– Vereinigung Cockpit kritisiert Lufthansa für fehlende Angebote in Tarifkonflikten
– Offene Tarifverhandlungen betreffen Betriebsrenten und Vergütung bei mehreren Airlines
– Vorläufiger Verzicht auf Arbeitskampfmaßnahmen trotz sieben erfolgloser Verhandlungsrunden
Klare Forderungen statt leere Worte
Die Vereinigung Cockpit (VC) zeigt sich verwundert über jüngste Aussagen von Lufthansa-Chef Carsten Spohr zu den Interessen der Pilotinnen und Piloten. Spohr hatte erklärt, im Cockpit herrsche „wenig Sorge über die Betriebsrenten“, aber „große Sorge über Zukunfts- und Wachstumsperspektiven“.
VC-Präsident Andreas Pinheiro kontert deutlich: „Herr Spohr scheint sehr genau zu wissen, was unsere Mitglieder bewegt – erstaunlich, wenn man bedenkt, dass er sich in den vergangenen Jahren kaum die Mühe gemacht hat, mit uns überhaupt zu reden.“ Die tatsächlichen Sorgen der Crews gehen laut Pinheiro weit darüber hinaus: „Unsere Mitglieder machen sich nicht nur Sorgen um ihre betriebliche Altersversorgung und um Zukunfts- und Wachstumsperspektiven, sondern betrachten mit ebenso großer Sorge die Managementfehler der vergangenen Jahre.“
Nach sieben Verhandlungsrunden zur betrieblichen Altersversorgung (Stand: 3. September 2025)* ohne Angebot der Arbeitgeberseite fordert die VC endlich konkrete Vorschläge. Der Berufsverband mit rund 9.600 Mitgliedern (Stand: 2025)* erwartet belastbare Angebote in drei zentralen Tarifkonflikten:
- einer verbesserten betrieblichen Altersversorgung (bAV) bei Lufthansa und Lufthansa Cargo
- dem Vergütungstarifvertrag (VTV) bei Lufthansa CityLine
- und der Tarifierung der Lufthansa City Airlines
„Unsere Mitglieder erwarten keine Nebelkerzen, sondern belastbare Angebote in den offenen Tarifkonflikten“, betont Pinheiro. Zur Klarstellung fügt er hinzu: „Unternehmensentscheidungen, darunter unserer Auffassung nach viele schlechte, trifft die Konzernführung allein. Insoweit wird sie den Konzerntarifvertrag (KTV) beachten müssen. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf unsere offenen Tarifthemen mit den jeweiligen Flugbetrieben.“
Um dem Management ausreichend Zeit für substanzielle Angebote einzuräumen, wird die VC vorläufig auf Arbeitskampfmaßnahmen verzichten.
Die Wurzeln des Konflikts: Warum die Betriebsrente so umstritten ist
Die aktuelle Auseinandersetzung um die betriebliche Altersversorgung (bAV) bei der Lufthansa hat ihre Ursprünge in grundlegenden Weichenstellungen, die bereits Jahre zurückliegen.
2017 markierte eine Zäsur in der betrieblichen Altersvorsorge für Piloten. Damals einigten sich die Pilotengewerkschaften mit der Lufthansa auf ein neues Modell, das drei wesentliche Veränderungen brachte: Die Airline garantiert fortan nicht mehr die absolute Höhe der Renten*. Diese Entscheidungen von 2017 verlagerten finanzielle Unsicherheiten deutlich in Richtung der Arbeitnehmerseite.
Strukturelle Gründe für die anhaltende Kontroverse liegen in der Natur des kapitalmarktfinanzierten Modells. Anders als bei reinen Umlagesystemen hängt hier die spätere Rentenhöhe von der Entwicklung der Finanzmärkte ab. Für die Beschäftigten bedeutet dies ein kalkulierbares Risiko – besonders in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Vehemenz, mit der die VC heute auf verbesserte Versorgungsbedingungen drängt. Die Gewerkschaft sieht in der Rückkehr zu sichereren Garantien eine zentrale Forderung, nachdem in der Vergangenheit wesentliche Absicherungen aufgegeben wurden.*
Chronologie der Verhandlungen und jüngste Entwicklungen
Der Tarifkonflikt zwischen der Vereinigung Cockpit und der Lufthansa um die betriebliche Altersversorgung hat sich über mehrere Monate entwickelt. Die Verhandlungsdynamik zeigt ein Wechselspiel aus Eskalation und Deeskalation, das sich anhand verifizierter Quellen nachvollziehen lässt.
