätten aus. Die im Juni 2025 veröffentlichten Festlegungsentwürfe sehen wesentliche Anpassungen bei den Kostenarten vor.* Für Netzbetreiber, die in Ausbildung investieren und betriebliche Kinderbetreuung anbieten, bedeutet dies einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Unternehmen, die solche gesellschaftlich wichtigen Leistungen nicht erbringen.

Die wichtigsten Kernänderungen im Überblick:

  • Wirtschaftlicher Schwellenwert statt Kundenzahl für Verfahrenseinordnung (Stand: März 2025)*
  • Einführung des Malmquist-Modells für die Xgen-Berechnung (Stand: 18.06.2025)*
  • Wesentliche Anpassungen bei der Anerkennung von Ausbildungskosten und Betriebskitas in Entwürfen (Stand: Juni 2025)*

Diese grundlegenden Änderungen zeigen, wie der neue Regulierungsrahmen die Anreizsysteme für Netzbetreiber neu justiert – mit teils erheblichen Auswirkungen auf deren Investitionsentscheidungen und Personalstrategien.

Wettbewerbsnachteile für ausbildende Netzbetreiber

Die Anerkennung von Ausbildungskosten in der Regulierungspraxis entscheidet maßgeblich darüber, ob sich Investitionen in die Fachkräftesicherung für Netzbetreiber wirtschaftlich lohnen. Werden diese Aufwendungen nicht als regulierbare Kosten anerkannt, entsteht ein finanzieller Nachteil gegenüber Unternehmen, die keine Ausbildungsplätze bereitstellen.

Wettbewerbsverzerrungen gefährden Fachkräftesicherung

Aktuelle Festlegungsentwürfe sehen vor, dass Ausbildungskosten und Betriebskindertagesstätten künftig nicht mehr als dauerhafte und nicht beeinflussbare Kosten anerkannt werden*. Diese Änderung schafft ein Ungleichgewicht: Netzbetreiber, die nicht in Ausbildung investieren, erhalten einen Wettbewerbsvorteil, während jene, die sich gesellschaftlich engagieren und den Fachkräftebedarf decken, finanziell benachteiligt werden. In der Praxis bedeutet dies, dass ein Stadtwerk, das seit Jahren erfolgreich Elektroniker für Betriebstechnik ausbildet, plötzlich mit höheren regulatorischen Hürden konfrontiert wird, während ein reiner Dienstleister ohne Ausbildungskosten wirtschaftlich besser dasteht.

Planungsunsicherheit bremst Investitionen aus

Für kleinere Stadtwerke kommt eine weitere Herausforderung hinzu: Die dynamische Euro-Schwelle bei der Verfahrensabgrenzung erschwert langfristige Personal- und Investitionsplanung*. Ohne verlässliche Rahmenbedingungen können mittelständische Netzbetreiber nur schwer abschätzen, ob sich Investitionen in betriebseigene Kitas oder aufwändige Ausbildungsprogramme überhaupt rechnen. Diese Planungsunsicherheit betrifft insbesondere die Energiewende, denn der Ausbau der Netze erfordert stabile Personalstrukturen und kontinuierliche Investitionen in Qualifikation.

Ausblick: Was jetzt noch fehlt

Die veröffentlichten Zwischenstände und Methodenentwürfe bilden den regulatorischen Rahmen, erfordern aber weitere Konkretisierungen in der praktischen Umsetzung.

Worauf Marktakteure jetzt achten sollten

Netzbetreiber sollten insbesondere die Entwicklung bei drei zentralen Methoden im Blick behalten: Die Kapitalverzinsung, der Effizienzvergleich und der Produktivitätsfaktor Xgen wurden in den Methodenentwürfen vom 18. Juni 2025 skizziert, bedürfen aber noch der finalen Ausgestaltung. Besonders bei der Fremdkapitalkomponente zeigt sich, dass die konkrete Berechnungsmethode entscheidend für die Investitionsplanung sein wird.

Die Anpassung der Mindesteffizienz von 60 auf 70 Prozent begrenzt zwar die maximal abzubauende Ineffizienz, stellt aber gleichzeitig höhere Anforderungen an die Betriebsführung. Unternehmen sollten ihre Prozesse entsprechend justieren und dokumentieren, um im Effizienzvergleich bestehen zu können.

Wo nächste Informationen erscheinen

Aktuelle Entwicklungen veröffentlicht die Bundesnetzagentur auf ihren Webseiten. Die Zwischenstände und Methodenentwürfe vom Juni 2025 bilden die Basis für die weitere Regulierungspraxis. Marktteilnehmer finden dort die grundlegenden Dokumente, die den NEST-Prozess strukturieren.

Für die konkrete Umsetzung erwarten Experten weitere Erläuterungen des Regulierers, insbesondere zur operationalen Ausgestaltung der beschlossenen Methoden. Die bisherigen Veröffentlichungen zeigen zwar die Richtung auf, lassen aber Spielraum für Interpretationen, die in den kommenden Monaten geschlossen werden müssen.

Die regulatorische Landschaft für Netzbetreiber bleibt damit im Fluss – weitere Präzisierungen durch die Bundesnetzagentur sind notwendig, um Planungssicherheit zu gewährleisten.

Die nachfolgenden Informationen und Meinungen basieren auf einer Pressemitteilung des Verbands kommunaler Unternehmen e. V. (VKU).

Weiterführende Quellen:

9 Antworten

  1. Der NEST-Prozess scheint wirklich komplex zu sein. Ich hoffe, dass alle Beteiligten sich zusammenraufen können und eine Lösung finden, die allen hilft.

  2. Die neuen methodischen Ansätze sind interessant. Dennoch frage ich mich, wie realistisch deren Umsetzung in der Praxis aussieht? Gibt es Beispiele aus anderen Branchen?

    1. Das ist eine gute Frage! Ich denke, wir sollten erfolgreiche Modelle von anderen Sektoren betrachten und darauf aufbauen.

  3. Es freut mich zu hören, dass der OPEX-Aufschlag nun auch kleineren Anbietern zugutekommt! Aber was ist mit den anderen Kostenarten? Bleiben wir da nicht im Schatten?

  4. Die neuen Regelungen scheinen zwar Fortschritte zu bringen, jedoch bleibt die Frage, ob die kleinen Anbieter ausreichend unterstützt werden. Wie sieht es mit der langfristigen Planung für diese Unternehmen aus?

    1. Ich stimme zu, Lorenz! Die Unterstützung für kleinere Netzbetreiber ist entscheidend. Es wäre gut zu wissen, welche konkreten Schritte unternommen werden können.

    2. Die Ungleichheit zwischen Unternehmen, die ausbilden und denen, die es nicht tun, ist bedenklich. Was können wir tun, um diesen Missstand zu beheben?

  5. Ich finde die Diskussion um den NEST-Prozess sehr wichtig. Besonders die Berücksichtigung von Ausbildungskosten sollte nicht vernachlässigt werden. Wie sehen andere das? Können wir wirklich auf Fachkräfte verzichten?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Über den Autor

Die Redaktion von Verbandsbüro besteht aus vielen unterschiedlichen Experten aus der Verbands- und Vereinswelt. Alle Beiträge beruhen auf eigene Erfahrungen. Damit wollen wir Ihnen unsere professionellen Leistungen für Ihre Organisation präsentieren. Wollen Sie mehr zu diesem Thema erfahren? Nehmen Sie doch einfach mit uns Kontakt auf.​

Teilen

Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, teile ihn gerne weiter.