– VdK-Präsidentin kritisiert kurzfristige Ad-hoc-Lösungen für GKV-Finanzierung
– Sie fordert ein nachhaltiges Finanzkonzept zur Stabilisierung der Beiträge
– Ausbau zu einer solidarischen Krankenversicherung ohne Flucht in Privatversicherungen
VdK-Präsidentin Bentele fordert nachhaltige Finanzierung der Krankenkassen
Die Bundesregierung plant mit Ausgabenbegrenzungen bei Krankenhäusern erneute Beitragserhöhungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verhindern. Der Sozialverband VdK hält diese Vorschläge für unzureichend und kritisiert das Fehlen eines nachhaltigen Finanzkonzepts.
Mit über 2,3 Millionen Mitgliedern (Stand: 2025, Pressemitteilung 3.11.2025)* ist der VdK die größte sozialpolitische Interessenvertretung Deutschlands. Der Verband blickt 2025 auf 75 Jahre Engagement für soziale Gerechtigkeit und solidarisches Miteinander zurück.
VdK-Präsidentin Verena Bentele äußert sich in der Pressemitteilung vom 3. November 2025 deutlich: „Die von der Regierung vorgeschlagenen Änderungen sind nicht nachhaltig. Trotz der angekündigten Ausgabenbegrenzungen gehen die Krankenkassen von einer weiteren Beitragssteigerung aus, Zusatzbeiträge von über drei Prozent könnten die Regel sein.“
Sie bemängelt fehlende langfristige Lösungen: „Der Bundesregierung fehlt ein nachhaltiges Konzept zur Stabilisierung der Beiträge. Kurzfristige Ad-hoc-Lösungen dürfen nicht die Regel werden. Auch dieses Mal hat die Regierung es verschlafen, notwendige Maßnahmen abzustimmen: Die Steuerzuschüsse müssen angehoben, die Ausgaben für Leistungserbringer auf dem aktuellen Niveau in Form eines Ausgabenmoratoriums eingefroren werden.“
Ihre Forderung zielt auf eine grundlegende Reform: „Die gesetzliche Krankenversicherung muss zu einer echten solidarischen Krankenversicherung ausgebaut werden, ohne die Flucht von Spitzenverdienern in die private Krankenversicherung zu begünstigen. Nur so kann sie dauerhaft ein wirtschaftlich tragfähiges Fundament erhalten.“
Chronische Finanzprobleme: Warum die GKV seit Jahren in der Defizitspirale steckt
Die aktuelle Diskussion um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist kein überraschendes Phänomen. Vielmehr setzt sie eine lange Reihe von Warnungen und ungelösten strukturellen Problemen fort. Bereits im Oktober 2022 kritisierten Experten einseitige Ad-hoc-Steuerzuschüsse und Reserveauflösungen als unzureichende Antwort auf die finanziellen Herausforderungen.
Historische Kritik an Ad-hoc-Lösungen
Die wiederkehrende Debatte um kurzfristige Finanzspritzen zeigt ein grundlegendes Muster: Statt nachhaltiger Strukturreformen dominieren oft temporäre Maßnahmen die Gesundheitspolitik. Diese Herangehensweise hat sich als untauglich erwiesen, die langfristige Stabilität der Krankenkassen zu gewährleisten. Die Kritik an dieser Praxis zieht sich wie ein roter Faden durch die vergangenen Jahre und findet in der aktuellen Situation erneut Bestätigung.
Finanzlage und Prognosen
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen liegt seit 2017 unverändert bei 14,5 Milliarden Euro (Stand: Oktober 2025). Diese Stagnation steht in krassem Gegensatz zur dynamischen Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Laut Prognosen für 2025 erwarten die Krankenkassen Ausgaben von 341 Milliarden Euro bei Einnahmen von nur 295 Milliarden Euro (Stand: Oktober 2025).
Die Deloitte-Prognose vom Oktober 2025 zeichnet ein noch düstereres Bild: Für 2026 prognostizieren die Experten einen Fehlbetrag von 56 Milliarden Euro, der bis 2030 auf 87 Milliarden Euro ansteigen könnte. Noch dramatischer fällt die Langfristprognose aus: Ohne grundlegende Reformen könnte der Beitragssatz bis 2050 auf 28,7 Prozent klettern.
| Jahr | Kennzahl | Wert | Einheit | Quelle/Stand |
|---|---|---|---|---|
| 2017-2025 | Bundeszuschuss versicherungsfremde Leistungen | 14,5 | Milliarden Euro | Stand: Oktober 2025* |
| 2025 | Prognostizierte Ausgaben | 341 | Milliarden Euro | Stand: Oktober 2025* |
| 2025 | Prognostizierte Einnahmen | 295 | Milliarden Euro | Stand: Oktober 2025* |
| 2026 | Prognostizierter Fehlbetrag | 56 | Milliarden Euro | Deloitte, Stand: Oktober 2025* |
| 2030 | Prognostizierter Fehlbetrag | 87 | Milliarden Euro | Deloitte, Stand: Oktober 2025* |
| 2050 | Möglicher Beitragssatz ohne Reformen | 28,7 | Prozent | Deloitte, Stand: Oktober 2025* |
Diese Entwicklung unterstreicht die Dringlichkeit nachhaltiger Lösungen. Die wiederholten Appelle von Fachleuten und Verbänden zeigen: Die strukturelle Unterfinanzierung der GKV ist kein kurzfristiges Phänomen, sondern ein tief verwurzeltes Problem, das systematische Reformen erfordert.
