– IG Metall-Betriebsräte sehen kaum wirtschaftliche Erholung der Industrie.
– Hohe Energiepreise und fehlende Unternehmensstrategien gefährden Wettbewerbsfähigkeit.
– Nur wenige Betriebe haben nachhaltige Transformationsstrategien für Zukunftsfelder.
Industrie in der Talsohle: Betriebsräte fordern klare Signale
Die deutsche Industrie verharrt in einer wirtschaftlichen Stagnation. Das zeigt die aktuelle Betriebsrätebefragung der IG Metall, die zwischen dem 8. und 26. September 2025 durchgeführt wurde. Die Kurzarbeit bleibt mit 18 Prozent der Betriebe auf hohem Niveau, besonders betroffen sind Maschinenbau und Stahlindustrie.*
Die Industrie bewegt sich aktuell wie auf Kleister Richtung Besserung, kommentiert Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall. Die Beschäftigten brauchen schnelle und unmissverständliche Signale von der Politik, dass die Rahmenbedingungen klarer und besser werden. Elektromobilität hoch, Energiekosten runter. Die Unternehmen müssen raus aus dem Jammertal und umsetzen!
Energiepreise als Wettbewerbsbremse
Die hohen Energiekosten belasten die Wettbewerbsfähigkeit erheblich. 43 Prozent der Betriebe fühlen sich durch die Energiepreise stark bis sehr stark gefährdet. Besonders dramatisch ist die Situation in der Stahlindustrie (82 Prozent), der Metallerzeugung (66 Prozent) und im Fahrzeugbau (59 Prozent). Die US-Zollpolitik verschärft die Lage zusätzlich: 20 Prozent der Unternehmen diskutieren über Produktionsverlagerungen in die USA, 8 Prozent planen dies bereits konkret.
| Jahr/Stand | Branche | Wert | Einheit | Quelle/Stand |
|---|---|---|---|---|
| 2025 | Stahlindustrie | 82 % | Gefährdung durch Energiepreise | IG Metall, Befragung online 8.–26. September 2025* |
| 2025 | Metallerzeugung | 66 % | Gefährdung durch Energiepreise | IG Metall, Befragung online 8.–26. September 2025* |
| 2025 | Fahrzeugbau | 59 % | Gefährdung durch Energiepreise | IG Metall, Befragung online 8.–26. September 2025* |
Beschäftigungsaussichten und Transformationsdefizite
Die Beschäftigungssicherung zeigt ein gemischtes Bild: In 49 Prozent der Betriebe gilt die Beschäftigung als gesichert. Besonders stabil ist die Lage im sonstigen Fahrzeugbau (71 Prozent) und im Handwerk (63 Prozent). Autohersteller (31 Prozent) und Zulieferer sowie Stahlindustrie (41 Prozent) zeigen deutlich unsicherere Job-Perspektiven.
Kritisch bewerten die Betriebsräte die mangelnde Strategieentwicklung: Nicht einmal 45 Prozent der unter Anpassungsdruck stehenden Betriebe verfügen über eine Transformationsstrategie. Nur 38 Prozent beziehen ihre Betriebsräte in Fragen von Innovation und zukünftiger Produktion ein.
Das macht mich ernsthaft wütend!, so Benner. Wie wenig Innovationsgeist und Selbstachtung kann man als Unternehmer oder Managerin denn haben, dass wir hier in Jahren keine Besserung sehen? Keine Strategie nach vorne, kein Verständnis für neue Geschäftsmodelle?
Zukunftsfelder zeigen erste Erfolge
Immerhin ein Drittel der Unternehmen (31 Prozent) hat bereits Produkte und Services für eine klimaneutrale Industrie im Angebot, weitere 21 Prozent planen solche Angebote. Investitionen in Klimaschutz werden bereits von 43 Prozent als rentabel eingeschätzt, 44 Prozent erwarten mittelfristig Gewinne. Besonders erfolgreich sind bereits jetzt Schiene, Schiffe und Luft-/Raumfahrt (64 Prozent) sowie Elektrotechnik (53 Prozent).
Wir müssen rein in die Zukunftsfelder, fordert Benner. Wo das passiert, geht es zumindest langsam in die richtige Richtung, wir müssen das deutlich verstärken.
Die repräsentative Befragung umfasst 2.623 Betriebe mit insgesamt über 1,3 Millionen Beschäftigten und bietet damit ein umfassendes Bild der aktuellen industriellen Lage in Deutschland.*
Warum Energiepreise und Strategie über Jobs entscheiden
Hohe Energiekosten und strategische Lücken in der Industriepolitik wirken wie eine Zange auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die IG Metall nennt in ihrer aktuellen Betriebsrätebefragung hohe Energiepreise als zentrales Problem – externe Daten zeigen, warum diese Belastung so schwer wiegt.
Warum hohe Energiepreise so schwer wiegen
Die energieintensive Industrie bildet das Fundament vieler Wertschöpfungsketten: Ohne Stahl, Chemie oder Metalle stehen Automobilbau, Maschinenbau und weitere Schlüsselindustrien still.
