MEDI-Umfrage 2025: Gewalt in Arztpraxen alarmierend hoch – Ärzte fordern mehr strafrechtlichen Schutz in Baden-Württemberg

Eine Umfrage des Ärzteverbands MEDI Baden-Württemberg zeigt, dass 67 % der Praxisteams verbale und 16 % sogar körperliche Übergriffe erleben – in über der Hälfte der Fälle mindestens einmal im Monat. 39 % berichten von anhaltenden psychischen Belastungen, 11 % benötigten daraufhin selbst ärztliche Hilfe. MEDI fordert daher eine Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes für alle niedergelassenen Mediziner und richtet eine anonyme Meldeplattform für Gewaltvorfälle ein.
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Inhaltsübersicht

– 67% der Praxiskräfte erlebten verbale, 16% auch körperliche Gewalt, oft monatlich.
– MEDI fordert Ausweitung des strafrechtlichen Schutzes gemäß §115 Abs.3 StGB auf Praxen.
– Gewalt belastet 39% psychisch, 11% benötigten ärztliche Behandlung; Praxisteams setzen Schutzmaßnahmen um.

Gewalt in Arztpraxen: Alarmierende Umfrageergebnisse aus Baden-Württemberg

Gewalt gegen medizinisches Personal ist längst kein Randphänomen mehr, sondern ein ernstes Problem im Alltag vieler Arztpraxen. Eine aktuelle Umfrage des Ärzteverbands MEDI Baden-Württemberg e. V., veröffentlicht am 9. Juli 2025, verdeutlicht die Brisanz der Lage: 67 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte berichten von verbaler Gewalt in ihrer Praxis, 16 Prozent haben sogar sowohl verbale als auch körperliche Gewalt erlebt. Dabei zeigt sich, dass solche Gewalterfahrungen keineswegs selten sind – bei mehr als der Hälfte treten sie mindestens einmal im Monat auf, bei fast jeder fünften Praxis sogar zwei- bis viermal im Monat.

Die Umfrage offenbart auch die langfristigen Folgen für die betroffenen Praxisteams. 39 Prozent klagen über anhaltende psychische Belastungen nach Gewalterfahrungen, elf Prozent benötigten aufgrund dieser Belastungen selbst eine ambulante ärztliche Behandlung. Diese Zahlen sind Ausdruck einer tiefgreifenden Sorge, die der Vorsitzende von MEDI Baden-Württemberg, Dr. Norbert Smetak, so zusammenfasst: „Gewalt ist nicht nur ein Thema in den Kliniken und im Rettungsschutz, sondern gehört längst auch zum Alltag in unseren Praxen. Das zeigen nicht nur unsere täglichen Erfahrungen, sondern bestätigt auch unsere aktuelle Umfrage unter unseren Mitgliedern. Und das ist mehr als beunruhigend. Deshalb brauchen wir dringend mehr strafrechtlichen Schutz.“

Die Ursachen für die steigende Gewaltbereitschaft sehen ein Drittel der Befragten in der wachsenden Respektlosigkeit der Patientinnen und Patienten. Mehr als jeder vierte Arzt macht auch den zunehmenden Versorgungsdruck und die steigenden Erwartungen verantwortlich. Johannes D. Glaser, Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin sowie Berater bei MEDI, fügt hinzu: „Es ist erschreckend, wie die Gewaltbereitschaft in den vergangenen fünf Jahren zugenommen hat. Neben der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung sehen wir auch die Politik in der Verantwortung, die den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt, ihre Gesundheitskarte sei eine Flatrate. 13 Prozent der Kolleginnen und Kollegen begründen in unserer Umfrage die Entwicklung auch mit einer Art ‚Ärzte-Bashing‘ – ausgelöst durch die Gesetzlichen Krankenversicherungen und die Politik. Das lädt zur Respektlosigkeit ein.“

Unterdessen fehlt allein in Baden-Württemberg rund 1.000 Hausärztinnen und Hausärzte, was weiteren Druck auf das ambulante Versorgungssystem ausübt. Die Praxen reagieren zunehmend auf die Gefahr: Fast die Hälfte der Befragten hat mit ihren Teams Kommunikationsseminare besucht, fast jede vierte setzt bauliche Sicherheitsmaßnahmen um, 15 Prozent arbeiten mit Codewörtern zur schnellen Alarmierung, und rund acht Prozent haben bereits Hausverbote ausgesprochen. In einzelnen Praxen liegen sogar Pfeffersprays für den Notfall bereit.

