Gasnetz-Umfrage 2025: 46 Prozent der Stadtwerke wissen nicht, was mit ihren Gasnetzen passieren soll

Fast die Hälfte der deutschen Stadtwerke (46 Prozent) weiß noch nicht, was mit ihrem Gasnetz nach der geplanten Klimaneutralität 2045 geschehen soll. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing warnt: "Die Mehrheit der Stadtwerke hängt in der Luft – und mit ihnen viele Bürger und 1,4 Millionen Industrie- und Gewerbekunden." Der Verband fordert die Bundesregierung auf, schnell für Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen.
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Inhaltsübersicht

– Für 46 Prozent der Stadtwerke ist die Zukunft ihrer Gasnetze noch unklar.
– Der VKU fordert von der Bundesregierung Rechts- und Planungssicherheit für Stilllegung und Umrüstung.
– Ein ungeordneter Ausstieg könnte zu höheren Kosten für Mieter und den Mittelstand führen.

Gasnetze im Umbruch: Fast die Hälfte der Stadtwerke ohne klaren Plan

Die Zukunft der deutschen Gasnetze bleibt für viele kommunale Versorger ungewiss. Eine Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zeigt: 46 Prozent der Stadtwerke wissen noch nicht, was mit ihrem Gasnetz geschehen soll. Die Befragung unter 609 kommunalen Energieversorgern vom 26. August bis 15. September 2025 offenbart Planungsunsicherheiten auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045.

Die Umfrageergebnisse im Überblick:

  • 46 Prozent – Das steht noch nicht fest
  • 19 Prozent – Wir werden unser Gasnetz stilllegen und auf Fernwärme und Wärmepumpen setzen
  • 15 Prozent – Wir planen eine Mischung aus Stilllegung und Umrüstung für mittelständische Unternehmen
  • 8 Prozent – Wir planen eine Mischung aus Stilllegung und Umrüstung für Privathaushalte

Ingbert Liebing, VKU-Hauptgeschäftsführer, warnt vor den Konsequenzen dieser Ungewissheit: "Der Trend bei den Gasnetzen geht klar zu einem Technologiemix, je nach Strang: Einige Leitungen eines Gasnetzes werden umgerüstet, viele Stränge des Gasnetzes stillgelegt. Zugleich hängt die Mehrheit der Stadtwerke aktuell in der Luft – mit ihnen viele Bürger und 1,4 Millionen vorrangig mittelständische Gewerbe- und Industriekunden." Diese 1,4 Millionen Kunden sind an den Gasverteilernetzen angeschlossen.*

Der VKU appelliert an die Bundesregierung, schnell für Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen. Die Forderungen zielen auf klare Regelungen sowohl für die Umrüstung zu Wasserstoffverteilnetzen als auch für die Stilllegung von Gasleitungen. *

Forschung & Zahlen zur Netz-Transformation

Wissenschaftliche Modellierungen und Branchenabschätzungen zeichnen ein klares Bild der bevorstehenden Transformation unserer Gasnetze. Die Dimensionen sind gewaltig – sowohl was die technische Umstellung als auch die finanziellen Aufwendungen betrifft.

Projektionen zur Netzlänge und Nachfrage

Bereits 2023 zeigte eine Modellierung von Agora Energiewende das mögliche Ausmaß des Netzrückbaus: Die Länge der Erdgasverteilnetze könnte um 71 bis 94 Prozent schrumpfen (Stand: 2023). Diese Projektion unterstreicht die fundamentale Veränderung, die auf die Gasinfrastruktur zukommt. Parallel dazu dokumentieren Wiener Stadtwerke einen kontinuierlichen Rückgang der Gaszählpunkte um rund 1 Prozent pro Jahr (Stand: 2023). Diese Entwicklung zeigt, wie sich die Kundennachfrage bereits heute schrittweise verändert.

Kostenabschätzungen und Investitionsbedarf

Die finanziellen Aspekte der Netztransformation wurden 2024 konkret beziffert. Die Umrüstung bestehender Netze auf Wasserstoff veranschlagt Agora Energiewende mit 1,7 bis 2,6 Millionen Euro je Kilometer (Stand: 2024). Für den Rückbau von Erdgasnetzen fallen vergleichsweise niedrigere, aber dennoch erhebliche Kosten von 0,4 bis 1,2 Millionen Euro je Kilometer an (Stand: 2024).

