Bremen (VBR). Berlin – Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Kinderhilfswerk hat offenbart, dass Deutschland bei der Umsetzung einer kindgerechten Justiz noch erheblichen Nachholbedarf hat. Im Fokus der Erhebung stand die Unterstützung von Kindern als Zeugen und Verletzte in strafgerichtlichen Verfahren, wobei erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern festgestellt wurden.
„Es fehlt an einer flächendeckenden und systematischen Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in der Praxis“, betonte Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Zu oft entscheidet das Engagement einzelner Gerichtsbezirke oder Fachkräfte darüber, ob Kinder vor, während und nach einem Gerichtsverfahren adäquat betreut werden.
Besondere Mängel zeigte die Untersuchung bei der Vermittlung von Informationen. Viele Landesjustizverwaltungen wissen nicht, ob und wie kinderfreundliche Informationen zu Gerichtsverfahren bereitgestellt werden und wer hierfür verantwortlich ist. „Bedenklich ist auch, dass es keine barrierefreien Informationsmaterialien für Kinder mit Beeinträchtigungen gibt“, so Rudolf weiter.
Ein dringender Handlungsbedarf besteht zudem bei der psychosozialen Prozessbegleitung von Kindern. Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes, fordert daher eine Anpassung der Strafprozessordnung durch den Bund. Diese soll ermöglichen, dass minderjährige Opfer schnell und unbürokratisch ohne gesonderte Antragstellung unterstützt werden können.
Darüber hinaus sollte die Vernehmung von minderjährigen Zeugen mittels Videoaufzeichnungen ermöglicht werden sowie Vernehmungsräume entsprechend kindgerecht ausgestattet sein. „Hier sind bundesweite Mindeststandards nötig“, betonte Lütkes. „Es muss sichergestellt sein, dass ausschließlich qualifizierte Personen an der Vernehmung von Kindern beteiligt werden.“
Ein weiteres zentrales Problem, das die Studie aufdeckt, ist das Fehlen ausreichender Daten und Forschung zur Evaluation der internationalen Verpflichtungen Deutschlands. Um eine langfristige und bedarfsgerechte Ausgestaltung der Justiz sicherzustellen, regt Institutsdirektorin Rudolf regelmäßige Erhebungen im Sinne eines Kinderrechte-Monitorings an. Nur so können bestehende Gesetze evaluiert und angepasst werden. Gleichzeitig ist eine umfassende Forschung notwendig, um sowohl die Sichtweisen der Fachkräfte als auch der betroffenen Kinder hinsichtlich ihrer Erfahrungen in Gerichtsverfahren zu erfassen.
Mit der Publikation „Kindgerechte Justiz in der strafgerichtlichen Praxis“ wollen das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Deutsche Kinderhilfswerk Impulse geben, wie kinderrechtskonforme Verfahren bundesweit verbessert werden können. Diese quantitative Analyse ist Teil eines größeren Projekts, das auch die Befragung von Fachkräften einbezieht. Die Gesamtergebnisse sollen zum Jahresende veröffentlicht werden.
Seit Jahren arbeiten beide Institutionen daran, die Kinderrechte im deutschen Justizsystem zu stärken und Kindern einen besseren Zugang zum Recht zu ermöglichen. Bereits 2021 hatten sie im Rahmen eines Pilotprojekts kinderrechtsbasierte Kriterien für familiengerichtliche Verfahren entwickelt, die nun als Grundlage für einen Praxisleitfaden des Nationalen Rates für das familiengerichtliche Verfahren dienen.
Zusammenfassend verdeutlicht die Studie, dass es strukturelle Herausforderungen gibt, die angegangen werden müssen, um eine wirklich kindgerechte Justiz in Deutschland zu etablieren. Es liegt nun an Bund und Ländern, diese Erkenntnisse aufzugreifen und systematisch umzusetzen.
Für weitere Informationen stehen detaillierte Analysen und spezifische Leitfäden zur Verfügung:
– Analyse: Kindgerechte Justiz in der strafgerichtlichen Praxis.
– Themenseiten zur kindgerechten Justiz beim Deutschen Kinderhilfswerk und beim Deutschen Institut für Menschenrechte.
– Praxisleitfaden zur Anwendung kinderrechtsbasierter Kriterien für das familiengerichtliche Verfahren.
Interessierte können sich bei Fragen gerne an Bettina Hildebrand, Pressesprecherin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, wenden. Kontaktinformationen sind auf der Webseite des Instituts verfügbar.
Für weitere Informationen, Pressekontakte, Bilder oder Dokumente geht es hier zur Quelle mit dem Originaltitel:
Neue Studie: Wie kindgerecht ist die strafgerichtliche Praxis in Deutschland?
