– IG BAU lehnt Vorschlag ab, Saisonarbeitskräften nur 80 Prozent Mindestlohn zu zahlen
– Arbeitgeber in Landwirtschaft nutzen Ausnahmeregelungen, um bis zu 50 Prozent Lohn abzuziehen
– Mindestlohnkommission entscheidet bis Ende Juni über unterste Lohngrenze, evtl. 15 Euro
IG BAU weist Forderung nach niedrigerem Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte entschieden zurück
Die Debatte über die Bezahlung von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft hat eine neue Welle der Kontroverse ausgelöst: Der Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied schlug kürzlich vor, dass diese Beschäftigten künftig nur noch 80 Prozent des Mindestlohns erhalten sollten. Diese Forderung stößt bei der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) auf scharfe Kritik und wird klar zurückgewiesen. „Das ist die unterste Einkommensgrenze, daran wird nicht gerüttelt.“ Mit diesem Satz bringt der stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Harald Schaum die Haltung der Gewerkschaft auf den Punkt.
Schaum reagiert auf die geplante Absenkung mit spitzer Ironie: „Also wenn die Saisonarbeitskräfte dann auch nur noch 80 Prozent des Gesamtvolumens arbeiten müssen, bin ich mit dem Vorschlag einverstanden.“ Damit unterstreicht er, dass eine Reduzierung des Mindestlohns für Saisonkräfte weder gerecht noch akzeptabel sei. Der Mindestlohn steht für eine klare untere Grenze, die Beschäftigten ein Leben oberhalb der Armutsgrenze ermöglichen soll. Schaum betont: „Der Name sagt es ja schon, Mindestlohn. Unter diese äußerste untere Grenze sollte das Entgelt nicht fallen, damit die Menschen einigermaßen davon leben können.“
Viele Saisonarbeitskräfte verdienen ohnehin nur wenig und leben oft an oder knapp über der Armutsgrenze. Die IG BAU weist zudem darauf hin, dass Arbeitgeber in der Landwirtschaft bereits jetzt verschiedene Ausnahmeregelungen nutzen, die die Kosten senken. So sind kurzfristige Beschäftigungen unter bestimmten Bedingungen sozialversicherungsfrei, Krankenversicherungen laufen häufig über Gruppenverträge mit eingeschränkten Leistungen, und durch besondere Steuerregelungen zahlen Landwirte oft pauschal nur fünf Prozent Lohnsteuer. Unterkunft und Verpflegung werden häufig vom Lohn abgezogen — „in unseren jährlichen Monitorberichten sind das oftmals bis zu 50 Prozent des Lohns“, erläutert Schaum.
Vor dem Hintergrund dieses Spielraums für Arbeitgeber hält die IG BAU an der Forderung nach einem gerechten Mindestlohn für Saisonarbeitskräfte fest. Noch bis Ende Juni wird die Mindestlohnkommission über die zukünftige unterste Lohngrenze entscheiden. Im Gespräch sind 15 Euro pro Stunde, eine Summe, von der Schaum sagt, sie sei angemessen für die körperlich harte Arbeit auf den Feldern und Höfen: „Ich hoffe darauf. Für die extrem harte Arbeit auf den Feldern, in den Weinbergen, auf den Höfen und anderen Orts ist das nicht mehr als recht und billig.“
Die IG BAU macht damit deutlich, dass beim Mindestlohn keine Abstriche an jenen gemacht werden dürfen, die durch ihre Arbeit wichtige Lebensmittel produzieren und gleichzeitig oft finanziell benachteiligt sind. Die Forderung nach einer Absenkung sieht sie als falschen Schritt in einer ohnehin schwierigen Situation für viele Saisonarbeitskräfte.
Mindestlohn-Debatte spitzt sich zu: Hintergründe, Chancen und Risiken für Saisonarbeitskräfte
In der Diskussion um den Mindestlohn stehen aktuell besonders Saisonarbeitskräfte im Fokus. Diese Beschäftigten, vor allem in der Landwirtschaft tätig, arbeiten meist nur für kurze Zeiträume und unter oft schwierigen Bedingungen. Die Branche steht unter einem gewissen Reformdruck, weil sie bisher durch Sonderregelungen von den allgemeinen Mindestlohnvorgaben ausgenommen war. Dabei sind schnelle Beschäftigungsmodelle üblich, die sozialen Schutz und Lohnstandards betreffen. In anderen Industriezweigen hingegen gilt der Mindestlohn ohne besondere Abweichungen, was die Landwirtschaft in der Debatte als Sonderfall kennzeichnet.
