– Für 46 Prozent der Stadtwerke ist die Zukunft ihrer Gasnetze noch unklar.
– Der VKU fordert von der Bundesregierung Rechtssicherheit für Stilllegung und Umrüstung.
– 23 Prozent der Stadtwerke planen eine Mischung aus Stilllegung und Umrüstung auf grüne Gase.
Gasnetz-Umfrage: Fast die Hälfte der Stadtwerke ohne Plan für 2045
Eine aktuelle Umfrage des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) zeigt: Fast jedes zweite Stadtwerk in Deutschland weiß noch nicht, wie es mit seinem Gasnetz umgehen soll. Die zwischen dem 26. August und 15. September 2025 durchgeführte Befragung unter 164 kommunalen Energieversorgern offenbart erhebliche Planungsunsicherheiten angesichts der Klimaziele 2045.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 46 Prozent der befragten Stadtwerke geben an, dass die Zukunft ihres Gasnetzes noch unklar ist (Stand: 23. Oktober 2025, VKU-PM). Weitere 23 Prozent planen eine Mischung aus Stilllegung und Umrüstung auf grüne Gase, während 15 Prozent eine vollständige Umrüstung auf Wasserstoff anstreben*. Die Umfrage erreichte unter 609 angeschriebenen Stadtwerken eine Rücklaufquote von 26,9 Prozent (Umfragezeitraum: 26.08.–15.09.2025, VKU-PM, Stand: 23.10.2025).
Die Unsicherheit schlägt sich direkt in den Investitionsplänen nieder: Aktuell planen die Stadtwerke weder Mittel für Umrüstung noch für Stilllegung ihrer Gasnetze ein (jeweils 0 Prozent, Stand: 23. Oktober 2025, VKU-PM).
„Der Trend bei den Gasnetzen geht klar zu einem Technologiemix, je nach Strang: Einige Leitungen eines Gasnetzes werden umgerüstet, viele Stränge des Gasnetzes stillgelegt. Zugleich hängt die Mehrheit Stadtwerke aktuell in der Luft – und mit ihnen viele Bürger und 1,4 Millionen Industrie- und Gewerbekunden, die meist zum Mittelstand gehören. Wir appellieren an die Bundesregierung, schnell für Rechts- und Planungssicherheit bei den Gasnetzen zu sorgen.“
„Nach den Festlegungen für das Wasserstoffkernnetz im vergangenen Jahr muss das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) nun rasch die Rechtsgrundlagen und Finanzierung auch für Wasserstoffverteilnetze konkretisieren. Je früher Stadtwerke mit Planung, Genehmigung und Bau beginnen können, desto besser für mittelständische Unternehmen am Gasverteilnetz.“
„Je näher das Jahr 2045 mit dem Ende der Erdgasversorgung rückt, desto größer ist die Gefahr eines Flickenteppichs und erheblichen Verunsicherungen bei den Verbrauchern. Die Bundesregierung kann das verhindern, indem sie klare Regeln für einen geordneten Ausstieg aus dem Erdgas aufstellt.“
„Der Weg zur Klimaneutralität darf weder zu einer sozialen Schieflage führen noch dem Mittelstand das Rückgrat brechen. Deswegen schlagen wir eine Kombination aus Selbstzahlung und Umstellbonus vor, flankiert von einem Gasnetzkompensationskonto.“
Die vollständigen Umfrageergebnisse und weiterführende Hintergründe zur Netzstruktur und zu den konkreten Kostenrisiken folgen im nächsten Kapitel.
Gasnetze im Umbruch: Technische, rechtliche und finanzielle Komplexität
Die Transformation der deutschen Gasnetze stellt Stadtwerke und Energieversorger vor eine mehrdimensionale Herausforderung. Technische Lebensdauer, rechtliche Rahmenbedingungen und finanzielle Aspekte verflechten sich zu einem komplexen Geflecht, das planerische Weitsicht erfordert. Die Gasverteilnetze in Deutschland erstrecken sich über 511.000 Kilometer (Quelle: Der Neue Kämmerer, Stand: Dezember 2024)* – eine Infrastruktur, die ursprünglich für den Dauerbetrieb konzipiert wurde und nun vor fundamentalen Veränderungen steht.