Angesichts dieser ernsten Situation fordert MEDI Baden-Württemberg eine Erweiterung des Strafrechts. Der besondere strafrechtliche Schutz, der bislang für den Rettungsdienst und ärztlichen Notdienst gilt, muss auch für medizinisches Personal außerhalb der Notfallversorgung in den Arztpraxen ausgedehnt werden. Dr. Smetak betont: „Wir nehmen die Sorgen und Ängste unserer Mitglieder und Kolleginnen und Kollegen sehr ernst. Die Ergebnisse unserer Studie fordern auch uns als Verband zum Handeln auf. Wir sind gerade dabei, eine Melde-Plattform für anonyme Gewalt einzurichten. Wir werden uns für das Thema auch politisch weiter engagieren. Die Gewaltsituation in der ambulanten Versorgung muss viel mehr Aufmerksamkeit bekommen.“

Warum Gewalt in Arztpraxen ein gesamtgesellschaftliches Problem ist

Gewalt gegen medizinisches Personal gehört längst zum Alltag vieler Arztpraxen – eine Entwicklung, die zunehmend Besorgnis erregt und weit über die betroffenen Praxisteams hinausreicht. Die jüngste Umfrage des Ärzteverbands MEDI Baden-Württemberg zeigt: In etwa jeder sechsten Praxis wird nicht nur verbale, sondern auch körperliche Gewalt erlebt. Diese Zahlen belegen, dass das Problem tief verwurzelt ist und keineswegs auf Einzelfälle beschränkt bleibt. Gewalt in Arztpraxen ist somit ein Spiegel gesellschaftlicher Konflikte und belastet nicht nur die Betroffenen, sondern gefährdet auch das Gesundheitssystem insgesamt.

Die Ursachen für diese angespannten Situationen sind vielfältig. Einen wesentlichen Faktor sehen viele Ärztinnen und Ärzte in der sich wandelnden Beziehung zwischen Patientinnen, Patienten und medizinischem Personal. Rund ein Drittel der Befragten sieht die zunehmende Respektlosigkeit der Patientinnen und Patienten als Hauptursache, ein weiteres Viertel nennt steigenden Versorgungsdruck und hohe Anspruchshaltung. Hinzu kommen strukturelle Herausforderungen: Der Ärztemangel führt dazu, dass immer weniger Ärztinnen und Ärzte mehr Patientinnen und Patienten in kürzerer Zeit versorgen müssen. Dies erzeugt Stress auf beiden Seiten – bei Betreuung und Behandlung. Auch ein verändertes Bild vom Arztbesuch wirkt sich aus. Johannes D. Glaser, Facharzt für Allgemeinmedizin und Sportmedizin, betont: „Neben der allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklung sehen wir auch die Politik in der Verantwortung, die den Bürgerinnen und Bürgern vermittelt, ihre Gesundheitskarte sei eine Flatrate.“ Solche Signale können Frustration und Respektlosigkeit fördern, die sich dann in Form von Gewalt entladen.

Die Folgen sind gravierend. Gewalt in der Arztpraxis trifft das gesamte Praxisteam und hat weitreichende Auswirkungen auf das Arzt-Patienten-Verhältnis. Fast 40 Prozent der Ärzte berichten von anhaltenden psychischen Belastungen, elf Prozent benötigten nach solchen Erfahrungen sogar selbst ärztliche Behandlung. Neben dem direkten Schaden für die Opfer führt die Gewalt zu einer Verringerung der Versorgungsqualität. Angst vor Eskalationen kann zu weniger persönlichem Kontakt oder zu schnelleren Behandlungen führen – eine Entwicklung, die das Vertrauen der Patientinnen und Patienten beeinträchtigt.

Gesellschaftliche Ursachen und Folgen

Die steigende Gewaltbereitschaft ist kein isoliertes Phänomen. Sie hängt mit gesamtgesellschaftlichen Tendenzen zusammen, etwa der wachsenden Polarisierung, Kommunikationsproblemen oder sozialem Stress. Ähnlich wie bei Polizisten, Sozialarbeitern oder im Rettungsdienst zeigt sich: Menschen in helfenden Berufen sind zunehmend Angriffen ausgesetzt. Die MEDI-Umfrage verlangt deshalb auch politischen Schutz: Der Verband fordert, dass der strafrechtliche Schutz, der bislang vor allem für Rettungsdienste gilt, auf das medizinische Personal in allen Bereichen ausgeweitet wird. Der bestehende §115 Absatz 3 im Strafgesetzbuch soll so geändert werden, dass Arztpraxen besser geschützt sind. Politisches Handeln ist notwendig, um passiven oder aktiven Gewaltopfern einen stärkeren Rückhalt zu geben und klare Signale gegen Übergriffe zu setzen.

