– DGB kritisiert massive Schwächung der EU-Lieferkettenrichtlinie durch Rechtsausschuss
– Schutz von Arbeitnehmern und Umwelt in globalen Lieferketten wird erheblich eingeschränkt
– Europäische Volkspartei setzte Kompromiss mit Androhung rechter Unterstützung durch
DGB warnt vor Aushöhlung der EU-Lieferkettenrichtlinie
Der Deutsche Gewerkschaftsbund übt scharfe Kritik an der jüngsten Entscheidung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments zur EU-Lieferkettenrichtlinie. In einer Pressemitteilung vom 14. Oktober 2025 bezeichnet der DGB die Beschlüsse als massiven Rückschritt für Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz. Der Ausschuss habe im Rahmen des Omnibus-I-Pakets zentrale Schutzmechanismen der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) verwässert.
Als besonders problematisch bewertet der DGB das politische Vorgehen der Europäischen Volkspartei (EVP), die mit der Drohung einer Zusammenarbeit mit rechten und rechtsextremen Kräften einen Kompromiss durchgesetzt habe. DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi kommentiert: „Die Europäische Lieferkettenrichtlinie war ein Meilenstein für faire Globalisierung, für Arbeitnehmerinnenrechte und für ökologische Verantwortung in den globalen Lieferketten. Was jetzt aus dem Ausschuss kommt, ist nur noch ein Schatten des ursprünglichen Gesetzes.“*
Die Kritik des Gewerkschaftsbundes konzentriert sich auf drei Kernbereiche: Die massive Einschränkung des Anwendungsbereichs bedeutet, dass deutlich weniger Unternehmen als ursprünglich geplant von der Richtlinie erfasst werden. Zudem wurde die Beteiligung von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen an den Sorgfaltspflichtverfahren geschwächt. Auch die geplanten Sanktionsmechanismen wurden abgemildert – statt eines einheitlichen europäischen Systems drohen nun unterschiedliche Bußgeldregelungen in den Mitgliedstaaten.
Fahimi warnt vor den Konsequenzen: „Mit dieser Entscheidung wird nicht nur der Schutz der Beschäftigten weltweit geschwächt, sondern auch jenen Unternehmen geschadet, die bereits Verantwortung übernehmen.“ Der DGB fordert daher eine grundlegende Kurskorrektur im Plenum des Europäischen Parlaments, um die ursprünglichen Ziele der Richtlinie – verbindliche Standards für Menschenrechte, Arbeitsbedingungen und Umweltschutz in globalen Lieferketten – doch noch zu verwirklichen.
Von der CSDDD zu Omnibus I: Die politische Nachsteuerung
Die Europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD trat am 25. Juli 2024 in Kraft (Quelle: business-humanrights.org) – doch bereits vor der Verabschiedung im Juni 2024 war der ursprüngliche Entwurf deutlich abgeschwächt worden (Quelle: business-humanrights.org). Diese politischen Kompromisse setzten sich in den folgenden Monaten fort und mündeten in der sogenannten Omnibus I-Verordnung, die wesentliche Anpassungen an der Richtlinie vornahm.
Die erste bedeutende Änderung betrifft die zeitliche Umsetzung: Durch Omnibus I wurden die Umsetzungsfristen um ein Jahr verlängert. Unternehmen müssen die neuen Vorgaben nun erst ab Mitte 2027 vollständig anwenden (Stand: April 2025, Quelle: IHK Nord Westfalen).
Inhaltlich fokussieren die Anpassungen den Umfang der Sorgfaltspflichten. Statt umfassender Prüfungen entlang der gesamten Lieferkette konzentrieren sich die Pflichten jetzt stärker auf direkte Geschäftspartner und die eigenen Unternehmensaktivitäten. Indirekte Lieferbeziehungen müssen nur noch bei konkreten Risikohinweisen überprüft werden. Eine besonders umstrittene Änderung: Die Verpflichtung zur endgültigen Beendigung von Geschäftsbeziehungen bei schwerwiegenden Verstößen soll entfallen (Stand: April 2025, Quelle: KPMG Law).
