BVMed warnt vor Doppelregulierung: Warum KI-Gesetzgebung und MDR in Einklang gebracht werden müssen

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) fordert von EU und nationalem Gesetzgeber, Doppelregulierungen bei KI-Medizinprodukten zu vermeiden. Ziel ist, die bestehenden Strukturen der Medizinprodukte-Verordnung (MDR) zu nutzen, um Verzögerungen für Patient:innen und Hersteller zu verhindern. Der Verband vertritt über 300 Unternehmen einer Branche mit 212.100 Beschäftigten und einem Gesamtumsatz von über 41 Milliarden Euro.
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Inhaltsübersicht

– BVMed lehnt Doppelregulierungen zwischen KI-Gesetzgebung und Medizinprodukte-Verordnung ab
– Bestehende MDR-Strukturen sollen für KI-Medizinprodukte zuständig sein
– Ziel ist Vermeidung von Doppelprüfungen und Sicherstellung des Patientenzugangs

Medizintechnik-Branche warnt vor Doppelregulierungen durch KI-Gesetzgebung

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hat sich mit zwei Stellungnahmen an EU-Kommission und nationalen Gesetzgeber gewandt, um Doppelregulierungen zwischen der geplanten KI-Gesetzgebung und der bestehenden Medizinprodukte-Verordnung (MDR) zu verhindern. Der Verband fordert eine klare Abstimmung der neuen KI-Regulierung mit dem etablierten MDR-System, um Verzögerungen beim Zugang zu innovativen Medizinprodukten für Patientinnen und Patienten zu vermeiden.

BVMed-Geschäftsführer Dr. Marc-Pierre Möll betont: „Ziel muss es sein, Doppelprüfungen zu vermeiden und den MedTech-Zugang für Patient:innen zu gewährleisten.“ In der Stellungnahme zum nationalen „Gesetz zur Durchführung der KI-Verordnung“ warnt der Verband vor unklaren Zuständigkeiten: „Es besteht dabei die dringende Notwendigkeit, dass dieses Vorgehen sauber und zweifelsfrei im Gesetz zur Durchführung der KI-Verordnung abgebildet wird, sodass in der praktischen Umsetzung keine offenen Fragen der Zuständigkeit bleiben, wodurch es zu Verzögerungen oder Doppelstrukturen kommen könnte.“

Branchenkennzahlen Medizintechnik

Kennzahl Wert Einheit Quelle/Stand
Benannte Stellen unter MDR 51 Stellen Pressemitteilung BVMed, 21.10.2025*
BVMed-Mitglieder über 300 Hersteller und Zulieferer Pressemitteilung BVMed, 21.10.2025*
Beschäftigte 212.100 Personen GGR WifOR, 2024*
Bruttowertschöpfung 19,7 Milliarden Euro GGR WifOR, 2024*
Medizintechnik-Hersteller (>20 Beschäftigte) 1.510 Unternehmen Wirtschaftsstatistik, 2024*
Gesamtumsatz (mit Kleinstunternehmen) 55 Milliarden Euro Wirtschaftsstatistik, 2024*
Auslandsgeschäftsanteil 68 Prozent Wirtschaftsstatistik, 2024*
F&E-Investitionen rund 9 Prozent des Umsatzes Wirtschaftsstatistik, 2024*
KMU-Anteil 93 Prozent Wirtschaftsstatistik, 2024*

Der BVMed argumentiert, dass die bestehenden Strukturen der MDR ausreichen: „Ein eigenes KI-Notifizierungsverfahren ist für Medizinprodukte nicht erforderlich, da wir in unserer Branche bereits seit Jahrzehnten über ein entsprechendes System verfügen.“ Aktuell sind 51 Benannte Stellen für die Konformitätsbewertung von Medizinprodukten in Europa notifiziert (Stand: 21.10.2025, Pressemitteilung BVMed)*.

Warum die Regulierungsfrage komplex ist

Die regulatorische Landschaft für KI-gestützte Medizinprodukte gleicht einem Puzzle mit Teilen aus verschiedenen Sets. Während die Medizinprodukte-Verordnung (MDR) bereits ein umfassendes Regelwerk für Sicherheit und Leistungsfähigkeit medizinischer Geräte etabliert hat, kommt mit der KI-Verordnung eine neue, horizontale Regulierung hinzu – und genau hier beginnen die Herausforderungen.

