Bremen (VBR). Am 11. April 2024 adressierte Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI), in einer bedeutenden Stellungnahme die neuesten Entwicklungen rund um das “EU-Pharmapaket”. Dieses Paket, erst kürzlich durch das EU-Parlament in einer Positionierung weiterentwickelt, steht im Mittelpunkt aktueller Diskussionen, die das Ziel haben, die pharmazeutische Industrie Europas im globalen Wettbewerb zu stärken und attraktiver zu machen. Doch nach Ansicht von Experten und Branchenführern, wie Dr. Joachimsen, trifft die vom Parlament angenommene Position nicht den Kern der erforderlichen Maßnahmen, um den Pharmastandort Europa wirklich voranzubringen.
Ein zentraler Aspekt dieser Diskussion ist der Unterlagenschutz für Medikamente, ein wichtiger Faktor, um therapeutische Innovationen voranzutreiben. Das EU-Parlament hat die Dauer des Unterlagenschutzes zwar auf 7,5 Jahre erhöht, mit der Option auf ein zusätzliches Jahr unter bestimmten Voraussetzungen – ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch nach Meinung von Joachimsen nicht ausreichend. Er sieht in einer flexibleren Handhabung, die Unternehmen die Möglichkeit geben würde, über 8,5 Jahre hinaus Schutz zu erhalten, ein wesentliches Element zur Förderung von Forschung und Entwicklung in Europa.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Therapien für seltene Erkrankungen. Hier verpasste das Parlament laut Joachimsen die Chance, die Rahmenbedingungen entscheidend zu verbessern, indem es Marktexklusivitäten reduzierte und die Forschungsanreize durch die Begrenzung der “Global Marketing Authorisation” auf zwei zusätzliche Indikationen einschränkte. Ebenfalls kurz gesprungen sieht er die Anerkennung neu entwickelter Therapien auf Basis bekannter Wirkstoffe, sogenanntes “Repurposing”, die nach seiner Meinung einen länger andauernden und wiederholbaren Unterlagenschutz verdienen würden.
Positiv hervorzuheben ist allerdings die Entkopplung des Unterlagenschutzes von der Vermarktung in allen EU-Mitgliedstaaten, die den Prozess der Markteinführung neuer Therapien realitätsnäher gestaltet, indem sie die verschiedenen Bedingungen innerhalb der Mitgliedstaaten berücksichtigt.
Doch das “EU-Pharmapaket” birgt weitere Hürden: Insbesondere bei der Umweltverträglichkeitsprüfung könnten die geforderten umfassenden Bewertungen über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg vor allem kleinere Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Auch die Einführung elektronischer Packungsbeilagen wirft Fragen nach der praktischen Umsetzung auf. Ein Mangel an Harmonisierung könnte auch hier die pharmazeutischen Hersteller mit zusätzlichen logistischen Herausforderungen konfrontieren.
Besonders dringlich erscheint der Bedarf nach Anpassungen beim Umgang mit Arzneimittellieferengpässen. Die aktuellen Vorgaben, die eine frühzeitige Meldung von Engpässen und die Erstellung von Präventionsplänen für die gesamte Produktpalette eines Herstellers vorsehen, werden als realitätsfern kritisiert. Hier sieht Joachimsen das Risiko, dass die Industrie unter zusätzliche bürokratische Lasten gesetzt wird, ohne dass diese Maßnahmen effektiv Lieferengpässe verhindern könnten.
Abschließend bringt Dr. Joachimsen die Hoffnung zum Ausdruck, dass die EU-Mitgliedstaaten, angeregt durch die nationale Pharmastrategie Deutschlands, substanzielle Verbesserungen vornehmen werden. Die Notwendigkeit, den pharmazeutischen Standort Europa zu stärken, ist unbestritten – die Frage, wie dieses Ziel erreicht werden kann, bleibt jedoch Gegenstand intensiver Debatten. Der Weg zu einer zukunftsfähigen, wettbewerbsstarken und innovativen pharmazeutischen Industrie in Europa ist noch mit vielen Herausforderungen gepflastert.
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EU-Parlament nimmt Position zum EU-Pharmapaket an
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