– Am Weltdufttag 27.06.2025 veröffentlicht VDI Richtlinie VDI 3940 Blatt 6.
– Erstmals standardisierte Methode zur Bestimmung ekelerregender und Übelkeit auslösender Gerüche.
– Schafft Behörden mehr Rechtssicherheit bei Genehmigungen nach Bundesimmissionsschutzgesetz.
Weltdufttag 2025: Neue VDI-Richtlinie für Bewertung von belastenden Gerüchen
Am 27. Juni 2025, dem Weltdufttag, stellt der VDI eine wichtige Neuerung vor, die sich mit einem bislang wenig beachteten Aspekt von Gerüchen befasst: der standardisierten Bewertung von ekelerregenden und Übelkeit auslösenden Duftstoffen. Düfte werden von jedem Menschen unterschiedlich wahrgenommen – was den einen angenehm berührt, kann bei anderen unangenehme Reaktionen hervorrufen. „Düfte sind faszinierend und werden von Menschen ganz unterschiedlich wahrgenommen. Was für den einen gut riecht, löst bei anderen unangenehme Empfindungen aus.“ Um diese Unterschiede künftig objektiver messen zu können, veröffentlicht der VDI die Richtlinie VDI 3940 Blatt 6.
Diese neue technische Anleitung bietet erstmals eine systematische Methode, um festzustellen, wann ein Geruch als ekelerregend oder Übelkeit auslösend einzustufen ist. Dabei kommt ein wissenschaftlich entwickelter Fragebogen zum Einsatz, mit dem das sogenannte Ekelpotenzial an beiden relevanten Orten – am Emissionsort, etwa einer industriellen Anlage, und am Immissionsort, wie dem Wohnumfeld – bewertet werden kann. Damit gibt die Richtlinie „eine Hilfestellung, wann ein Geruch als ekelerregend oder Übelkeit auslösend einzustufen ist.“ Überschreitet das Ekelpotenzial einen kritischen Schwellenwert, kann dies als Hinweis auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung verstanden werden.
Die Richtlinie erscheint offiziell am 1. Juli 2025 und ergänzt das bestehende Regelwerk rund um die Messung und Bewertung von Gerüchen. Sie schafft mehr Rechtssicherheit, etwa für Behörden, die bei Anlagengenehmigungen oder Beschwerden aus der Bevölkerung tätig werden. Die Vorstellung der neuen VDI 3940 Blatt 6 erfolgt im November 2025 auf der 11. VDI-Fachtagung „Gerüche in der Umwelt“ in Salzburg. Bürgerinnen und Bürger sowie Fachleute können bis zum 28. Februar 2026 noch Einsprüche zum Richtlinienentwurf einreichen. Weitere Informationen zur Veranstaltung und zur Richtlinie finden sich auf der Webseite des VDI unter https://www.vdi-wissensforum.de/weiterbildung-umwelttechnik/gerueche-in-der-umwelt/ und https://www.vdi.de/richtlinien/details/vdi-3940-blatt-6-bestimmung-von-geruchsstoffimmissionen-ermittlung-von-ekelerregenden-und-uebelkeit-ausloesenden-geruechen.
Gerüche bewerten – Zwischen Alltagskonflikt und Technikstandard
Gerüche prägen unsere Wahrnehmung von Lebensqualität und Umwelt entscheidend mit – ob in der Stadtplanung, in der Nachbarschaft oder bei behördlichen Entscheidungen. Während angenehme Düfte oft unbemerkt bleiben, können unangenehme Gerüche schnell zu Konflikten führen. Gerade bei der wachsenden Urbanisierung und enger werdenden Siedlungsstrukturen wachsen die Herausforderungen, Geruchskonflikte verlässlich zu erkennen und fair zu bewerten. Denn Geruchsbelästigungen wirken emotional und physisch: Sie können Ekelgefühle auslösen und sogar Übelkeit verursachen. Eine objektive Bewertung dieser sensiblen Eindrücke ist daher gesellschaftlich und rechtlich von großer Bedeutung.
Warum Geruchsbewertung immer wichtiger wird
Gerüche durchdringen unseren Alltag – in Wohngebieten, Gastronomie, Industrieanlagen oder landwirtschaftlichen Betrieben. Konflikte entstehen, wenn Gerüche als Belästigung aufgenommen werden und das Wohlbefinden der Anwohner beeinträchtigen. Gerade bei intensiven, ekelerregenden Gerüchen sind Beschwerden häufig und kontrovers. Behörden stehen vor der Herausforderung, nachvollziehbare Kriterien zu schaffen, um zu entscheiden, wann ein Geruch als unzulässig einzustufen ist und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Die neue VDI-Richtlinie zur standardisierten Bewertung von ekelerregenden und Übelkeit auslösenden Gerüchen liefert hierfür erstmals eine wissenschaftlich abgesicherte Methode. Sie basiert auf einem entwickelten Fragebogen, mit dem sowohl das Ekelpotenzial am Emissionsort – etwa einer Produktionsanlage – als auch am Immissionsort, beispielsweise im Wohnumfeld, bestimmt werden kann. Die Richtlinie unterstützt damit Behörden bei Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz und erleichtert den Umgang mit Beschwerden. So entsteht mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten: für Unternehmen, die ihre Anlagen betreiben, für Anwohner, deren Wohnqualität geschützt wird, und für Behörden, die klare Handlungsgrundlagen benötigen.
Typische Konfliktfelder sind:
- Landwirtschaftliche Betriebe mit stark riechenden Ställen oder Güllelagern
- Industrieanlagen, die chemische oder organische Gerüche produzieren
- Gastronomiebetriebe, die Brat- oder Grillgerüche abgeben
- Wohngebiete in Nähe von Gewerbe- oder Produktionszonen
Technik bringt Rechtssicherheit – für wen und wie?