Technik & Netzstruktur
Die Dimension der bestehenden Infrastruktur verdeutlicht das Ausmaß der anstehenden Entscheidungen. Die 511.000 Kilometer Gasverteilnetze (Quelle: Der Neue Kämmerer, Stand: Dezember 2024)* bilden das Rückgrat der Energieversorgung für Millionen von Haushalten und Unternehmen. Diese Netze wurden für eine technische Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten konstruiert, was die Umrüstungs- oder Stilllegungsentscheidungen besonders gewichtig macht.
Die technische Komplexität zeigt sich in der Bandbreite der Lösungsansätze. Diese lokalen Initiativen demonstrieren unterschiedliche Wege, stellen jedoch keine flächendeckende Strategie dar.
Rechtliche und planerische Rahmenbedingungen
Auf rechtlicher Ebene zeichnet sich ein dynamisches Bild ab. Parallel dazu schafft die kommunale Wärmeplanung verbindliche Rahmenbedingungen: Ab Mitte 2026 für größere Kommunen und 2028 für kleinere Kommunen (Quelle: Investment Week, Stand: Oktober 2025)* müssen verbindliche Wärmepläne vorliegen, die wesentliche Weichen für Netzausbau, Stilllegung oder Umrüstung stellen.
Die finanzielle Dimension dieser Transformation wird durch den erwarteten Investitionsbedarf in Deutschland bis 2045 im zweistelligen Milliardenbereich (Quelle: Der Neue Kämmerer, Stand: 2025)* deutlich. Diese Größenordnung unterstreicht die wirtschaftliche Bedeutung der anstehenden Entscheidungen für Versorger, Kommunen und letztlich die Verbraucher.
| Antwort | Prozent | Quelle | Stand |
|---|---|---|---|
| Das steht noch nicht fest | 46 % | VKU-PM | 23.10.2025 |
| Stilllegung und Umstellung auf Fernwärme/Wärmepumpen | 19 % | VKU-PM | 23.10.2025 |
| Mischung aus Stilllegung und Umrüstung für Gewerbe | 15 % | VKU-PM | 23.10.2025 |
| Mischung aus Stilllegung und Umrüstung für Privathaushalte | 8 % | VKU-PM | 23.10.2025 |
| Komplette Umrüstung auf grüne Gase | 4 % | VKU-PM | 23.10.2025 |
| Kein Gasnetz vorhanden | 8 % | VKU-PM | 23.10.2025 |
Die zeitliche Abfolge der Entwicklungen zeigt eine zunehmende Dynamik: Nach ersten Empfehlungen von Agora im Jahr 2023 folgten praktische Umsetzungen in Städten wie Freiburg (2023) und Hannover (2024), während die aktuelle Diskussion um den BMWK-Entwurf (Dezember 2024) und die bevorstehende kommunale Wärmeplanung (ab 2026) die rechtlichen Grundlagen weiter konkretisieren wird.
Wer trägt die Kosten der Energiewende?
Die Transformation der Wärmeversorgung betrifft nicht nur Energieunternehmen, sondern hat direkte Konsequenzen für Verbraucher und Unternehmen. Ein zentraler wirtschaftlicher Mechanismus droht hier soziale Ungleichheit zu verstärken: Bei zurückgehenden Abnehmerzahlen können die Entgelte für verbleibende Gasnetznutzer regional deutlich steigen*.
In Mannheim zeichnet sich bereits ab, wie solche Konflikte praktisch aussehen können. Die MVV kündigte im November 2024 an, das Gasnetz bis 2035 abschalten zu wollen. Bürgerinitiativen kritisieren dabei vor allem die technische und finanzielle Umsetzbarkeit für normale Haushalte. Viele Eigentümer und Mieter fragen sich, wie sie den Wechsel zu alternativen Heizsystemen bewältigen sollen.