Was steigende Zusatzbeiträge für Versicherte bedeuten
Die Diskussion um die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung bleibt keine abstrakte Debatte unter Politikern. Sie hat konkrete Auswirkungen auf den Geldbeutel und die Gesundheitsversorgung von Millionen Menschen. Während die Bundesregierung mit kurzfristigen Maßnahmen wie Ausgabenbegrenzungen bei Krankenhäusern Beitragserhöhungen verhindern will, zeichnen sich bereits jetzt spürbare Folgen für verschiedene Bevölkerungsgruppen ab.
Für Rentner mit schmaler Rente können schon geringfügige Erhöhungen der Zusatzbeiträge existenzbedrohend wirken. Sie haben kaum Möglichkeiten, ihre Einnahmen anzupassen, wenn die monatlichen Abzüge steigen. Ähnlich betroffen sind Geringverdiener, bei denen jeder zusätzliche Euro von knappen Budgets für Lebensmittel oder Energie abgeht. Selbst für durchschnittlich verdienende Angestellte summieren sich höhere Zusatzbeiträge über die Jahre zu spürbaren Einbußen in der Haushaltskasse.
Flucht in die PKV als Risiko
Verena Bentele warnt vor der „Flucht von Spitzenverdienern in die private Krankenversicherung“ – eine Entwicklung, die das Solidarsystem zusätzlich unter Druck setzt.*
Tatsächlich wechseln viele Besserverdiener in die private Krankenversicherung (Stand: 2024). Dieser Trend hat schwerwiegende Konsequenzen: Die gesetzliche Krankenversicherung verliert genau jene Beitragszahler, die durch ihre höheren Einkommen das System stabilisieren.
Die kurzfristigen Folgen für Versicherte lassen sich in drei Punkten zusammenfassen:
- Höhere Zusatzbeiträge belasten Arbeitnehmer und Rentner*
- Zunehmender Unterschied in Absicherung, wenn Spitzenverdiener in PKV wechseln*
- Druck auf Leistungsumfang und Wartelisten im Solidarsystem*
Internationale Vergleiche
Andere europäische Länder zeigen alternative Wege auf, ihre Krankenversicherungssysteme zu stabilisieren. In mehreren EU-Staaten wurden Bundeszuschüsse dynamisiert und die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 7 Prozent gesenkt (Stand: 2024)*. Diese Maßnahmen entlasten Versicherte direkt, indem sie die Finanzierungsbasis verbreitern ohne die Beitragslast einseitig zu erhöhen.
Die aktuelle Entwicklung gefährdet langfristig den solidarischen Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung. Wenn sich der Kreis der Beitragszahler verkleinert, während die Kosten steigen, droht eine Abwärtsspirale: Höhere Beiträge führen zu mehr Wechselwilligen, was wiederum die Beiträge für die Verbleibenden weiter erhöht.* Für Versicherte bedeutet dies nicht nur finanziellen Druck, sondern auch längere Wartezeiten auf Behandlungstermine und mögliche Einschnitte beim Leistungskatalog.
Wege aus der Finanzierungskrise
Die aktuelle Diskussion um die GKV-Finanzierung zeigt deutlich, dass kurzfristige Maßnahmen allein nicht ausreichen werden. Die von der Bundesregierung geplanten Ausgabenbegrenzungen bei Krankenhäusern könnten sich als unzureichend erweisen, um Beitragssteigerungen nachhaltig zu verhindern.*
Der Sozialverband VdK fordert deshalb ein umfassendes Finanzierungskonzept, das über Ad-hoc-Lösungen hinausgeht. Zentrale Elemente müssten die Erhöhung der Steuerzuschüsse und ein Ausgabenmoratorium für Leistungserbringer umfassen.* Gleichzeitig gilt es, die gesetzliche Krankenversicherung als echte solidarische Krankenversicherung zu stärken, ohne den Wechsel von Spitzenverdienern in die private Krankenversicherung zu begünstigen.
Für eine zukunftssichere Gesundheitsversorgung braucht es transparente Debatten und ein nachhaltiges Finanzierungskonzept, das die Sozialsysteme langfristig stabilisiert.*
Der nachfolgende Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Sozialverbands VdK Deutschland.
