– EU-Kommission präsentiert CISAF-Beihilferahmen zur Beschleunigung industrieller Dekarbonisierung.
– BDEW warnt vor marktverzerrenden Industriestrompreisregelungen und schwindenden Anreizen für langfristige Absicherung.
– Mitgliederstaaten dürfen weiterhin Förderungen für Ausbau erneuerbarer Energien gewähren.
Neuer EU-Beihilferahmen CISAF: Chancen und Risiken für den Industriestrompreis
Am 25. Juni 2025 hat die EU-Kommission den neuen Beihilferahmen CISAF vorgestellt, der die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien und die industrielle Dekarbonisierung in Europa beschleunigen soll. Ziel ist es, das Wachstum sauberer Technologien zu sichern und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Europa zu stärken. Besonders im Fokus stehen dabei die geplanten Regelungen zu einem möglichen Industriestrompreis, die von der Branche kritisch bewertet werden.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sieht grundsätzlich positiv, dass die neue EU-Regelung die Beihilfeverfahren vereinfachen und somit die Handlungsfähigkeit der EU verbessern wird. „Grundsätzlich ist es positiv, dass die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegt, der die Beihilfeverfahren beschleunigen soll. Damit wird die Handlungsfähigkeit Europas und die Akzeptanz der EU weiter gestärkt.“ Die Erleichterungen sollen auch den Mitgliedstaaten ermöglichen, den Ausbau erneuerbarer Energien weiter zu fördern, was als wichtiger Schritt für die Energiewende gilt.
Bei der Gestaltung des Industriestrompreises zeigt sich jedoch erheblicher Diskussionsbedarf. Für Deutschland und Europa ist es wichtig, die energieintensive Industrie zu entlasten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich zu sichern. Die geplanten Regelungen des CISAF orientieren sich zwar grob an den bisherigen Plänen der Bundesregierung, doch der BDEW äußert erhebliche Bedenken. „Den jetzt vorliegenden EU-Beihilferahmen bewerten wir allerdings insbesondere mit Blick auf einen möglichen Industriestrompreis als kritisch. Er sieht erhebliche marktbeeinträchtigende Regeln vor, die negative Effekte nach sich ziehen.“
Ein zentrales Problem besteht darin, dass der Rahmen eine umfangreiche Absicherung gegen Preisschwankungen ermöglicht. Das hat zur Folge, dass Unternehmen weniger motiviert sind, sich über langfristige Termingeschäfte am Strommarkt abzusichern. „Damit sinken die Anreize für Unternehmen, sich über Termingeschäfte langfristig am Markt abzusichern, was sich negativ auf die Liquidität und damit auf die Preise für die Marktteilnehmer auswirkt, die nicht zum Kreis der Begünstigten zählen.“ Das beeinträchtigt nicht nur die Marktliquidität, sondern führt auch zu Marktverzerrungen im Großhandel.
Darüber hinaus könnte die Attraktivität sogenannter Green Power Purchase Agreements (Green PPA) sinken. Diese langfristigen Stromlieferverträge aus erneuerbaren Quellen sind für den Ausbau der Erneuerbaren zentral. Eine Abschwächung ihrer Bedeutung kann somit eine Verlangsamung beim Ausbau sauberer Energien bewirken. Wichtig sei daher, „dass bei der Entwicklung einer nationalen Lösung für einen Industriestrompreis in Deutschland neben der Industrie auch die Energiewirtschaft eingebunden wird.“
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft ökologische Gegenleistungen im Rahmen des CISAF. Im Vergleich zu den bisherigen Umwelt-, Klima- und Energiebeihilfeleitlinien (KUEBLL) ist der Spielraum eingeschränkt, was die Praktikabilität des Konzepts für Unternehmen fraglich macht. Die genaue Umsetzung wird zeigen, wie praktikabel das Konzept am Ende wirklich sein kann.
Positiv hervorgehoben wird dagegen die Ausgestaltung der Förderregeln für erneuerbare Energien, die weiterhin eine Unterstützung durch die Mitgliedstaaten ermöglichen. Auch bei den Vorgaben zur schnelleren Genehmigung von Kapazitätsmärkten hat es nur kleine Anpassungen gegeben, etwa bei Vertragslaufzeiten und Zuschlagsverfahren, die der BDEW ausdrücklich begrüßt.
Insgesamt bewegt sich der CISAF-Beihilferahmen zwischen wichtigen Fortschritten für die Energiewende und komplexen Herausforderungen für den Industrie- und Strommarkt. Die Diskussion um den Industriestrompreis zeigt, wie schwierig es ist, ökonomische Wettbewerbsfähigkeit mit geregeltem Marktausgleich in Einklang zu bringen, ohne dabei neue Verzerrungen zu schaffen.
Industriestrompreis – ein Wegweiser für Europas Energie- und Industriemärkte?
Die EU-Kommission plant mit dem sogenannten Industriestrompreis eine Neuerung, die erhebliche Folgen für den Energiemarkt, die Wirtschaft und das Erreichen der Klimaziele haben könnte. Im Rahmen des Clean Industrial Deal soll dieser Preis Teil des neuen EU-Beihilferahmens CISAF werden, mit dem der Ausbau erneuerbarer Energien und die Dekarbonisierung der Industrie vorangetrieben werden sollen. Doch die Debatte um den Industriestrompreis ist kontrovers. Kritiker warnen vor Marktverzerrungen, die die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen begünstigen und zugleich die Rahmenbedingungen für Erneuerbare-Energien-Projekte erschweren könnten.