Andere Städte gehen bereits andere Wege. Freiburg vergibt seit 2023 keine neuen Gasanschlüsse mehr, während Enercity in Hannover diesen Schritt sogar schon 2016 vollzog und seitdem über eine Milliarde Euro in alternative Wärmelösungen investiert hat* Diese Pionierarbeit zeigt, dass der Abschied vom Gasnetz möglich ist – doch nicht alle Haushalte können gleichermaßen von den Alternativen profitieren.
Besonders betroffen von den Veränderungen dürften zwei Gruppen sein:
- Mieterhaushalte, die kaum Einfluss auf die Heizungsentscheidung ihres Vermieters haben
- Kleine und mittlere Unternehmen, deren Produktionsprozesse oft auf gasförmige Energieträger angewiesen sind
Während wohlhabendere Eigentümer schneller auf Wärmepumpen oder andere Alternativen umsteigen können, bleiben einkommensschwächere Haushalte und spezialisierte Handwerksbetriebe länger im Gasnetz – und müssen dann die steigenden Kosten für die schrumpfende Infrastruktur tragen.
Ausblick: Was die Politik jetzt liefern muss
Die Transformation der Gasnetze erfordert klare politische Weichenstellungen in drei zentralen Bereichen. Erstens braucht es einen verlässlichen Rechtsrahmen für Stilllegung und Rückbau. Der BMWK-Entwurf (Stand: Dezember 2024) diskutiert hierzu konkrete Regelungsoptionen, etwa die Ablehnung neuer Anschlussanträge bei wirtschaftlich nicht gesichertem Betrieb. Zweitens müssen Finanzierungsfragen geklärt werden. Lösungsansätze wie Abschreibungshilfen und Kompensationsmechanismen, wie sie bereits Agora Energiewende 2023 vorschlug, gewinnen hier an Dringlichkeit.*
Drittens bildet die kommunale Wärmeplanung die entscheidende Planungsgrundlage. Größere Kommunen müssen ihre Pläne bis Mitte 2026 vorlegen, kleinere bis 2028 (Stand: Oktober 2025). Diese Meilensteine sind zentral, um endgültige Investitionsentscheidungen zu treffen. Zudem erfordert die Umstellung auf Wasserstoff eine koordinierte Infrastrukturplanung, die Angebot, Nachfrage und Netzausbau ganzheitlich betrachtet.
Die nächsten konkreten Schritte sind damit vorgezeichnet: Die Kommunen arbeiten an ihren Wärmeplänen, die bis 2026 beziehungsweise 2028 vorliegen müssen (Stand: Oktober 2025). Parallel dazu muss die Bundesregierung die diskutierten Rechts- und Finanzierungsrahmen zügig in verbindliche Gesetze gießen, um den Akteuren vor Ort die notwendige Sicherheit für die anstehenden Transformationen zu geben.*
Die nachfolgenden Inhalte und Zitate beruhen auf einer aktuellen Pressemitteilung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).
Weiterführende Quellen:
- „Die bestehenden Gasverteilnetze in Deutschland sind mit 511.000 km Länge technisch und wirtschaftlich auf deutlich längere Laufzeiten als 2045 ausgelegt, sodass ein vollständiger Rückbau zu erheblichen, teils existenzgefährdenden Kosten führen könnte (Stand: Dezember 2024).“ – Quelle: https://www.derneuekaemmerer.de/news/stadtwerke/die-zukunft-der-gasnetze-stilllegen-oder-umruesten-57077/
- „Angesichts gestiegener Einkaufskosten und sinkender Marktpreise geraten Stadtwerke durch langfristige Gasverträge wirtschaftlich unter Druck; das BMWK plant laut Entwurf eine Regelung, wonach Versorger neue Netzanschlüsse ablehnen und bestehende Verträge kündigen dürfen, sofern ein wirtschaftlicher Betrieb nicht mehr gesichert ist (Stand: Dezember 2024).“ – Quelle: https://dpenergietechnik.com/blog/erste-staedte-beschliessen-gasnetz-stillegung-warum-das-gasnetz-vor-dem-aus-steht/