Schnittstellen MDR ↔ KI-VO

Bereits im Juli 2024 verdeutlichte die Rechtsanalyse von Osborne Clarke die grundlegende Wechselwirkung: „Für KI-Medizinprodukte, die eine Konformitätsbewertung nach MDR erfordern, muss künftig auch die KI-Verordnung eingehalten werden; Benannte Stellen bauen gezielt KI-Kompetenz auf, um beide Regelwerke abdecken zu können.“ (Stand: Juli 2024) Diese doppelte Regulierungsanforderung stellt Hersteller und Prüfstellen vor erhebliche praktische Hürden.

Die Komplexität zeigt sich besonders bei der Risikobewertung. Ein KI-System kann nach der KI-Verordnung als Hochrisiko-Anwendung eingestuft werden, während das gleiche System in der MDR-Klassifizierung eine niedrigere Risikoklasse erhält – oder umgekehrt. Diese unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe führen zu regulatorischen Inkonsistenzen, die Planungssicherheit erschweren.

Eine Studie vom Oktober 2024 bestätigt diese Problematik: „Die Harmonisierung der regulatorischen Vorgaben bei KI-Medizinprodukten ist herausfordernd, da Risikoklassifizierungen zwischen AIA und MDR/IVDR unterschiedlich sind, und es weiterhin offene Fragen bei niedrigsten Risikoklassen und selbstlernenden KI-Systemen gibt.“ (Stand: Oktober 2024) Besonders bei adaptiven Systemen, die sich während des Betriebs weiterentwickeln, fehlen klare Vorgaben zur laufenden Konformitätsbewertung.

Die Benannten Stellen stehen vor der Aufgabe, gleichzeitig zwei unterschiedliche regulatorische Ansätze zu beherrschen. Zwar verfügen fast alle der 51 unter MDR notifizierten Stellen über Erfahrung mit Software-Prüfcodes, doch die spezifischen Anforderungen der KI-Verordnung erfordern zusätzliche Expertise.

Aktuelle Untersuchungen von acatech zeigen die praktischen Konsequenzen: „Nach Einführung der MDR mussten Benannte Stellen ein Neubenennungsverfahren durchlaufen, das bis zu zwei Jahre dauerte; die Übertragung der KI-Konformitätsbewertung auf diese Stellen ist vorgesehen, wobei unklar ist, ob alle Benannten Stellen die erweiterten Aufgaben übernehmen.“ (Stand: Januar 2025)

Gleichzeitig gibt es Lichtblicke in der Regulierungspraxis: „Für hochriskante KI-Medizinprodukte kann eine bereits nach MDR notifizierte Stelle das Konformitätsbewertungsverfahren durchführen, sofern spezielle Anforderungen an Unabhängigkeit und KI-Expertise erfüllt sind; die Nachweisführung der KI-Kompetenz ist noch nicht abschließend geregelt.“ (Stand: Januar 2025) Genau diese letzte Unschärfe – der konkrete Nachweis von KI-Expertise – bleibt eine der größten offenen Fragen im regulatorischen Geflecht.

Die Branche bewegt sich damit in einem Spannungsfeld: Einerseits sollen etablierte Strukturen genutzt werden, andererseits erfordern KI-spezifische Risiken neue Kompetenzen und Bewertungsmethoden. Diese Gratwanderung zwischen Effizienz und Patientensicherheit macht die Regulierungsfrage so komplex – und so dringlich.

Welche Folgen drohen für Versorgung und Hersteller

Risiko: Verzögerte Marktzulassung

Nach der Einführung der MDR mussten Benannte Stellen ein Neubenennungsverfahren durchlaufen, das bis zu zwei Jahre dauerte (acatech, Stand: Januar 2025). Die geplante Übertragung der KI-Konformitätsbewertung auf diese Stellen wirft die Frage auf, ob alle Benannten Stellen die erweiterten Aufgaben übernehmen können.

Wer ist betroffen?

Von den regulatorischen Herausforderungen sind mehrere Akteursgruppen betroffen: Hersteller medizinischer KI-Produkte stehen vor zusätzlichen Compliance-Anforderungen, während Benannte Stellen ihre Kapazitäten für erweiterte Prüfverfahren ausbauen müssen. Importeure und Händler medizinischer KI-Produkte werden durch die KI-VO verpflichtet, die Einhaltung der Vorschriften durch Anbieter zu prüfen (Osborne Clarke, Stand: Juli 2024). Auch Aufsichtsbehörden sehen sich mit komplexen Kompetenzfragen konfrontiert.