Warum steht der Industriestrompreis so im Fokus? Energieintensive Industriezweige wie Stahl-, Chemie- oder Aluminiumproduktion sind auf günstigen und stabilen Strom angewiesen. Hohe Stromkosten können ihre Wettbewerbsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Ein pauschal abgesenkter Industriestrompreis soll daher Schutz bieten und Standortnachteile in Europa gegenüber anderen Märkten ausgleichen. Die EU-Kommission will damit den Industriestandort stärken und gleichzeitig die Energiewende beschleunigen – ein schwieriger Balanceakt.
Gefahr der Marktverzerrung und Folgen für Innovation
Ein zentraler Kritikpunkt am geplanten Industriestrompreis lautet, dass er marktbeeinträchtigende Regeln enthalten könne. Laut Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, besteht das Risiko, dass Unternehmen durch die Absicherung der Stromkosten den Anreiz verlieren, sich über Termingeschäfte langfristig am Markt abzusichern. Das könne die Liquidität der Strommärkte verringern und die Preise für andere Marktteilnehmer erhöhen, die keine Preisvergünstigung erhalten.
Außerdem drohe dadurch, dass der Ausbau von Stromlieferverträgen mit Erneuerbaren Energien – sogenannte Green Power Purchase Agreements (Green PPA) – an Attraktivität verliere. Da langfristige Verträge mit erneuerbaren Energien wichtige Treiber der Energiewende sind, könnte eine solche Entwicklung die Investitionen ausbremsen. So wäre nicht nur die Industrie indirekt betroffen, sondern auch die Ziele für den Ausbau sauberer Technologien in Europa.
Nationale Debatten und europäischer Wettbewerb
Die Einführung eines Industriestrompreises führt in Deutschland und anderen EU-Staaten zu intensiven Diskussionen. Während die Bundesregierung ähnliche Pläne verfolgt, fordert der BDEW eine stärkere Einbindung der Energiewirtschaft, damit marktliche Verwerfungen vermieden werden. Der neue EU-Beihilferahmen CISAF ermögliche zwar eine beschleunigte Förderpraxis für erneuerbare Energien, schränke aber die Möglichkeit ein, ökologische Gegenleistungen zu erbringen. Das wirft die Frage auf, wie praktikabel das neue Konzept langfristig für die Industrie sein wird.
Gleichzeitig stellen sich für die EU-Mitgliedstaaten Herausforderungen in der Koordination: Unterschiedliche nationale Industriestrompreise könnten den europäischen Wettbewerb verzerren. Ein einheitlicher Rahmen soll deshalb dafür sorgen, dass Wettbewerbsnachteile und marktliche Schieflagen vermieden werden. Dieses Ziel steht jedoch in Spannung zu den unterschiedlichen wirtschaftlichen und energiepolitischen Interessen der Länder.
Chancen und Risiken des Industriestrompreises auf einen Blick
- Für die Industrie: Stabilere und günstigere Stromkosten können die internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken, gleichzeitig drohen Marktverzerrungen und eine mögliche Abhängigkeit von Beihilfen.
- Für Verbraucher: Indirekte Belastungen durch sinkende Marktliquidität und steigende Preise für nichtbegünstigte Marktteilnehmer sind denkbar.
- Für die Energiewende: Ein Rückgang bei langfristigen Stromlieferverträgen mit erneuerbaren Energien könnte das Erreichen von Ausbauzielen verlangsamen.
- Für den europäischen Binnenmarkt: Unkoordiniertes Vorgehen bei Industriestrompreisen kann Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten fördern.
Die Debatte um den Industriestrompreis zeigt exemplarisch, wie komplex die Balance zwischen wirtschaftlicher Förderung, einem funktionierenden Energiemarkt und dem ökologischen Umbau der Industrie ist. Die nächsten politischen Schritte werden entscheidend sein, um einen fairen und effektiven Rahmen zu schaffen, der Innovation und Klimaschutz gleichermaßen ermöglicht. Dabei darf die Energiewirtschaft nicht nur mitgenommen, sondern aktiv eingebunden werden, um praktikable Lösungen zu gestalten.
Die Informationen und Zitate in diesem Beitrag basieren auf einer Pressemitteilung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.
7 Antworten
‚Marktverzerrung‘ klingt ernst! Ich hoffe, dass die EU darauf achtet und eine Lösung findet, die sowohl den Industriestandort stärkt als auch ökologische Anforderungen erfüllt. Wie sieht es mit den Interessen der einzelnen Mitgliedstaaten aus?
Die Idee des Industriestrompreises könnte große Folgen haben, aber ich frage mich, ob wir nicht auch andere Wege finden sollten. Was denkt ihr über die langfristigen Stromlieferverträge? Sie sind doch wichtig für die Energiewende.
Ich stimme dir zu! Die Green Power Purchase Agreements sind ein wichtiger Teil des Ganzen. Wenn sie weniger attraktiv werden, könnte das unsere Klimaziele gefährden.
Ich finde den Ansatz der EU-Kommission gut, aber ich bin skeptisch bezüglich der Marktverzerrungen. Wie stellt man sicher, dass nicht nur einige Unternehmen profitieren? Gibt es Ideen dazu?
Ich finde es interessant, wie die EU-Kommission mit dem CISAF versucht, die industrielle Dekarbonisierung voranzutreiben. Aber wie soll das konkret umgesetzt werden? Es gibt viele Fragen bezüglich der Umsetzbarkeit und der Auswirkungen auf die Marktverhältnisse.
Ja, das ist wirklich ein spannendes Thema! Ich frage mich, ob die Bedenken des BDEW tatsächlich Gehör finden werden. Welche konkreten Vorschläge habt ihr für eine bessere Ausgestaltung des Industriestrompreises?
Die Balance zwischen Wettbewerb und Umweltschutz scheint wirklich schwierig zu sein. Könnte es nicht auch sinnvoll sein, Anreize für Unternehmen zu schaffen, um in nachhaltige Technologien zu investieren?