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Zitierte Personen und Organisationen
- Deutsches Institut für Menschenrechte
- Deutsches Kinderhilfswerk
- UN-Kinderrechtskonvention
- Europarat
- Beate Rudolf (Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte)
- Anne Lütkes (Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes)
- Nationaler Rat für das familiengerichtliche Verfahren
- Bettina Hildebrand (Pressesprecherin)
- news aktuell
Themenseiten und Links:
- https://www.nationaler-rat.de/de/ergebnisse
- www.institut-fuer-menschenrechte.de
Meldung einfach erklärt
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Was ist passiert?
- Am 26. Juni 2024 hat das Deutsche Institut für Menschenrechte eine neue Studie veröffentlicht.
- Diese Studie untersucht, wie gut Gerichtsverfahren in Deutschland den Rechten von Kindern entsprechen.
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Wer hat die Studie gemacht?
- Die Studie wurde vom Deutschen Institut für Menschenrechte und dem Deutschen Kinderhilfswerk durchgeführt.
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Worum geht es in der Studie?
- Die Studie prüft, ob Gerichte nach den Regeln der UN-Kinderrechtskonvention arbeiten.
- Sie untersucht auch, wie Kinder als Zeugen und Verletzte im Gericht unterstützt werden.
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Welche Methode wurde genutzt?
- Alle 16 Landesjustizverwaltungen in Deutschland wurden mit einem Online-Fragebogen befragt.
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Was hat die Studie herausgefunden?
- Die Umsetzung kindgerechter Justiz variiert stark zwischen den Bundesländern.
- Es gibt keine einheitliche Anwendung der UN-Kinderrechtskonvention in der Praxis.
- Oft hängt die Unterstützung von Kindern vom Engagement einzelner Gerichtsbezirke ab.
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Wo gibt es Verbesserungsbedarf?
- Bei der Bereitstellung von Informationen für Kinder: Viele Verwaltungen wissen nicht, wer kinderfreundliche Informationen bereitstellt oder ob es diese überhaupt gibt.
- Barrierefreie Materialien für Kinder mit Beeinträchtigungen fehlen komplett.
- Die psychosoziale Prozessbegleitung für Kinder sollte professioneller und umfassender gestaltet werden.
- Minderjährige Zeugen sollten per Videoaufzeichnung verhört werden können, dafür braucht es geeignete Räume und Standards.
- Nur qualifizierte Personen sollten an Vernehmungen von Kindern beteiligt sein.
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Was wird empfohlen?
- Der Bund sollte die Strafprozessordnung ändern, damit Kinder schnelle und einfache Unterstützung erhalten.
- Bundesweite Mindeststandards für vernehmungsgeeignete Räume sind wichtig.
- Regelmäßige Erhebungen durch Bund oder Länder wären sinnvoll, um die Gesetze zu bewerten und die kindgerechte Justiz langfristig zu verbessern.
- Forschung sollte auch Fachkräfte und Kinder selbst befragen, um ihre Erfahrungen besser zu verstehen.
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Was bringt die Veröffentlichung der Studie?
- Sie soll Impulse geben, wie Gerichtsverfahren kinderfreundlicher gemacht werden können.
- Diese Analyse ist Teil eines größeren Projekts, dessen Gesamtergebnisse Ende des Jahres veröffentlicht werden sollen.
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Seit wann arbeiten die Institutionen an diesem Thema?
- Das Deutsche Institut für Menschenrechte und das Deutsche Kinderhilfswerk setzen sich seit vielen Jahren für bessere Kinderrechte im Justizsystem ein.
- 2021 entwickelten sie Kriterien für familiengerichtliche Verfahren, die für einen Leitfaden genutzt werden.
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Wo kann ich mehr erfahren?
- Weitere Informationen gibt es auf den Themenseiten "Kindgerechte Justiz" der beiden Organisationen.
- Ein Praxisleitfaden zur Anwendung kindgerechter Kriterien ist ebenfalls online verfügbar unter https://www.nationaler-rat.de/de/ergebnisse.
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Wen kann ich bei Fragen kontaktieren?
- Bettina Hildebrand ist die Pressesprecherin des Deutschen Instituts für Menschenrechte.
- Kontakt: Telefon 030 259 359 – 13, E-Mail: hildebrand@institut-fuer-menschenrechte.de
- Wo finde ich das Deutsche Institut für Menschenrechte online?
- Webseite: www.institut-fuer-menschenrechte.de
- Sie sind auch auf Bluesky, LinkedIn, Mastodon und YouTube zu finden.
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