- „Kommunale Wärmeplanung soll ab Mitte 2026 (größere Kommunen) bzw. 2028 (kleinere Kommunen) als Grundlage dienen, damit Eigentümer und Betriebe zwischen klimafreundlichen Heizlösungen wählen können (Stand: Oktober 2025).“ – Quelle: https://www.investmentweek.com/herausforderungen-fur-stadtwerke-in-deutschland-der-ubergang-in-eine-erdgasfreie-zukunft/
- „Praxisbeispiele zeigen, dass in Freiburg seit 2023 keine neuen Gasanschlüsse mehr gelegt werden und stattdessen in CO2-freie Wärmeversorgung investiert wird; in Hannover gibt es seit 2016 keine neuen Gasanschlüsse, Enercity investiert über 1 Milliarde Euro in Fernwärme und Kohleausstieg (Stand: Oktober 2024).“ – Quelle: https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2024/10/31/stadtwerke-gas-geschaefte-kundengelder/
- „Laut Wirtschaftsministerium sind Stadtwerke berechtigt, neue Geschäftsmodelle umzusetzen und setzen bereits verstärkt auf lokale erneuerbare Wärmeversorgung, um die Herausforderungen des geänderten Energiebedarfs zu bewältigen (Stand: Oktober 2024).“ – Quelle: https://correctiv.org/aktuelles/klimawandel/2024/10/31/stadtwerke-gas-geschaefte-kundengelder/
- „Eine Untersuchung von Agora Energiewende betont, dass bei zurückgehenden Abnehmerzahlen die Entgelte für verbleibende Gasnetznutzer regional deutlich steigen und empfiehlt gezielte finanzielle Übergangsregeln sowie Abschreibungshilfen für Netzbetreiber (Stand: 2023).“ – Quelle: https://www.agora-energiewende.de/fileadmin/Projekte/2022/2022-06_DE_Gasverteilnetze/A-EW_291_Gasverteilnetze_WEB.pdf
- „In Mannheim kündigte der Energieversorger MVV im November 2024 an, das Gasnetz bis 2035 abschalten zu wollen; Bürgerinitiativen warnen, weil der Wechsel zu Fernwärme oder Wärmepumpe nicht für alle technisch oder finanziell umsetzbar ist (Stand: November 2024).“ – Quelle: https://www.nw.de/nachrichten/wirtschaft/24199015_Stadtwerke-Gaskunden-bei-Rueckbaukosten-fuer-Netze-entlasten.html
7 Antworten
„Der Weg zur Klimaneutralität darf nicht zu sozialen Ungleichheiten führen.“ Das ist ein sehr wichtiger Satz! Ich hoffe wirklich, dass die Politik das ernst nimmt und auch Lösungen für alle Bürger findet.
Die Herausforderungen bei der Transformation der Gasnetze sind enorm! Ich frage mich, wie andere Länder mit ähnlichen Situationen umgehen. Gibt es Beispiele aus dem Ausland, die wir als Vorbild nehmen könnten?
Das ist ein guter Punkt! Vielleicht könnten wir uns an Ländern orientieren, die bereits erfolgreich alternative Heizsysteme implementiert haben. Ein Austausch zwischen Städten könnte ebenfalls hilfreich sein.
Die Mischung aus Stilllegung und Umrüstung auf grüne Gase scheint eine interessante Lösung zu sein. Aber was passiert mit den Haushalten, die sich solche Änderungen nicht leisten können? Gibt es Pläne für finanzielle Unterstützung? Es wäre gut, mehr darüber zu erfahren.
Ich stimme Moser Detlef zu. Die sozialen Aspekte dieser Transformation dürfen nicht übersehen werden. Was wird unternommen, um einkommensschwächeren Haushalten zu helfen? Das Thema sollte mehr diskutiert werden.
Es ist erschreckend zu sehen, wie viele Stadtwerke noch im Unklaren sind. Warum gibt es keine klaren Richtlinien seitens der Bundesregierung? Ich denke, es ist wichtig, dass wir als Bürger Druck aufbauen, um eine klare Strategie zu fordern.
Ich finde es alarmierend, dass fast die Hälfte der Stadtwerke keine Pläne für ihre Gasnetze hat. Wie können wir so die Klimaziele erreichen? Gibt es konkrete Vorschläge von der Regierung, um diese Unsicherheit zu beseitigen?