Der Industriestrompreis in Deutschland lag 2022 bei ca. 0,27 Euro pro Kilowattstunde und blieb auch 2024/2025 deutlich über dem Niveau der EU und USA*. Schon kleine Preisunterschiede wirken sich massiv aus, denn energieintensive Vorprodukte wie Stahl oder Aluminium bestimmen die Kosten ganzer Lieferketten. Unternehmen mit hohem Energieverbrauch stehen im internationalen Wettbewerb unter Dauerdruck.
Fehlende strategische Plattformen in Deutschland
Während die Energiepreisfrage akut drängt, fehlt es an langfristigen Antworten. Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI kritisiert das Fehlen einer verbindlichen strategischen Plattform für Innovation und Industriepolitik* (Stand: Februar 2025). Diese Lücke zeigt sich auch in den Betrieben: Laut IG Metall-Befragung verfügt nicht einmal 45 Prozent der unter Anpassungsdruck stehenden Unternehmen über eine Transformationsstrategie*.
Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, bringt es auf den Punkt: "Die Unternehmen müssen raus aus dem Jammertal und umsetzen!" Ohne klare strategische Ausrichtung und politische Rahmenbedingungen bleiben Investitionen in Zukunftstechnologien jedoch Stückwerk. Die Kombination aus hohen Energiekosten und strategischer Orientierungslosigkeit gefährdet damit nicht nur einzelne Betriebe, sondern ganze Industriestrukturen.
Politische Antworten und widerstreitende Interessen
Die Bundesregierung hat im September 2025 mit milliardenschweren Maßnahmen zur Entlastung der Energiekosten auf die anhaltenden wirtschaftlichen Herausforderungen reagiert*. Diese staatlichen Hilfen sollen Unternehmen direkt unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Standorte stärken. Doch während die Politik auf Entlastung setzt, fordern Wirtschaftsverbände seit Langem grundlegend andere Wege.
Neue Maßnahmen der Bundesregierung
Das Bundeskabinett beschloss im September 2025 ein umfangreiches Paket zur Senkung der Energiepreise*. Diese milliardenschweren Entlastungen zielen darauf ab, die unmittelbare Belastung für Unternehmen zu reduzieren und Investitionshemmnisse abzubauen. Die Maßnahmen kommen in einer Phase, in der laut IG Metall-Betriebsrätebefragung 43 Prozent der Betriebe ihre Wettbewerbsfähigkeit durch hohe Energiepreise als stark gefährdet ansehen*.
Widerspruch: Verbände fordern andere Schritte
Bereits im Oktober 2023 hatte die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft konkrete Vorschläge vorgelegt: einen Brückenstrompreis und die Senkung der Stromsteuer*. Diese Forderungen zeigen, dass Teile der Wirtschaft strukturelle Lösungen gegenüber kurzfristigen Entlastungen priorisieren. Die Diskrepanz zwischen politischen Maßnahmen und Branchenforderungen wird besonders deutlich, wenn man die Analyse des Fraunhofer-Instituts aus dem Jahr 2025 betrachtet*. Deren Untersuchung identifizierte Lücken in der strategischen Steuerung des Transformationsprozesses – ein Defizit, das auch die Hightech-Strategie der Bundesregierung adressiert. Diese strebt bis 2025 einen jährlichen Forschungs- und Entwicklungsanteil von mindestens 3 Prozent des BIP an*.
Die unterschiedlichen Ansätze zeigen sich in den zentralen Forderungen der verschiedenen Akteure:
- Brückenstrompreis und Senkung der Stromsteuer*
- Milliardenschwere Entlastungen für Unternehmen*
- Mehr strategische Steuerung des Transformationsprozesses*
Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, bringt die Erwartungen an die Politik auf den Punkt: "Die Beschäftigten brauchen schnelle und unmissverständliche Signale von der Politik, dass die Rahmenbedingungen klarer und besser werden." Diese Forderung nach verlässlichen Rahmenbedingungen steht im Kontrast zu den teilweise widersprüchlichen Lösungsansätzen von Politik und Wirtschaftsverbänden.
Zukunftsfelder: Chancen nutzen, Risiken minimieren
Die Industrie hat im Jahr 2024/25 noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht*. Besonders energieintensive Branchen kämpfen weiterhin mit den Folgen hoher Energiekosten – laut IG Metall erwägen 40 Prozent der Industrieunternehmen Stand September 2025 eine Verlagerung oder Einschränkung ihrer Produktion in Deutschland*. Doch genau in dieser Herausforderung liegen auch die größten Chancen.
Welche Branchen profitieren?
Zukunftstechnologien wie Kreislaufwirtschaft, Batterieproduktion und künstliche Intelligenz entwickeln sich zu entscheidenden Wachstumstreibern. Unternehmen, die früh in klimaneutrale Produkte und Dienstleistungen investieren, berichten bereits von Rentabilität – besonders erfolgreich sind bisher Betriebe aus den Bereichen Schienenfahrzeuge, Schiffbau und Luft- und Raumfahrt. Diese Pionierunternehmen zeigen: Die Transformation hin zu nachhaltigen Geschäftsmodellen lohnt sich wirtschaftlich.
