– Fachgespräch im Bundestag zum Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kultursektor.
– Künstlerinnen leiden unter befristeten Verträgen, Abendarbeit und eingeschränkten Netzwerkchancen.
– Überdurchschnittlicher Gender Pay Gap in Kultur erfordert gezielte Förderprogramme nach Familienphase.
Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kultur- und Kreativbereich: Herausforderungen und Stimmen aus dem Bundestag
Im Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestags fand ein Fachgespräch zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kultur- und Kreativbereich statt, in dem vier Expertinnen die besonderen Herausforderungen für Künstlerinnen in diesem Sektor erläuterten. Zentrale Probleme sind die prekäre Beschäftigungssituation sowie strukturelle Benachteiligungen, die gerade Müttern und Solo-Selbständigen das berufliche Wirken erschweren.
Gabriele Schulz vom Deutschen Kulturrat betonte, dass viele Menschen in diesem Sektor nur befristete Jobs haben und oft abends arbeiten müssen, was das Familienleben schwierig macht. Besonders betroffen sind demnach Solo-Selbständige: Frauen mit familiären Verpflichtungen haben es schwerer, an Orten präsent zu sein, wo Netzwerkarbeit wichtig ist. Schulz wies auf eine weitere Dimension hin: Werke von Frauen würden ‚weniger gezeigt, weniger aufgeführt, weniger besprochen‘.
Ines Doleschal, bildende Künstlerin und Mitbegründerin des Aktionsbündnisses „fair share! Sichtbarkeit für Künstlerinnen“, thematisierte die finanzielle Unsicherheit vieler Künstlerinnen und die spürbaren Karrierehindernisse für Mütter: Viele Künstlerinnen entscheiden sich gegen Kinder, weil es sonst schwer ist erfolgreich zu sein. Der Kunstbetrieb sei sexistisch, elitär und exklusiv.
Uta Zech vom Verband „Business and Professional Women (BPW) Germany“ machte darauf aufmerksam, dass Frauen in Kunst und Kultur weniger verdienen als Männer. Sie nannte als Gründe Geschlechterstereotypen (Vorurteile gegenüber Geschlechtern), wenige Frauen in Entscheidungspositionen sowie die Schwierigkeit Familie und Beruf zu verbinden. Besonders eindrücklich ist eine Studie, die Zech zitierte: Gleichwertige Bilder wurden höher bewertet, wenn männliche Urheber genannt wurden obgleich diese computergenerierten Bildern waren.
Die Komponistin Vanessa Donelly berichtete von ihren persönlichen Konflikten zwischen künstlerischem Engagement und familiären Pflichten, hob jedoch auch positive Entwicklungen speziell in der Filmbranche hervor.
Alle Expertinnen forderten abschließend gezielte Förderprogramme und Wiedereinstiegshilfen nach einer Familienphase als notwendige Maßnahmen der Kulturpolitik, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Kulturbereich substantiell zu verbessern.
Hintergründe: Warum strukturelle Reformen in Kunst und Kultur dringend notwendig sind
Die strukturelle Benachteiligung von Künstlerinnen ist ein zentrales gesellschaftliches Problem, das weit über die Kulturbranche hinausreicht. Sie wurzelt in jahrzehntelang verfestigten Mustern, die Frauen in der Kunstproduktion und -förderung systematisch benachteiligen. Diese Ungleichheit beeinflusst nicht nur die individuelle Karriereentwicklung, sondern hat auch erhebliche wirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen. Künstlerinnen erhalten häufig weniger Anerkennung, niedrigere Honorare und schlechtere Zugangsmöglichkeiten zu Förderprogrammen und Netzwerken. Dadurch bleibt ein großer Teil künstlerischen Potenzials ungenutzt, was die Vielfalt in Kunst und Kultur einschränkt und den gesellschaftlichen Diskurs verarmt.
Was muss die Politik jetzt tun?
Die Forderung nach strukturellen Reformen zielt darauf ab, langfristige Veränderungen in den Rahmenbedingungen der Kulturförderung und -institutionen zu bewirken. Politische Entscheidungsträgerinnen und -träger stehen in der Verantwortung, Barrieren abzubauen und gleichberechtigte Teilhabe sicherzustellen. Dazu gehören etwa:
- Die transparente und geschlechtergerechte Verteilung von Fördermitteln
- Die Einrichtung verbindlicher Quoten und Gleichstellungspläne in kulturellen Institutionen
- Die Förderung von Netzwerken und Mentoring-Programmen speziell für Künstlerinnen
- Die Stärkung von Forschung und Datenerhebung zur genderbezogenen Situation in der Kulturszene
Nur durch konsequente gesetzgeberische und administrative Maßnahmen kann eine nachhaltige Verbesserung erreicht werden, die der Vielfalt in der Kunst gerecht wird.
Blick nach vorn: Wie sieht echte Gleichstellung aus?
Echte Gleichstellung in der Kunst bedeutet, dass Künstlerinnen und Künstler unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder sozialem Status die gleichen Chancen auf Sichtbarkeit, Finanzierung und Anerkennung erhalten. In einem solchen Umfeld können vielfältige Perspektiven und Ausdrucksformen wachsen, die das kulturelle Leben bereichern und gesellschaftliche Entwicklungen reflektieren. Dies erfordert nicht nur politische Initiativen, sondern auch eine veränderte Wahrnehmung und Haltung innerhalb von Kulturinstitutionen, Verlagen und beim Publikum.
Strukturelle Reformen sind daher nicht nur ein Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit, sondern zugleich ein Motor für Innovation und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen zeigt den Weg zu einem inklusiveren Kunstbetrieb, der das gesamte kreative Potenzial entfaltet und die Kulturbranche zukunftsfähig macht.
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Deutscher Bundestag – Schwierigkeiten von Kulturschaffenden mit Familie