Zeitstrahl der Verhandlungsereignisse
Die Auseinandersetzung nahm ihren Ausgang mit einem grundlegenden Systemwechsel bei den Pilotenvorsorgen. Bis 2017 erhielten Piloten eine klassische Betriebsrente mit garantierten Auszahlungen, die dann durch ein kapitalmarktfinanziertes Modell ersetzt wurde.*
Trotz zunehmender Spannungen setzten beide Seiten den Dialog fort. Stand: 9. Oktober 2025 führten die Piloten wieder Gespräche mit Vertretern der Lufthansa, obwohl die Gewerkschaftsmitglieder zuvor für Arbeitskampfmaßnahmen gestimmt hatten. Diese Gesprächsbereitschaft signalisierte die grundsätzliche Verhandlungsfähigkeit beider Seiten.
Die jüngste Entwicklung zeigt eine weitere Deeskalation: Stand: 2. November 2025 will die Pilotengewerkschaft VC Cockpit der Airline im Tarifstreit um die Altersversorgung mehr Zeit geben, verlangt ein verbessertes Angebot und gewährt vorläufigen Verzicht auf Arbeitskampfmaßnahmen.
| Datum | Ereignis | Quelle/Stand |
|---|---|---|
| 03.09.2025 | VC-Präsident Pinheiro benennt Systemwechsel bei Betriebsrente 2017 als Ursache des Konflikts | Vereinigung Cockpit |
| 09.10.2025 | Trotz Streikvotums: Fortsetzung der Gespräche mit Lufthansa | Deutschlandfunk |
| 02.11.2025 | VC gewährt Verzicht auf Arbeitskampf und fordert verbessertes Angebot | cash |
Wie die Verhandlungsdynamik eskalieren und abgefedert wurde
Die Chronologie offenbart ein strategisches Hin und Her zwischen Druckaufbau und Gesprächsbereitschaft. Nach sieben Verhandlungsrunden ohne substanzielle Angebote seitens der Lufthansa hatte die Gewerkschaft mit einem Streikvotum ihrer Mitglieder im Oktober 2025 deutlichen Druck aufgebaut. Doch statt sofort Streikmaßnahmen umzusetzen, entschied sich die VC für weitere Gespräche.
Diese Zurückhaltung setzte sich im November 2025 fort, als die Gewerkschaft explizit auf Arbeitskampfmaßnahmen verzichtete, um dem Management Zeit für verbesserte Angebote einzuräumen. Die Gewerkschaft betont jedoch, dass dieser Verzicht vorläufig ist und an konkrete Verhandlungserfolge geknüpft bleibt.