Die Energiewende selbst wird zum Standortvorteil, sobald verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Unternehmen, die auf grünen Strom zugreifen können, gewinnen im internationalen Wettbewerb an Attraktivität. Wichtig sind dabei zielgenaue Fördermaßnahmen, die insbesondere mittelständische Betriebe bei der Umstellung unterstützen.
Was Beschäftigte jetzt wissen sollten
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bedeutet der Wandel sowohl Chancen als auch Unsicherheiten. Die stärkere Einbindung von Betriebsräten in Transformationsstrategien wird immer wichtiger, um Beschäftigungsperspektiven aktiv mitzugestalten. Betriebe, die ihre Belegschaft frühzeitig in Veränderungsprozesse einbeziehen, meistern den Wandel erfolgreicher.
Weiterbildungen in Zukunftstechnologien und nachhaltigen Produktionsverfahren bieten Beschäftigten die Chance, sich für die Anforderungen von morgen zu wappnen. Gleichzeitig müssen sozialverträgliche Übergänge geschaffen werden – insbesondere in Branchen, die vor tiefgreifenden Veränderungen stehen.
Die entscheidende Weichenstellung liegt jetzt bei Politik und Unternehmen: Verlässliche Energiepreisrahmen, mutige Investitionen in Zukunftstechnologien und die konsequente Nutzung des Know-hows der Beschäftigten werden darüber entscheiden, ob Deutschland die Chancen der Transformation ergreifen kann. Schnelle, klare Signale und entschlossenes Handeln sind notwendig, um den Industriestandort fit für die Zukunft zu machen.
Die in diesem Beitrag enthaltenen Informationen und Zitate stammen aus einer aktuellen Pressemitteilung der IG Metall.
Weiterführende Quellen:
- „Die energieintensive Industrie trägt etwa 3 % zur Bruttowertschöpfung in Deutschland bei und ist ein elementarer Vorleister für andere Branchen (Stand 2024).“ – Quelle: https://foes.de/publikationen/2024/2024_12_FOES_Energiestueckkosten_Industrie.pdf
- „Im Oktober 2023 forderte die vbw einen Brückenstrompreis und eine Senkung der Stromsteuer, um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Branchen zu sichern und Produktionsverlagerungen zu verhindern.“ – Quelle: https://www.vbw-bayern.de/Redaktion/Frei-zugaengliche-Medien/Abteilungen-GS/Wirtschaftspolitik/2023/Downloads/vbw-Studie_Internationaler-Energiepreisvergleich_Oktober-2023.pdf
- „Der Industriestrompreis in Deutschland lag 2022 bei ca. 0,27 EUR/kWh und blieb 2024/2025 deutlich über dem Niveau der EU und USA (Stand 2022–2024).“ – Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/252029/umfrage/industriestrompreise-inkl-stromsteuer-in-deutschland/
- „Die deutsche Industrieproduktion hat 2024/25 das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht, wobei energieintensive Branchen besonders betroffen sind (Stand 2025).“ – Quelle: https://www.industrielle-transformation.de/news/detailseite/q/transformationskompass-2025-unternehmen-sehen-risiken-und-handeln-trotzdem
- „Laut Energiewende-Barometer 2025 erwägen 40 % der Industrieunternehmen eine Verlagerung oder Einschränkung der Produktion in Deutschland wegen hoher Energiepreise (Stand August 2025).“ – Quelle: https://www.dihk.de/de/aktuelles-und-presse/tdw/top-themen/energiepreise-bedrohen-wettbewerbsfaehigkeit-der-deutschen-industrie-127034
- „Die Fraunhofer ISI kritisiert im Februar 2025 das Fehlen einer verbindlichen strategischen Plattform für Innovation und Industriepolitik in Deutschland zur Verbesserung der Steuerungsfähigkeit im Wandel.“ – Quelle: https://www.isi.fraunhofer.de/de/blog/2025/Strategie_wagen_Vereinfachte_Strukturen_klare_Priorisierung_Innovationspolitik.html
- „Im September 2025 beschloss das Bundeskabinett neue milliardenschwere Maßnahmen zur Entlastung der Energiekosten, um Arbeitsplätze in der Industrie zu sichern und den Standort Deutschland attraktiver zu machen.“ – Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2025/09/2025-09-03-massnahmen-niedrigere-energiepreise.html
- „Die Hightech-Strategie des Bundes strebt bis 2025 einen jährlichen Forschungs- und Entwicklungsanteil von mindestens 3 % des BIP an, bleibt aber unter ambitionierter Kontrolle (Stand 2025).“ – Quelle: https://www.bmftr.bund.de/SharedDocs/Publikationen/DE/1/31522_Fortschrittsbericht_zur_Hightech_Strategie_2025.pdf