Folgende Kernfragen bleiben derzeit noch ungeklärt:

  • Wer weist KI-Kompetenz bei Benannten Stellen nach? (acatech, Stand: Januar 2025)
  • Wie werden Risikoklassen zwischen MDR und KI-VO harmonisiert? (PMC, Stand: Oktober 2024)
  • Welche konkreten Pflichten haben Händler und Importeure? (Osborne Clarke, Stand: Juli 2024)
  • Können alle Benannten Stellen die erweiterten KI-Prüfaufgaben übernehmen? (acatech, Stand: Januar 2025)
  • Wie werden selbstlernende KI-Systeme regulatorisch behandelt? (PMC, Stand: Oktober 2024)

    Handlungsbedarf für eine kluge KI-Regulierung

Der Bundesverband Medizintechnologie fordert Rechtssicherheit und pragmatische Lösungen, um Doppelregulierungen zwischen der KI-Verordnung und der Medizinprodukte-Verordnung zu vermeiden. Die aktuelle regulatorische Situation erfordert gezielte politische Weichenstellungen, um Innovationshemmnisse abzubauen und Patient:innen den Zugang zu modernen Medizinprodukten zu sichern.

Fachleute skizzieren konkrete Schritte für eine sinnvolle Umsetzung: Bereits im Juli 2024 wiesen Rechtsexperten darauf hin, dass klare gesetzliche Festlegungen der Zuständigkeiten zwischen MDR und KI-VO essenziell sind*. Bis Oktober 2024 bestätigten wissenschaftliche Analysen die Notwendigkeit verbindlicher Kriterien zur Nachweisführung von KI-Kompetenz bei Benannten Stellen*. Eine aktuelle Studie von acatech unterstreicht im Januar 2025 die Dringlichkeit, zeitnah Übergangs- oder Anerkennungsregelungen zu schaffen, um Verzögerungen bei der Zulassung KI-basierter Medizinprodukte zu vermeiden*.

Kurzfristige politische Entscheidungen werden darüber entscheiden, ob Deutschland und Europa sowohl den Patient:innenschutz als auch die Innovationsfähigkeit der Medizintechnik-Branche wirksam sichern können.

Die nachfolgenden Informationen und Äußerungen stammen aus einer Pressemitteilung des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed).

Weiterführende Quellen:

8 Antworten

  1. Der Austausch zwischen den Institutionen muss gestärkt werden um Missverständnisse zu vermeiden ! Wir brauchen pragmatische Ansätze für eine effiziente Umsetzung ! Wer sieht das ähnlich ?

  2. „Ich bin besorgt über mögliche Verzögerungen bei der Marktzulassung von Medizinprodukten! Das könnte viele Patienten betreffen! Was sind eure Gedanken dazu? Haben wir genügend Alternativen?“

  3. Es ist beruhigend zu hören, dass BVMed auf die Bedürfnisse der Patienten eingeht. Dennoch müssen wir darauf achten, dass nicht nur Bürokratie entsteht. Gibt es Vorschläge für eine schnellere Umsetzung der erforderlichen Regelungen?

    1. Ich denke auch, dass die Zeit nach Einführung der MDR zeigt, wie lange solche Prozesse dauern können. Wir sollten dringend Lösungen finden! Was haltet ihr von den aktuellen Studien dazu?

    2. „Die Herausforderung bei selbstlernenden KI-Systemen ist erheblich! Es wäre hilfreich, wenn mehr Klarheit über die regulatorischen Anforderungen geschaffen werden könnte! Wer hat hier Ideen oder Vorschläge?“

  4. Die Regulierung von KI-Medizinprodukten ist wirklich komplex. Ich stimme zu, dass klare Zuständigkeiten notwendig sind, um den Zugang zu verbessern. Wie können wir sicherstellen, dass diese Anforderungen transparent und verständlich sind?

    1. Ich frage mich, ob die bestehenden MDR-Strukturen wirklich ausreichen oder ob wir zusätzliche Maßnahmen brauchen. Die Herausforderung bei der Risikobewertung macht mir Sorgen. Wer hat Erfahrungen mit solchen Prozessen?

  5. Ich finde es wichtig, dass BVMed sich für die Vermeidung von Doppelregulierungen einsetzt. Doppelprüfungen könnten zu unnötigen Verzögerungen führen, die Patienten schaden könnten. Was denkt ihr über die Vorschläge zur Harmonisierung der Anforderungen?

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