Die objektive Messbarkeit von subjektiven Empfindungen wie Ekel oder Übelkeit stellt eine technische und methodische Herausforderung dar. Die neue VDI-Richtlinie schließt diese Lücke, indem sie standardisierte Verfahren etabliert, die auf bewährten Bausteinen der Geruchsintensitäts- und -hedonik-Bewertung aufbauen und um spezifische Ekel- und Übelkeitsfragen erweitern. Diese wissenschaftlich fundierte Methodik schafft eine gemeinsame Grundlage für Behörden und Industrie, Konflikte nachvollziehbar zu beurteilen und zu lösen.
Dadurch kann das Ergebnis von Genehmigungsverfahren transparenter und belastbarer gestaltet werden. Beschwerden aus der Bevölkerung lassen sich besser nachvollziehen und bewerten. Über die direkte Anwendung in der Außenluftmessung hinaus ergeben sich Perspektiven, die Bewertung auch auf Innenräume auszuweiten. Zudem öffnet die Richtlinie Wege für eine Digitalisierung sensorischer Prüfverfahren, die Bewertungsprozesse effizienter und standardisierter machen könnten. Langfristig könnte dies zu einem internationalen Standard führen, der die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei Umweltschutz und Stadtentwicklung vereinfacht.
Beispielsituationen, in denen die Bewertung von Gerüchen besonders relevant ist:
- Genehmigung neuer landwirtschaftlicher Gebäude nahe Wohnsiedlungen
- Überprüfung von Industrieemissionen bei betrieblichen Erweiterungen
- Beschwerden über Gerüche aus gastronomischen Betrieben in Wohngebieten
- Stadtentwicklungsprojekte, die Gewerbe- und Wohnbereiche kombinieren
Der Einsatz solcher technischen Standards trägt maßgeblich dazu bei, dass subjektiv empfundenes Unbehagen messbar wird. Weil Ekel und Übelkeit nicht allein individuelle Empfindungen sind, sondern Auswirkungen auf die Lebensqualität und Gesundheit haben, ist ihre Messbarkeit aus gesellschaftlicher und rechtlicher Sicht ein entscheidender Fortschritt.
Die Richtlinie ist ein Beispiel dafür, wie technische Innovationen und gesellschaftliche Bedürfnisse zusammenwachsen – und sie eröffnet neue Chancen für mehr Transparenz, Bürgerbeteiligung und nachhaltige Stadtentwicklung. Mit der zunehmenden Digitalisierung wird sich die Bewertung von Gerüchen weiterentwickeln und noch präziser werden. Zudem könnten künftig internationale Vergleichbarkeit und gemeinsame Standards in Europa und darüber hinaus entstehen.
Insgesamt zeigt die neue Bewertungshilfe des VDI, wie technische Normen dazu beitragen können, Konflikte um die Sinneswahrnehmung Geruch in einer urbanisierten Gesellschaft besser zu steuern und die Balance zwischen Wirtschaft, Umwelt und Lebensqualität zu sichern.
Die Informationen und Zitate in diesem Beitrag basieren auf einer Pressemitteilung des VDI e. V.
14 Antworten
Die VDI-Richtlinie ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung! Aber was denkt ihr über mögliche Nachteile oder Herausforderungen bei der Umsetzung? Ich habe Bedenken bezüglich der Kosten für kleinere Betriebe.
Das stimmt wohl! Kleinere Unternehmen könnten Schwierigkeiten haben, sich anzupassen und das könnte zu Ungerechtigkeiten führen.
Ja genau! Und vielleicht sollten wir auch darüber reden, wie Bürgerbeteiligung in diesen Prozess integriert werden kann!
Die neue Richtlinie könnte wirklich helfen! Ich denke jedoch an die Implementierung: Wie gehen wir mit Beschwerden um und wie schnell können Lösungen gefunden werden? Gibt es da bereits Erfahrungen oder Pilotprojekte?
Eine gute Frage! Die Umsetzung wird entscheidend sein und ich hoffe wirklich, dass es einen klaren Prozess gibt.
Ich sehe das ähnlich! Wir müssen sicherstellen, dass alle Stimmen gehört werden und nicht nur die großen Firmen!
Ich finde den Ansatz spannend! Doch frage ich mich, ob das auch Auswirkungen auf kleine Nachbarschaftsbetriebe hat? Wie wird sichergestellt, dass deren Stimmen gehört werden?
Das ist ein wichtiger Aspekt! Es sollte eine Möglichkeit geben für Anwohner, sich einzubringen und ihre Meinungen zu äußern.
Ja genau! Und was passiert mit den Beschwerden der Bürger? Werden sie ernst genommen oder eher ignoriert?
Die Idee hinter dieser Richtlinie klingt gut. Aber ich habe Bedenken, dass nicht alle Behörden sie richtig anwenden werden. Gibt es Schulungen für die Mitarbeiter?
Das ist eine berechtigte Sorge! Ich hoffe, dass es klare Richtlinien gibt und dass die Schulungen tatsächlich stattfinden.
Ich finde die neue VDI-Richtlinie sehr wichtig, aber wie wird das Ekelpotenzial genau gemessen? Gibt es Beispiele dafür, wie diese Methode bereits angewendet wurde? Es wäre interessant zu wissen, welche Gerüche als unangenehm gelten.
Ich stimme zu, dass es wichtig ist. Aber ich frage mich, ob diese Richtlinie auch für kleine Betriebe gilt? Die großen Firmen haben ja oft mehr Einfluss auf die Behörden.
Das ist ein guter Punkt! Außerdem sollte man bedenken, wie unterschiedlich Menschen auf Gerüche reagieren. Vielleicht sollten wir auch über individuelle Unterschiede sprechen.