– EU-Kommission prüft Einfuhrzölle auf In-vitro-Diagnostika und medizinische Technologien
– VDGH warnt vor Versorgungsengpässen und fordert vollständige Zollfreiheit medizinischer Technologien
– Deutschland soll sich in Brüssel für sektorspezifisches „Zero-for-Zero“-Abkommen einsetzen
Drohende Zölle auf medizinische Diagnostik: Risiken für Patientenversorgung und Industrie
Die Europäische Kommission beendet ihre öffentliche Konsultation zu möglichen Gegenmaßnahmen im laufenden Handelskonflikt mit den USA – und bringt damit auch zahlreiche Gesundheitsprodukte ins Blickfeld. Auf der diskutierten Liste stehen mehr als 800 neue Zolltarifnummern, darunter In-vitro-Diagnostika (IVD), deren Vorprodukte sowie weitere medizinische Technologien. Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) warnt eindringlich vor den Folgen eines solchen Zollkonflikts: Patientenversorgung und Versorgungssicherheit stehen auf dem Spiel, ebenso wie die industrielle Wertschöpfung in einem innovationsstarken Sektor.
„Zölle auf Labordiagnostik treffen das Gesundheitssystem im Kern. Ohne Diagnose gibt es keine gezielte Therapie. Die Vorstellung, dass Labortests und Laborgeräte mit den dazugehörenden Vorprodukten und Komponenten zur Verhandlungsmasse in einem drohenden Handelskrieg werden, ist mehr als besorgniserregend“, betont Dr. Martin Walger, Geschäftsführer des VDGH. Die bisher geplante Ausnahme für Arzneimittel, die aus humanitären Gründen von Sanktionen ausgenommen werden sollen, reicht aus Sicht des Verbands nicht aus: „Arzneimittel sollen aus humanitären Gründen ausgenommen werden. Das ist gut und richtig, greift aber zu kurz“.
Der VDGH fordert daher eine vollständige Ausnahmeregelung für medizinische Technologien, um eine flächendeckende, patientenzentrierte Gesundheitsversorgung zu sichern. Dazu braucht es auf europäischer Ebene klare politische Entscheidungen und ein entschlossenes Vorgehen. Deutschland trägt dabei Verantwortung und muss sich aktiv in Brüssel für den Schutz von Gesundheitsgütern einsetzen. Eine ausdrücklich unterstützte Forderung ist ein sektorspezifischer „Zero-for-Zero“-Ansatz in einem transatlantischen Handelsabkommen, das gegenseitig auf Zölle für Gesundheitsgüter und deren Vorprodukte verzichtet.
Die IVD-Branche zeichnet sich durch eine enge Vernetzung, hohe Innovationskraft und eine internationale Ausrichtung aus. Viele Produkte enthalten spezialisierte Komponenten und Vorprodukte, die nicht einfach ersetzt werden können. Besonders betroffen ist auch die Life-Science-Research-Industrie, die der VDGH ebenfalls vertritt. Sie steht vor Herausforderungen durch mögliche Zölle auf Enzyme, die im Stoffwechsel von Lebewesen biochemische Reaktionen beschleunigen und unverzichtbar sind – für die Entwicklung neuer Diagnostika, Arzneimittel, Impfstoffe sowie ökologische Innovationen wie Bio-Recycling.
„Wir brauchen verlässliche Handelsbeziehungen, um die Versorgung mit diagnostischen Leistungen auch in Zukunft zu sichern“, mahnt Walger. Er appelliert an die Politik: „Die Politik muss jetzt ein Zeichen setzen: Gesundheit gehört nicht auf die Sanktionsliste“.
Mit ihren mehr als 100 Mitgliedsunternehmen erwirtschaftet die Diagnostica-Industrie in Deutschland einen Gesamtumsatz von 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2024. Davon entfallen rund 2,4 Milliarden Euro auf Produkte zur Diagnose menschlicher Krankheiten sowie etwa 3,1 Milliarden Euro auf Instrumente, Reagenzien, Testsysteme und Verbrauchsmaterialien für die lebenswissenschaftliche Forschung. Die Bedeutung dieser Branche für Versorgung und Forschung unterstreicht die Dringlichkeit, sie vor neuen Handelshemmnissen zu schützen.
