– Foodwatch mahnt Rewe wegen irreführender Nachhaltigkeitswerbung für Thunfisch ab.
– MSC-zertifizierter Thunfisch stammt aus Fischereien mit Überfischung bedrohter Arten.
– Fischfang mit schädlichen Fischsammlern verursacht Beifang und Meeresverschmutzung.
Greenwashing bei Thunfisch: foodwatch mahnt Rewe wegen irreführender MSC-Werbung ab
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat den Handelskonzern Rewe wegen irreführender Nachhaltigkeitswerbung abgemahnt. Der Vorwurf: Rewe bewirbt Thunfisch-Dosen seiner Eigenmarke „Ja“ mit dem Hinweis „Aus einer MSC-zertifizierten nachhaltigen Fischerei“, obwohl die zugrundeliegenden Fangmethoden massive Umweltschäden verursachen. Die Abmahnung betrifft konkret zwei Dosen der Rewe-Eigenmarke mit MSC-zertifiziertem Thunfisch aus dem westlichen Indischen Ozean (Stand: 22. Oktober 2025, Pressemitteilung foodwatch)*.
Recherchen von foodwatch gemeinsam mit der Meeresschutzorganisation Bloom zeigen, dass bei den Einsätzen, die den zertifizierten Echten Bonito lieferten, auch große Mengen von Gelbflossen- und Großaugenthun gefangen wurden – bis zu 47 Prozent der Fangmenge der Flotten (Stand: 22. Oktober 2025, Pressemitteilung foodwatch)*. Diese Thunfischarten galten zum Zeitpunkt des Fangs als überfischt. Zudem kritisierte foodwatch den regelmäßigen Beifang bedrohter Tierarten wie Haie, Rochen und Meeresschildkröten.
„Das MSC-Siegel wird zum grünen Deckmäntelchen für ein zerstörerisches Fischereisystem. Wer diesen Thunfisch als nachhaltig vermarktet, täuscht die Öffentlichkeit – statt schonend gefangenen Fisch gibt es Überfischung und Artensterben“
„Die Supermarktketten tragen Verantwortung, dass die Produkte ihrer Eigenmarken keine grünen Werbelügen sind.“
Die Indian Ocean Tuna Commission hatte Ende 2024 die Einstufung des Gelbflossenthuns auf „nicht mehr überfischt“ geändert (Stand: Ende 2024, Pressemitteilung foodwatch)*. Wissenschaftler:innen bezweifeln diese Neubewertung jedoch aufgrund mangelnder Transparenz bei der Bestandsberechnung. Der Großaugenthun bleibt weiterhin als überfischt eingestuft.
Als positives Gegenbeispiel führt foodwatch den britischen Einzelhandelskonzern Marks & Spencer an, bei dem 98 Prozent des Thunfischs aus Angelfischerei stammen (Stand: 22. Oktober 2025, Pressemitteilung foodwatch)*.
MSC-Siegel unter Beschuss: Wissenschaft und NGOs hinterfragen Nachhaltigkeitsversprechen
Umweltschutzorganisationen und Wissenschaftler stellen die Glaubwürdigkeit des blauen MSC-Siegels zunehmend in Frage. Die Kritik konzentriert sich auf methodische Schwächen bei der Zertifizierung und Widersprüche zwischen dem Nachhaltigkeitsversprechen und der tatsächlichen Fangpraxis.
NGO-Kritik und Beschwerdeverfahren
foodwatch kritisiert fundamentale Probleme: Viele MSC-zertifizierte Thunfischfänge verwenden Fischsammelgeräte (FADs), die Beifang verursachen (Quelle: SRF-Bericht)*. Diese Praxis steht im Widerspruch zu den eigenen MSC-Grundsätzen, die den Schutz des Lebensraums Meer fordern.
Die zentralen Kritikpunkte am MSC-System umfassen:
- Transparenzdefizite bei Bestandsbewertungen
- Zulassung umstrittener Fangmethoden wie Fischsammelgeräte
- Unzureichende Berücksichtigung von Beifang bedrohter Arten
- Widersprüchliche Bewertungen zwischen zertifizierten und nicht-zertifizierten Fängen derselben Fischerei
Wachstum von MSC-zertifiziertem Thunfisch und wissenschaftliche Zweifel
Die MSC-zertifizierte Menge an Thunfischprodukten ist auf über 300.000 Tonnen angewachsen (Stand: 2024/25, Quelle: MSC). Wissenschaftliche Bedenken zur Methodik mehren sich. Die Indian Ocean Tuna Commission stufte Ende 2024 den Gelbflossenthun als „nicht mehr überfischt“ ein (Quelle: foodwatch). Allerdings bezweifeln Wissenschaftler diese Neubewertung aufgrund mangelnder Transparenz in der Bestandsberechnung (Quelle: foodwatch)*.