Konzernstruktur als Verhandlungsbremse: Wie neue Airlines den Tarifkonflikt verschärfen
Neben den unmittelbaren Verhandlungsstreitigkeiten wirken strukturelle Faktoren im Lufthansa-Konzern als zusätzliche Konfliktbeschleuniger. Die Gründung neuer Flugbetriebe wie City Airlines und Discover Airlines durch den Vorstand schafft ein Umfeld, in dem Tarifvereinbarungen umgangen und langfristige Beschäftigungsstandards ausgehöhlt werden können. Nach Angaben von airliners.de wurden diese Flugbetriebe etabliert, um dort zu günstigeren Tarifbedingungen zu operieren.*
City Airlines, Discover Airlines: Bedeutung für Tarifpolitik
Die strategische Positionierung dieser neuen Gesellschaften verdeutlicht ein grundlegendes Risiko für die Tarifautonomie. Indem der Konzern parallel Betriebe mit unterschiedlichen Tarifniveaus aufbaut, entstehen interne Wettbewerbsverzerrungen. Piloten und Kabinenpersonal fürchten nicht nur um ihre aktuellen Gehälter, sondern auch um die langfristige Stabilität ihrer Arbeitsbedingungen. Die Möglichkeit, dass Flugbetriebe schrittweise zu Tochtergesellschaften mit niedrigeren Standards verlagert werden, untergräbt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften nachhaltig.*
Tarifliche Abgrenzungen und ihre Folgen
Die Trennung von Tarifbereichen innerhalb desselben Konzerns führt zu einer Zersplitterung der Belegschaften:
- Beschäftigte ähnlicher Qualifikation erhalten unterschiedliche Vergütungen
- Kollektives Handeln wird durch verschiedene Verhandlungspartner erschwert
- Abwanderung von qualifiziertem Personal zu Wettbewerbern wird begünstigt*
Die Vereinigung Cockpit betont in ihrer Pressemitteilung: "Wir konzentrieren uns ausschließlich auf unsere offenen Tarifthemen mit den jeweiligen Flugbetrieben".*
Diese Aussage zeigt die praktischen Konsequenzen der Konzernstruktur – die Gewerkschaft muss ihre Ressourcen auf multiple Verhandlungsfronten verteilen, während das Management von vereinheitlichten Entscheidungsstrukturen profitiert.*
Die strukturellen Risiken gehen damit weit über aktuelle Lohnforderungen hinaus. Sie betreffen die grundsätzliche Frage, ob Tarifpartnerschaften im Luftverkehr langfristig stabil bleiben oder ob eine Erosion von Standards zugunsten flexiblerer – und kostengünstigerer – Beschäftigungsmodelle stattfindet. Für Passagiere und Branchenbeobachter bedeutet dies: Die aktuellen Tarifkonflikte sind nur die sichtbare Spitze eines tieferliegenden Strukturwandels in der deutschen Luftfahrtindustrie.
Wie geht es weiter im Lufthansa-Konflikt?
Die aktuelle Situation (Stand: 2. November 2025) zeigt eine vorübergehende Beruhigung: Die Vereinigung Cockpit hat angekündigt, vorläufig auf Streiks zu verzichten und gibt dem Management Zeit für Verhandlungen. Doch diese Atempause könnte sich als trügerisch erweisen, sollte sich an den grundlegenden Positionen nichts ändern.*
Mögliche nächste Schritte von VC und Lufthansa
Für die Lufthansa-Führung bedeutet der Verzicht auf Streiks eine kurzfristige Entlastung. Der Ball liegt nun bei ihr: Sie muss beweisen, dass sie die gewonnene Zeit nutzt. Konkret geht es um eine verbesserte betriebliche Altersversorgung – was für die Besatzungen mehr finanzielle Sicherheit im Ruhestand bedeuten würde.*
Indikatoren, die den Konflikt entschärfen oder verschärfen
Ein klares Signal für Entspannung wäre ein erstes verhandlungsfähiges Angebot der Lufthansa zur bAV. Die nächsten Verhandlungstermine werden daher richtungsweisend sein – sowohl für die unmittelbare Flugplanstabilität als auch für das langfristige Vertrauensverhältnis zwischen Cockpit und Konzernspitze.*
Dieser Beitrag enthält Informationen und Stellungnahmen, die auf einer Pressemitteilung der Vereinigung Cockpit basieren.