Warum Handelszölle auf Medizinprodukte die Gesundheitsversorgung gefährden
Der aktuelle Handelskonflikt zwischen der Europäischen Union und den USA richtet sich auch gegen medizinische Produkte und Technologien, die für die Patientenversorgung von zentraler Bedeutung sind. Geplante Zölle betreffen unter anderem In-vitro-Diagnostika (IVD) und ihre Vorprodukte – grundlegende Bestandteile moderner Diagnostik, ohne die gezielte Therapien nicht möglich sind. Die europäische Life-Science-Industrie ist stark verflochten und international vernetzt; Produkte bestehen aus zahlreichen spezialisierten Komponenten, deren Herstellung auf stabile und integrierte Lieferketten angewiesen ist. Unterbrechungen in diesen Ketten könnten zu erheblichen Engpässen führen, die unmittelbar das Gesundheitssystem betreffen.
Solche Zölle würden nicht nur die Kosten für medizinische Tests und Geräte erhöhen, sondern auch die Innovation bremsen. Die Entwicklung neuer Diagnostika, Medikamente und Impfstoffe ist auf eine zuverlässige Versorgung mit Rohstoffen wie Enzymen angewiesen, deren besondere biochemische Funktionen sich nicht einfach ersetzen lassen. Der Verband der Diagnostica-Industrie (VDGH) warnt daher eindringlich vor den Folgen für die industrielle Wertschöpfung und die Versorgungssicherheit, wenn medizinische Technologiegüter zu Verhandlungsmasse werden.
Was steht für die Gesellschaft auf dem Spiel?
Die Einführung von Handelszöllen auf Medizinprodukte und ihre Vorprodukte riskierte weitreichende Auswirkungen:
- Versorgungsengpässe: Fehlende oder verzögerte Diagnostika können eine schnelle und präzise Krankheitserkennung behindern.
- Kostensteigerungen: Höhere Preise für Laborgeräte und Tests könnten Gesundheitssysteme sowie Patienten zusätzlich belasten.
- Innovationshemmnisse: Forschung und Entwicklung neuer Behandlungsmethoden leiden unter teureren und knapperen Rohstoffen.
- Wirtschaftliche Folgen: Deutschland und die EU gehören weltweit zu den führenden Anbietern im Bereich der medizinischen Diagnostik. Störungen der Wertschöpfungsketten würden den Standort schwächen.
Deutschland und Europa stehen im internationalen Wettbewerb und tragen eine besondere Verantwortung, ihre Bevölkerung gut zu versorgen. Dabei sind offene Handelsbeziehungen entscheidend: Nur mit einem verlässlichen, zollfreien Austausch von Gesundheitsgütern lassen sich moderne Versorgung und medizinischer Fortschritt sichern.
Die EU-Kommission sowie Deutschland werden in den bevorstehenden Verhandlungen vor die Wahl gestellt, ob sie den Gesundheitssektor vom transatlantischen Handelskonflikt ausnehmen oder Zölle als Druckmittel zulassen. Dabei fordert der VDGH mit Nachdruck die Einführung eines sektorspezifischen „Zero-for-Zero“-Abkommens, das gegenseitig sämtliche Zölle auf Gesundheitsprodukte und deren Vorprodukte ausschließt. Ein solcher Ansatz schafft Planungssicherheit und schützt die medizinische Versorgung vor politischen Spannungen.
Die Tragweite der Entscheidungen spiegelt sich in der Verantwortung gegenüber allen Patientinnen und Patienten wider. Der Erhalt einer funktionierenden, innovativen und flächendeckenden Gesundheitsversorgung erfordert jetzt klare politische Signale: Gesundheit darf nicht zur Verhandlungsmasse in Handelsstreitigkeiten werden.
Die Informationen und Zitate in diesem Beitrag basieren auf einer Pressemitteilung des Verbands der Diagnostica-Industrie (VDGH).