Dieser Widerspruch zwischen wachsendem MSC-Angebot und wissenschaftlichen Vorbehalten verdeutlicht das grundlegende Dilemma: Einerseits expandiert das zertifizierte Segment rapid, andererseits bleiben zentrale Fragen zur tatsächlichen Nachhaltigkeit unbeantwortet. Die Diskrepanz zwischen Marketingversprechen und Fangrealität führt zu wachsender Skepsis bei Verbrauchern und Fachleuten gleichermaßen.
Nachhaltiger Thunfischkauf: Worauf Verbraucher:innen achten sollten
Die Debatte um irreführende Nachhaltigkeitssiegel betrifft Verbraucher:innen direkt an der Ladentheke. Wer bewusst einkaufen möchte, steht vor der Herausforderung, glaubwürdige von rein marketingorientierten Siegeln unterscheiden zu müssen. Umweltorganisationen kritisieren seit Jahren, dass Zertifizierungssysteme wie MSC teilweise Fischereien mit problematischen Fangmethoden zertifizieren*. Besonders umstritten sind Fischsammelgeräte, die große Mengen Beifang verursachen und marine Ökosysteme schädigen. Die aktuelle Kontroverse zeigt: Verbraucher:innen können sich nicht allein auf Siegel verlassen, sondern müssen selbst aktiv werden.
Was Käufer:innen tun können
Drei konkrete Maßnahmen helfen bei der Orientierung:
- Etiketten genau prüfen: Neben Siegeln sollten Fanggebiet und -methode angegeben sein. Pole-and-Line-Fischerei (Angelrute) gilt als besonders selektiv und beifangarm.
- Fangmethoden hinterfragen: Fischsammelgeräte (FADs) verursachen hohen Beifang von Haien, Schildkröten und juvenilen Thunfischen.
- Beim Handel nachhaken: Direkte Nachfragen zur Herkunft und Zertifizierungspraxis signalisieren Interesse an Transparenz.
Erwartungen an Handel und Zertifizierer
Handelsunternehmen tragen besondere Verantwortung für die Glaubwürdigkeit ihrer Eigenmarken. Sie sollten sicherstellen, dass beworbene Nachhaltigkeitsversprechen der Realität entsprechen. Zertifizierungsorganisationen müssen ihre Standards überarbeiten und insbesondere Fischsammelgeräte ausschließen, wie foodwatch fordert. Verbraucher:innen erwarten von Unternehmen, dass sie nicht nur gesetzliche Mindeststandards einhalten, sondern aktiv zu nachhaltiger Fischerei beitragen – etwa durch den vermehrten Einkauf von Thunfisch aus Angelfischerei, wie es einige Handelsketten bereits praktizieren.
Quellen und methodische Grundlagen
Dieser Artikel basiert auf umfassenden Recherchen und öffentlich zugänglichen Daten. Zur transparenten Nachvollziehbarkeit sind hier die zentralen verwendeten Quellen mit ihren jeweiligen Veröffentlichungsständen aufgeführt.
Die Analyse stützt sich auf das Volumen MSC-zertifizierter Produkte (Quelle: MSC*). Die kritische Auseinandersetzung mit der Nachhaltigkeitsbewertung von Thunfischbeständen berücksichtigt die Neubewertung des Gelbflossenthuns durch die Indian Ocean Tuna Commission vom Oktober 2024 (Quelle: foodwatch*). Greenpeace Dänemark reichte eine formelle Beschwerde gegen die Verwendung des Begriffs „nachhaltig“ im Zusammenhang mit dem MSC-Siegel ein (Quelle: Greenpeace Dänemark*).
Fachkreise kritisieren zudem, dass zahlreiche MSC-zertifizierte Fischereien Fischsammelgeräte einsetzen, die erhebliche Mengen an Beifang verursachen (Quelle: SRF*). Diese Geräte stehen in der Diskussion, da sie marine Ökosysteme belasten können.
Mögliche tabellarische Übersicht zur Entwicklung relevanter Bewertungen und Kritikpunkte:
| Jahr | Aussage/Wert | Thema | Quelle/Stand |
|---|---|---|---|
| 2023 | Formelle Beschwerde gegen „nachhaltig“ | MSC-Siegel | Greenpeace Dänemark* |
| Oktober 2024 | Neubewertung Gelbflossenthun | Bestandsstatus | Indian Ocean Tuna Commission* |
| 22.10.2025 | Abmahnung wegen irreführender Werbung | Rechtliche Auseinandersetzung | foodwatch* |
Diese Quellenbasis ermöglicht eine fundierte Einordnung der aktuellen Debatte um Nachhaltigkeitssiegel in der Fischereiwirtschaft.