Für die Saisonarbeit gilt oft ein reduzierter Mindestlohn, der kontrovers diskutiert wird. Gegner solcher Abschläge betonen, dass der Mindestlohn die unterste Grenze sein muss, um ein Leben oberhalb der Armutsgrenze zu ermöglichen. Gleichzeitig gibt es bereits verschiedene Erleichterungen für Arbeitgeber in der Landwirtschaft, wie Sozialversicherungsfreiheit bei kurzfristiger Beschäftigung oder die Möglichkeit, Unterkunft und Verpflegung vom Lohn abzuziehen. Kritiker sehen hierin eine Ausbeutungspotenzial, weil diese Praxis in manchen Fällen bis zu 50 Prozent des Lohns ausmacht und die ohnehin niedrigen Einkommen der Saisonarbeitskräfte weiter schmälert.
Landwirtschaft unter Reformdruck
Die Landwirtschaft ist durch diese Besonderheiten besonders anfällig für soziale und wirtschaftliche Spannungen. Die Beschäftigungsverhältnisse sind geprägt von saisonaler Schwankung, geringerer sozialer Absicherung und niedrigeren Löhnen im Vergleich zu anderen Branchen. Dies führt zu einem wachsenden Ruf nach faireren Rahmenbedingungen. Die bestehende Ausnahmeregelungen schaffen für manche Arbeitgeber zwar Vorteile, gleichzeitig erhöht sich der Druck der Öffentlichkeit und der Gewerkschaften, dass hier ein verbindlicher und stabiler Mindestlohn ohne Abschläge gelten muss.
Soziale Gerechtigkeit und Zukunft des Mindestlohns
Ein stabiler Mindestlohn hat große gesellschaftliche Bedeutung, besonders in ländlichen Regionen, die auf Saisonarbeitskräfte angewiesen sind. Fehlende oder unzureichende Entlohnung belastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern kann langfristig soziale Spannungen verstärken und die ländlichen Arbeitsmärkte destabilisieren. Die Debatte um den Mindestlohn für Saisonkräfte ist daher auch eine Debatte über soziale Gerechtigkeit und Arbeitsmarktintegration in strukturschwachen Gebieten.
Typische Problemfelder in der Saisonarbeitsbranche:
- Saisonale und oft unsichere Beschäftigungsverhältnisse
- Niedrigere Entlohnung als im regulären Mindestlohn vorgesehen
- Soziale Absicherung eingeschränkt durch kurzfristige Beschäftigungen
- Abzüge für Unterkunft und Verpflegung, teilweise sehr hoch
- Wahrgenommene Ausbeutung trotz schon bestehender Erleichterungen für Arbeitgeber
Die Mindestlohnkommission steht nun vor der entscheidenden Aufgabe, bis Ende Juni eine klare Linie zu finden. Erwartet wird eine Entscheidung über die zukünftige Höhe des Mindestlohns, die zur sozialen Stabilisierung beitragen muss. Die kommenden Beschlüsse könnten die Arbeitsbedingungen für Saisonarbeitskräfte nachhaltig verändern und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität der Branche beeinflussen.
Alle in diesem Artikel verwendeten Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
9 Antworten
Ich habe das Gefühl, dass diese Diskussion über den Mindestlohn oft nur auf dem Papier bleibt und wenig Veränderungen mit sich bringt. Gibt es keine Möglichkeit für uns alle zusammenzustehen?
Ich finde es einfach unverschämt, dass die Arbeitgeber so viel abziehen dürfen! Es muss doch möglich sein, einen fairen Lohn zu zahlen und trotzdem profitabel zu sein.
Ich stimme dir zu! Es fühlt sich an wie Ausbeutung und das sollte nicht toleriert werden!
Es gibt echt viele Probleme in der Landwirtschaft! Ich frage mich, ob eine faire Bezahlung auch dazu beitragen könnte, dass mehr Menschen diesen Job machen wollen?
Das könnte wirklich ein Weg sein! Wenn die Bedingungen besser wären, würden sich vielleicht mehr Leute für diese Arbeit interessieren.
Die Argumentation der IG BAU ist sehr überzeugend! Es sollte einfach kein Thema sein, den Lohn für so harte Arbeit zu senken. Was könnte man tun, um hier mehr Aufmerksamkeit zu erzeugen?
Ich finde es echt erschreckend, wie mit Saisonarbeitskräften umgegangen wird. Wenn die Landwirte schon so viele Ausnahmen nutzen, warum sollten sie dann auch noch den Mindestlohn drücken? Wie denkt ihr darüber?
Das ist ein guter Punkt, Zwegener. Ich habe auch gelesen, dass viele von ihnen kaum über die Runden kommen. Es wäre wichtig zu wissen, wie die Bedingungen wirklich sind.
Ja, das stimmt. Ich glaube nicht, dass eine Senkung des Mindestlohns fair ist. Die Menschen müssen schließlich leben können.