Aktuellste Schätzungen des BDEW beziffern das gesamte Investitionsvolumen für Wasserstoffverteilnetze auf 8 bis 16 Milliarden Euro bis 2030 (Stand: 2025)*. Diese Zahlen verdeutlichen die gewaltige finanzielle Herausforderung, vor der Netzbetreiber und letztlich die gesamte Volkswirtschaft stehen.

Mögliche Tabelle: Vergleich Projektion & Kosten

Jahr Parameter Wert Einheit Quelle/Stand
2023 Länge-Verlust Erdgasnetze 71–94 % Prozent Agora Energiewende, Stand: 2023*
2023 Rückgang Gaszählpunkte rund 1 % pro Jahr Wiener Stadtwerke, Stand: 2023*
2024 Umrüstkosten Wasserstoff 1,7–2,6 Mio. Euro/km Agora Energiewende, Stand: 2024*
2024 Rückbaukosten Erdgasnetze 0,4–1,2 Mio. Euro/km Agora Energiewende, Stand: 2024*
2025 Investitionsvolumen H₂-Netze 8–16 Mrd. Euro bis 2030 BDEW, Stand: 2025*

Die Forschungsergebnisse zeigen deutlich: Die Transformation der Gasnetze erfordert nicht nur technische Innovationen, sondern auch erhebliche finanzielle Ressourcen und vorausschauende Planung.

Rechtliche Lage: Wer darf abschalten — wer zahlt?

Die Transformation der Gasnetze stößt auf ein grundlegendes rechtliches Hindernis: Netzbetreiber haben nach aktuellem deutschem Recht weiterhin einen Kontrahierungszwang für Erdgasanschlüsse. Gleichzeitig wurde ein expliziter Rechtsrahmen für die Stilllegung und Entflechtung der Gasnetze bis Oktober 2025 noch nicht geschaffen*. Diese rechtliche Grauzone blockiert die dringend notwendige Planung und Finanzierung der Netztransformation.

Kontrahierungszwang und fehlender Rechtsrahmen

Die fehlende gesetzliche Grundlage für Stilllegungen schafft massive Unsicherheit. Ohne klare Regelungen fehlt den Unternehmen die Handlungssicherheit für langfristige Investitionsentscheidungen*.

Folgen für Planungssicherheit der Stadtwerke

Die rechtliche Unklarheit hat konkrete finanzielle Auswirkungen. Stadtwerke können weder Investitionen in die Umrüstung noch in die Stilllegung ihrer Gasnetze verlässlich planen. Die Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zeigt deutlich: Bei 46 Prozent der befragten Stadtwerke steht die Zukunft ihres Gasnetzes noch nicht fest (Stand: Oktober 2025)*.

Diese Blockade betrifft nicht nur die Energieversorger selbst, sondern auch ihre Kunden. 1,4 Millionen vorrangig mittelständische Gewerbe- und Industriekunden sowie zahlreiche Privathaushalte hängen von den Gasverteilnetzen ab*. Sie benötigen Klarheit, ob und wie ihre Energieversorgung nach 2045 gesichert ist.

Gesetzliche Klarheit wäre die Voraussetzung für die notwendigen Investitionen. Erst mit einem verbindlichen Rechtsrahmen können Stadtwerke entscheiden, welche Netzstränge für grüne Gase umgerüstet und welche stillgelegt werden sollen. Ohne diese Sicherheit bleibt die Transformation der deutschen Gasinfrastruktur im rechtlichen Vakuum gefangen.

Wenn die Kosten für alle steigen – wer trägt die Last?

Der geplante Ausstieg aus der Erdgasversorgung wirft nicht nur technische, sondern auch gravierende soziale und wirtschaftliche Fragen auf. Während sich wohlhabendere Haushalte zunehmend von Gasheizungen trennen können, bleiben andere Gruppen in der bestehenden Infrastruktur gefangen – mit steigenden finanziellen Belastungen. Die Netzinfrastruktur muss weiterbetrieben werden, selbst wenn immer weniger Nutzer daran angeschlossen sind.