Weiterführende Quellen:
- „Lufthansa hält die Forderung der Piloten-Gewerkschaft VC für ‚unbezahlbar‘; die aktuelle Forderung würde einen jährlichen Kostenanstieg auf 228 Millionen Euro bedeuten, mehr als eine Verdoppelung der bisherigen Kosten.“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/lufthansa-airline-haelt-forderungen-der-piloten-fuer-nicht-bezahlbar/100156567.html
- „Lufthansa-Chef Jens Ritter: ‚Unsere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erlaubt schlichtweg keinerlei Mehrbelastungen. Wir haben nicht ansatzweise das Geld für eine weitere Verbesserung der ohnehin schon sehr guten betrieblichen Altersvorsorge‘.“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/dienstleister/lufthansa-airline-haelt-forderungen-der-piloten-fuer-nicht-bezahlbar/100156567.html
- „Bei Tarifabschluss 2017 hatte sich die Pilotengewerkschaft darauf eingelassen, dass Lufthansa nicht mehr die absolute Höhe der Renten garantiert, das Zinsrisiko auf die Beschäftigten überging und das durchschnittliche Alter zur Übergangsversorgung auf 60 Jahre angehoben wurde.“ – Quelle: https://www.airliners.de/lufthansa-piloten-bereiten-streik/82880
- „Stand: 3. September 2025 – VC-Präsident Andreas Pinheiro: Bis 2017 erhielten Piloten eine klassische Betriebsrente mit garantierten Auszahlungen, die dann durch ein kapitalmarktfinanziertes Modell ersetzt wurde, das das frühere Versorgungsniveau deutlich verfehlt.“ – Quelle: https://www.vcockpit.de/newsroom/verhandlungen-mit-der-lufthansa-und-lufthansa-cargo-zur-betrieblichen-altersversorgung-gescheitert/
- „Stand: 9. Oktober 2025 – Trotz eines Votums der Gewerkschaftsmitglieder für Arbeitskampfmaßnahmen führten die Piloten wieder Gespräche mit Vertretern der Lufthansa, was die Dynamik des Konflikts zeigt.“ – Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/pilotengewerkschaft-setzt-verhandlungen-mit-lufthansa-fort-100.html
- „Stand: 2. November 2025 – Die Pilotengewerkschaft VC Cockpit will der Airline im Tarifstreit um die Altersversorgung mehr Zeit geben, verlangt ein verbessertes Angebot und gewährt vorläufigen Verzicht auf Arbeitskampfmaßnahmen.“ – Quelle: https://www.cash.ch/news/vorerst-kein-streik-pilotengewerkschaft-gibt-lufthansa-zeit-877129
- „Der Vorstand hat die Flugbetriebe City Airlines und Discover Airlines gegründet, um dort zu günstigeren Tarifbedingungen zu fliegen, während VC und UFO außen vor blieben, was die strukturellen Risiken im Tarifkonflikt verdeutlicht.“ – Quelle: https://www.airliners.de/lufthansa-piloten-bereiten-streik/82880
6 Antworten
„Die Betriebsrenten sind eine zentrale Frage für alle Angestellten! Warum sind Unternehmen so zurückhaltend bei Angeboten? Ich finde es wichtig, dass wir diese Diskussion weiterführen und Lösungen finden.
Es ist erstaunlich zu sehen, wie viel Druck auf den Piloten lastet. Wenn Lufthansa keine konkreten Angebote macht, was bleibt dann den Angestellten noch? Wir sollten solche Situationen ernst nehmen und solidarisch sein.
Genau! Die aktuellen Entwicklungen zeigen einfach nur die Schwächen im System auf. Ich frage mich oft: Wie können wir sicherstellen, dass solche Fehler in Zukunft vermieden werden?
Die Problematik rund um die betriebliche Altersversorgung bei Lufthansa ist wirklich besorgniserregend. Ich frage mich, wie die Piloten langfristig ihre finanzielle Sicherheit gewährleisten können, wenn die Airline keine klaren Angebote vorlegt? Es wäre wichtig, dass wir als Gesellschaft mehr über solche Themen diskutieren.
Ich finde es interessant, dass der CEO von Lufthansa glaubt, die Sorgen der Piloten zu verstehen, während sie offensichtlich nicht ausreichend gehört werden. Welche Schritte können wir unternehmen, um ihre Stimme zu stärken?
Das Thema der Betriebsrenten betrifft ja nicht nur die Piloten selbst, sondern auch deren Familien und das gesamte Umfeld. Vielleicht sollten wir uns auch um deren Unterstützung kümmern.