Die nachfolgenden Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung von foodwatch e.V.
Weiterführende Quellen:
- „Die Bloom Association kritisiert, dass über 50 Prozent der MSC-zertifizierten Thunfischfänge aus Fischereien stammen, die umweltschädliche Fischsammelgeräte einsetzen, was hohe Beifangzahlen verursacht.“ – Quelle: https://www.srf.ch/news
- „Greenpeace weist darauf hin, dass das MSC-Siegel auch Fischereien mit zerstörerischen Fangmethoden wie Fischsammlern zertifiziert, sofern ein Verbesserungsplan vorliegt, und kritisiert die frühzeitige Vergabe des Siegels ohne ausreichendes Vorsorgeprinzip.“ – Quelle: https://www.greenpeace.de
- „Bei MSC-zertifizierten Thunfischfischereien im westlichen Indischen Ozean ist überwiegend Echter Bonito mit MSC-Siegel gefangen, obwohl gleichzeitig überfischte Arten wie Gelbflossen- und Großaugenthun mitgefangen und ohne Siegel verkauft werden.“ – Quelle: https://www.foodwatch.org
- „Der Marine Stewardship Council führte 2024/25 den Thunfisch als größten Wachstumsträger mit über 300.000 Tonnen MSC-zertifizierten Produkten an, doch die Nachhaltigkeit dieses Wachstums wird unter Experten kritisiert.“ – Quelle: https://www.msc.org
- „Wissenschaftler:innen bezweifeln die im Oktober 2024 von der Indian Ocean Tuna Commission vorgenommene Neubewertung des Gelbflossenthun-Bestands als nicht überfischt aufgrund mangelnder Transparenz und unplausibler Methodik.“ – Quelle: https://www.foodwatch.org
- „Greenpeace Dänemark reichte 2023 eine formelle Beschwerde gegen die Verwendung des Begriffs ‚nachhaltig‘ im Zusammenhang mit dem MSC-Siegel ein, kritisierte somit die Irreführung der Verbraucher.“ – Quelle: https://www.greenpeace.dk
12 Antworten
Ich finde das Thema sehr wichtig und hoffe auf mehr Aufklärung für die Verbraucher in Zukunft. Gibt es spezielle Kampagnen oder Organisationen, die sich dafür einsetzen? Es wäre gut zu wissen wo man sich informieren kann.
Das wäre echt hilfreich! Vielleicht könnte man mal einen Workshop besuchen oder etwas ähnliches machen!
Es ist frustrierend zu sehen, wie Unternehmen ihre Produkte vermarkten und dabei die Umwelt belasten. Ich frage mich oft: Warum gibt es nicht mehr Druck auf diese Konzerne von der Regierung her? Was haltet ihr davon?
Das stimmt! Die Verantwortung sollte klar sein! Die Verbraucher müssen sich bewusst werden und anfangen zu handeln.
Ja genau! Wir sollten auch soziale Medien nutzen um Bewusstsein zu schaffen und die Firmen zur Rechenschaft ziehen!
Die Themen rund um Nachhaltigkeit sind so wichtig, und ich finde es gut, dass das angesprochen wird! Was können wir als Verbraucher konkret tun, um nachhaltigere Entscheidungen zu treffen? Wie sieht es mit anderen Meeresfrüchten aus?
Ich denke auch, dass wir uns aktiv informieren sollten! Vielleicht sollten mehr Leute das Etikett lesen und nachfragen.
Es ist erschreckend zu hören, dass selbst MSC-zertifizierter Thunfisch nicht so nachhaltig ist, wie es scheint. Haben andere Länder ähnliche Probleme mit ihren Fischereien? Gibt es positive Beispiele für nachhaltigen Fischfang?
Ich denke auch, dass wir mehr über nachhaltige Methoden erfahren sollten. Marks & Spencer wird oft als positives Beispiel genannt. Gibt es noch mehr solcher Firmen?
Absolut! Es wäre interessant zu wissen, wie man solche Firmen unterstützen kann oder ob sie transparent über ihre Fangmethoden informieren.
Ich finde es sehr besorgniserregend, wie oft Konsumenten durch solche irreführenden Werbungen getäuscht werden. Wie können wir sicherstellen, dass unser Einkauf wirklich nachhaltig ist? Was denkt ihr über die Rolle der Supermärkte in dieser Debatte?
Ja, das ist wirklich ein großes Problem. Ich glaube, wir müssen alle viel kritischer mit den Produkten umgehen und besser informieren.