Klar ist: Die Herausforderungen im ambulanten Gesundheitswesen – Ärztemangel, hohe Anforderungen an medizinische Versorgung, Überlastung der Praxisteams – verstärken die Konfliktsituationen und verlangen nach umfassenden Strategien. Gleichzeitig beeinflusst die öffentliche Debatte um Gesundheitskosten und Zugang die Erwartungen und das Verhalten von Patientinnen und Patienten.

Wie kann Prävention gelingen?

Gegen die Gewalt in Arztpraxen wird bereits reagiert. Fast die Hälfte der Praxen hat laut Umfrage inzwischen Kommunikationsseminare für ihr Team organisiert, um besser mit angespannten Situationen umzugehen. Quartiere oder bauliche Schutzmaßnahmen, wie Alarmknöpfe oder Trennwände, gewinnen an Bedeutung. In einzelnen Fällen werden Hausverbote ausgesprochen, Notfallstrategien mit Codewörtern etabliert oder sogar Pfefferspray für den Ernstfall bereitgehalten.

Allerdings reicht dies allein nicht aus. Neben dem Schutz der Mitarbeiter und der Schulung im Umgang mit Konflikten bedarf es vor allem einer gesellschaftlichen und politischen Signalwirkung. Ärzteverbände wie MEDI engagieren sich deshalb für eine stärkere politische Aufmerksamkeit und legale Rahmenbedingungen, die präventiv wirken und den Respekt gegenüber medizinischem Personal fördern. Nur wenn Politik, Gesundheitswesen und Gesellschaft gemeinsam Verantwortung übernehmen, lässt sich die Spirale aus Frust, Respektlosigkeit und Gewalt durchbrechen.

Die bevorstehenden Herausforderungen erfordern offene Gespräche und konsequente Maßnahmen. Die Gewalt in Arztpraxen ist kein isoliertes Symptom, sondern Teil eines komplexen gesellschaftlichen Prozesses, den es zu verstehen und zu gestalten gilt. Ohne sichere Arbeitsbedingungen und gegenseitigen Respekt droht das Versorgungsnetz im Gesundheitswesen weiter zu schwächeln – mit Folgen, die uns alle betreffen.

Die Informationen und Zitate in diesem Beitrag basieren auf einer Pressemitteilung des Ärzteverbands MEDI Baden-Württemberg e. V.

10 Antworten

  1. Ich finde es schockierend zu lesen, wie viele Praxisteams betroffen sind! Wie wichtig sind Kommunikationsseminare für Praxisteams? Gibt es dafür gute Beispiele?

    1. Gute Frage! Ich habe gehört, dass solche Seminare sehr hilfreich sein können. Aber was kann man noch tun? Bauliche Maßnahmen sind sicher ein Schritt!

  2. ‚Ärzte-Bashing‘ sollte nicht toleriert werden! Wir müssen respektvoller miteinander umgehen. Welche Rolle spielt die Medienberichterstattung dabei? Könnte das besser sein?

    1. @Jlechner, ich denke auch, dass die Medien viel Einfluss haben können! Sie sollten positive Geschichten über Ärzte hervorheben und Respekt fördern.

    2. …und was ist mit der Verantwortung von Politikern? Sie müssen das Thema ernst nehmen und Lösungen finden! Welche politischen Schritte haltet ihr für notwendig?

  3. Die Situation in den Praxen ist wirklich besorgniserregend. Ich stimme zu, dass der strafrechtliche Schutz ausgeweitet werden muss! Gibt es schon konkrete Vorschläge von MEDI?

    1. Ich hoffe wirklich, dass die Politik hier aktiv wird! Die Gesundheitssysteme sollten nicht unter Druck geraten wegen respektlosen Patienten. Was können wir als Gesellschaft tun?

    2. Es ist wichtig, dass wir diese Themen ansprechen und diskutieren! Habt ihr Ideen für Präventionsmaßnahmen? Vielleicht mehr Aufklärung in Schulen über Respekt im Gesundheitswesen?

  4. Ich finde es erschreckend, wie viel Gewalt in Arztpraxen passiert. Die Zahlen sind alarmierend und zeigen, dass wir dringend mehr Schutz brauchen. Was denkt ihr, wie kann man Patienten besser aufklären?

    1. Ja, das ist echt traurig! Vielleicht sollten Ärzte mehr Seminare anbieten, um mit aggressiven Patienten umzugehen. Wie sieht es aus mit den Schulungen? Helfen die wirklich?

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