Zeitstrahl der CSDDD-Anpassungen
| Datum/Ereignis | Kerninhalt/Änderung | Quelle/Stand |
|---|---|---|
| Juni 2024 | Vor-Verabschiedung mit inhaltlichen Abschwächungen | business-humanrights.org |
| 25.07.2024 | Inkrafttreten der CSDDD | business-humanrights.org |
| April 2025 | Omnibus I verlängert Umsetzungsfristen auf Mitte 2027 | IHK Nord Westfalen |
| April 2025 | Eingriffe in Sorgfaltspflichten-Umfang: Fokus auf direkte Partner, Ende der Beendigungspflicht | KPMG Law |
Diese Entwicklung stieß auf deutliche Kritik. Der Deutsche Gewerkschaftsbund bewertete die Änderungen als "massiven Rückschritt" und monierte, dass "nur noch ein Schatten des ursprünglichen Gesetzes" übrig geblieben sei. Besonders die Einschränkung des Anwendungsbereichs und die Schwächung des Sanktionsmechanismus wurden als problematisch angesehen.
Zahlencheck: Reichweite und Regulierungseffekte
Die geplante Reform der EU-Nachhaltigkeitsregulierung bringt konkrete quantitative Veränderungen mit sich. Zwei aktuelle Kennziffern aus Frühjahr 2025 verdeutlichen das Ausmaß der geplanten Entlastung für die Wirtschaft.
Die verfügbaren Daten zeigen:
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Voraussichtlich etwa 5.500 betroffene Unternehmen EU-weit werden von der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) erfasst, davon entfallen knapp 900 auf Deutschland (Stand: Mai 2025, Quelle: eticor.com).
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Parallel plant die EU-Kommission eine Reduktion der nach CSRD berichtspflichtigen Unternehmen um rund 80 Prozent (Stand: April 2025, Quelle: KPMG Law). Diese massive Senkung betrifft explizit die Berichtspflichten der Corporate Sustainability Reporting Directive – nicht zu verwechseln mit der eigenständigen CSDDD.
Beide Zahlen belegen die deutliche Verschiebung im regulatorischen Rahmenwerk. Während die CSDDD einen vergleichsweise kleinen Kreis von Unternehmen adressiert, soll die Entlastung bei der CSRD-Berichterstattung flächendeckend wirken.
Fragmentierte Sanktionen: Was die Abschwächung für Europa bedeutet
Die Abschwächung des ursprünglichen Entwurfs der EU-Lieferkettenrichtlinie hat konkrete Auswirkungen auf drei zentrale Bereiche: den Schutz von Beschäftigten in globalen Lieferketten, die ökologische Verantwortung von Unternehmen und die Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Europäischen Union. Besonders gravierend wirkt sich die Veränderung des Sanktionsmechanismus aus, der ursprünglich für einheitliche Durchsetzung sorgen sollte.
Sanktionen, Vollzug und Wettbewerbsbedingungen
Während die ursprüngliche Richtlinie Geldbußen von bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes vorsah, erhalten Mitgliedstaaten nun größeren Spielraum bei der Ausgestaltung von Sanktionen. Die neue Regelung verlangt lediglich, dass Geldstrafen „wirksam und abschreckend“ sein müssen – ohne verbindliche EU-weite Bemessungsgrundlage. Diese Fragmentierung führt zu unterschiedlichen Bußgeldregimen in den Mitgliedstaaten, was dem avisierten Level Playing Field eindeutig zuwiderläuft.
Unternehmen, die bereits in Länder wie Deutschland mit eigenen Lieferkettengesetzen investiert haben, stehen nun vor der Herausforderung, sich auf unterschiedliche nationale Sanktionssysteme einzustellen. Gleichzeitig könnten Unternehmen in Mitgliedstaaten mit lascheren Sanktionsregeln Wettbewerbsvorteile erlangen, obwohl sie geringere Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Diese Entwicklung untergräbt nicht nur faire Wettbewerbsbedingungen, sondern schwächt auch den Schutz von Beschäftigten entlang globaler Lieferketten.
Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bringt die Konsequenzen auf den Punkt: „Statt fairen Wettbewerb und Nachhaltigkeit zu fördern, droht die EU mit diesem Rückschritt die Glaubwürdigkeit ihrer eigenen Nachhaltigkeitsagenda zu verspielen.“ Stand: Mai 2025
Entscheidung im Plenum: Letzte Chance für glaubwürdige EU-Lieferkettenrichtlinie
Die Abstimmung im Rechtsausschuss markiert nicht das Ende des politischen Prozesses, sondern verlagert die entscheidende Weichenstellung ins Plenum des Europäischen Parlaments. Hier muss sich zeigen, ob die ursprünglichen Ziele der Lieferkettenrichtlinie noch zu retten sind oder ob die massive Verwässerung der Schutzmechanismen Bestand hat.