Weiterführende Quellen:
- „Bereits im Oktober 2022 wurde kritisiert, dass die Finanzierungslücken der GKV einseitig kurzfristig durch Ad-hoc-Steuerzuschüsse und Reserveauflösungen gedeckt werden, statt nachhaltige Strukturreformen umzusetzen.“ – Quelle: https://www.gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/pressemitteilungen_und_statements/pressemitteilung_1467648.jsp
- „Im Oktober 2023 wurde das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Experten und Verbänden als kurzfristig kritisiert, mit Forderungen nach regulärer Dynamisierung der Bundeszuschüsse und mehr solidarischen Elementen.“ – Quelle: https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/sachverstaendige-kritisieren-gkv-finanzstabilisierungsgesetz
- „Der Schätzerkreis der GKV prognostiziert für 2026 einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 2,9 Prozent.“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/krankenkassen-experten-rechnen-vor-wie-sich-47-milliarden-euro-sparen-liessen/100170265.html
- „Seit 2017 liegt der Bundeszuschuss für versicherungsfremde Leistungen zur GKV unverändert bei 14,5 Milliarden Euro, mit Forderungen nach einer dauerhaften und kostendeckenden Übernahme durch den Bund (Stand: Oktober 2025).“ – Quelle: https://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2025/bundeshaushalt-2025-darlehen-finanzierungsprobleme.html
- „Eine Deloitte-Prognose aus dem Oktober 2025 stellt für 2026 einen Fehlbetrag der GKV von 56 Milliarden Euro in Aussicht, der bis 2030 auf 87 Milliarden Euro steigen könnte, und warnt vor einem Beitragssatz von bis zu 28,7 Prozent im Jahr 2050 ohne umfassende Strukturreformen.“ – Quelle: https://www.deloitte.com/de/de/about/press-room/nachhaltige-finanzierung-der-gesetzlichen-krankenkassen-langfristig-kaum-moeglich.html
- „Für 2025 werden Ausgaben von 341 Milliarden Euro und Einnahmen von 295 Milliarden Euro prognostiziert, was die Defizitlage der GKV verdeutlicht (Stand: Oktober 2025).“ – Quelle: https://www.ikkev.de/presse/meldungen-aus-den-ikken/details/gkv-in-der-defizitspirale-was-muss-jetzt-dringend-passieren/
- „In europäischen Nachbarländern wird der Bundeszuschuss zur Krankenversicherung dynamisiert, und beispielsweise die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel wurde in mehreren EU-Ländern auf 7 Prozent gesenkt (Stand: 2024).“ – Quelle: https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2024/heft/9/beitrag/suche-nach-einer-stabilen-verlaesslichen-und-solidarischen-finanzierung-der-gesetzlichen-krankenversicherung.html
- „Der Anteil der PKV-Versicherten ist weiterhin stark an die Einkommenshöhe gekoppelt, mit überproportionalem Wechsel von Spitzenverdienern in die private Krankenversicherung (Stand: 2024).“ – Quelle: https://www.pkv.de/wissen/private-krankenversicherung/nachhaltige-finanzierung/
9 Antworten
‚Solidarische Krankenversicherung‘ klingt gut und wichtig! Aber wie können wir sicherstellen, dass sie auch wirklich solidarisch bleibt? Vielleicht sollten wir überlegen, welche Anreize es gibt für Spitzenverdiener in der GKV zu bleiben.
Das finde ich auch spannend! Wenn mehr Leute bei der GKV bleiben wollen würden wäre das ein gutes Zeichen für unser Gesundheitssystem.
‚Ad-hoc-Lösungen‘ sind einfach keine Lösung für ein so großes Problem wie die GKV-Finanzierung. Ich stimme Frau Bentele zu: Wir brauchen ein durchdachtes Konzept! Was haltet ihr von einer Erhöhung der Steuerzuschüsse als Teil der Lösung?
‚Steuerzuschüsse‘ könnten tatsächlich helfen! Wir sollten aber auch sicherstellen, dass die Gelder effizient genutzt werden und nicht in bürokratischen Strukturen versickern.
Die aktuellen Zahlen zur GKV sind alarmierend. Es ist wichtig, dass wir über diese Themen diskutieren und Lösungen finden! Wie können wir verhindern, dass immer mehr Menschen in die PKV wechseln? Vielleicht sollten wir mehr über alternative Finanzierungsmodelle nachdenken.
Das sind gute Punkte! Es wäre hilfreich zu erfahren, wie andere europäische Länder damit umgehen und ob diese Modelle auch für uns funktionieren könnten.
Die Kritik an den kurzfristigen Lösungen ist berechtigt! Ich finde es gut, dass der VdK darauf hinweist, dass wir langfristige Maßnahmen brauchen. Gibt es Beispiele aus anderen Ländern, die erfolgreich waren? Das wäre interessant zu wissen.
Ich finde die Argumente von Frau Bentele sehr wichtig. Es ist entscheidend, dass wir eine nachhaltige Lösung für die GKV-Finanzierung finden. Was könnte eine solche Reform konkret beinhalten? Ich denke, dass wir mehr über die finanziellen Auswirkungen auf Rentner nachdenken sollten.
Ja, das Thema betrifft viele von uns. Eine solide Finanzierung ist wirklich notwendig, um auch in Zukunft gut versorgt zu sein. Welche konkreten Schritte könnten wir als Gesellschaft unternehmen, um diese Änderungen voranzutreiben?