Steigende Netzentgelte und soziale Belastung

Der VKU warnt vor einer sozialen Schieflage, wenn der Übergang unkoordiniert verläuft. Während Eigenheimbesitzer oft flexibel auf alternative Heizsysteme umsteigen können, haben Mieterhaushalte diese Wahlfreiheit meist nicht. Ein fiktives Beispiel verdeutlicht die Dynamik: Die Familie Schmidt heizt weiterhin mit Gas, während Nachbarn im selben Netzgebiet auf Wärmepumpen umsteigen. Obwohl die Schmidts weniger Gas verbrauchen, steigt ihr monatlicher Grundpreisanteil, weil sich die Netzinfrastrukturkosten auf weniger Haushalte verteilen.

Besonders betroffen sind laut Analyse zwei Gruppen:

  • Mieter, die keinen Einfluss auf die Heizungsart ihres Gebäudes haben
  • Klein- und Mittelständische Unternehmen mit produktionsbedingtem Gasbedarf

Spezielle Herausforderungen für den Mittelstand

Für viele mittelständische Betriebe sind gasförmige Energieträger unverzichtbarer Bestandteil ihrer Produktionsprozesse. Wärmepumpen oder Fernwärme kommen hier oft nicht als Alternative in Frage. Gleichzeitig fehlt diesen Unternehmen die Planungssicherheit: Noch ist für 46 Prozent der Stadtwerke unklar, ob ihr Gasnetz stillgelegt oder für grüne Gase umgerüstet wird. Diese Unsicherheit betrifft direkt 1,4 Millionen vorrangig mittelständische Gewerbe- und Industriekunden* (Stand: 2025)*. Ohne klare Perspektive für eine gasbasierte Energieversorgung nach 2045 können notwendige Investitionen in klimaneutrale Produktionsverfahren nicht getätigt werden.

Wege aus der Gasnetz-Dilemma

Die Debatte um die Zukunft der deutschen Gasnetze zeigt zwei klare Positionen: Während der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) rechtliche und finanzielle Sicherheiten für Stilllegung und Umrüstung fordert, mahnt die Forschung zur wirtschaftlichen Realität. Der VKU fordert einen Umstellbonus und ein Gasnetzkompensationskonto, um soziale Härten und Belastungen für den Mittelstand zu vermeiden.

Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff im Gebäudebereich

Dem stehen wissenschaftliche Erkenntnisse gegenüber: Laut Klimaneutralitätsszenarien sinkt die Wärmeversorgung mit Erdgas im Gebäudebereich in Deutschland bis 2045 auf null, wodurch der Großteil der Erdgasverteilnetze absehbar nicht mehr benötigt wird. Eine Umwidmung auf Wasserstoff ist im Gebäudebereich meist nicht wirtschaftlich, da günstigere Alternativen wie Fernwärme und Wärmepumpen bestehen*.

Finanzielle Dimension der Transformation

Die finanziellen Herausforderungen sind enorm: Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) schätzt die Kosten für die Transformation der Gasnetze auf einen hohen Betrag bis 2030*.

Vor diesem Hintergrund ergeben sich drei pragmatische Handlungsoptionen für die Politik:

  • Rechtliche Klarheit schaffen: Ein verbindlicher Rahmen für Stilllegung und Umwidmung gibt Stadtwerken und Investoren die notwendige Planungssicherheit.
  • Gezielte Förderung für Industrie-Anbindungen: Da viele mittelständische Unternehmen auf gasförmige Energieträger angewiesen bleiben, sollten Wasserstoffnetze prioritär für industrielle Anwendungen entwickelt werden.
  • Soziale Ausgleichsmechanismen prüfen: Instrumente wie das vom VKU vorgeschlagene Kompensationskonto könnten verhindern, dass die Kosten der Transformation unverhältnismäßig auf Mieter und kleine Unternehmen abgewälzt werden.

Die vorliegenden Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).

Weiterführende Quellen:

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