Drei zentrale Streitpunkte bestimmen die bevorstehende Debatte: die Reichweite des Anwendungsbereichs, die Harmonisierung von Sanktionsmechanismen und die Beteiligung von Stakeholdern. Die im Ausschuss beschlossene Einschränkung des Geltungsbereichs würde nur noch verhältnismäßig wenige Unternehmen erfassen und damit den Schutz von Beschäftigten entlang globaler Lieferketten erheblich beschneiden. Gleichzeitig bleibt die Forderung nach einem europaweit einheitlichen Sanktionssystem unberücksichtigt – unterschiedliche Bußgeldregime in den Mitgliedstaaten untergraben das avisierte Level Playing Field. Besonders problematisch erscheint die eingeschränkte Einbeziehung von Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen, die im Vergleich zum Ursprungstext deutlich an Mitgestaltungsmöglichkeiten verloren haben.
Die anstehende Plenumsentscheidung wird darüber befinden, ob die EU ihre eigene Nachhaltigkeitsagenda glaubwürdig vertreten kann. Der DGB pocht auf eine Kurskorrektur, die den ursprünglichen Ansatz der Richtlinie wieder stärkt: verbindliche Menschenrechts-, Arbeits- und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten sowie faire Wettbewerbsbedingungen in der Europäischen Union. Sollte das Parlament die verwässerte Version bestätigen, droht nicht nur der Schutz der Beschäftigten weltweit geschwächt zu werden, sondern auch jenen Unternehmen geschadet zu werden, die bereits Verantwortung übernehmen – etwa in Ländern wie Deutschland mit eigenen Lieferkettengesetzen.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Weiterführende Quellen:
- „Nach Inkrafttreten der CSDDD am 25.07.2024 sind Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umweltschutz in ihren Lieferketten zu beachten, wobei der Anwendungsbereich bereits vor Verabschiedung im Juni 2024 auf Druck einzelner Mitgliedstaaten abgeschwächt wurde.“ – Quelle: https://www.business-humanrights.org/de/neuste-meldungen/csddd-omnibus/
- „Im April 2025 wurde die Umsetzungsfrist der CSDDD im Rahmen des Omnibus-I-Pakets offiziell um ein Jahr auf Mitte 2027 verlängert, gleiches gilt für die Anwendungsfristen.“ – Quelle: https://www.ihk.de/nordwestfalen/international/lieferketten/die-eu-lieferkettenrichtlinie-kompakt-6112282
- „Nach den Änderungen des Anwendungsbereichs der CSDDD sind voraussichtlich EU-weit etwa 5.500 Unternehmen betroffen, für Deutschland werden knapp 900 Unternehmen erwartet, während ursprünglich deutlich mehr Unternehmen unter die Richtlinie gefallen wären (Stand: Mai 2025).“ – Quelle: https://eticor.com/de/blog/csddd-status-quo-und-ausblick
- „Mit dem ersten Omnibus-Paket soll die Zahl der nach CSRD und CSDDD verpflichteten Unternehmen erheblich sinken: Bei der CSRD schätzt die EU-Kommission eine Reduktion um rund 80 % (Stand: 04/2025).“ – Quelle: https://kpmg-law.de/erste-omnibus-verordnung-soll-die-pflichten-der-csddd-csrd-und-eu-taxonomie-lockern/
- „Die CSDDD sieht nach aktuellem Stand vor, dass Sanktionen wie Geldbußen jetzt nicht mehr zwingend nach dem weltweiten Nettoumsatz (bisher bis zu 5 % des Umsatzes) bemessen werden müssen; künftig kann jedes EU-Land die Höhe der Bußgelder eigenständig, anhand mehrerer Indikatoren (u.a. Schwere, Ausmaß, erzielte Vorteile) festlegen, solange sie als wirksam und abschreckend gelten (Stand: Mai 2025).“ – Quelle: https://www.haufe.de/id/beitrag/csddd-die-eu-lieferkettenrichtlinie-und-wesentliche-unt-7-behoerdliche-ueberwachung-und-sanktionen-nach-lksg-und-csddd-HI15781106.html
8 Antworten
„Was bleibt am Ende für uns übrig?“ Diese Frage treibt mich um. Wir brauchen dringend verbindliche Standards für Menschenrechte und Umweltschutz in den Lieferketten. Wer kann da Einfluss nehmen?
„Die Europäische Volkspartei hätte nicht so einen Kompromiss eingehen dürfen.“ Ich stimme dem zu! Die Rechte der Arbeiter sollten immer Vorrang haben. Hat jemand Ideen für zukünftige Aktionen oder Mobilisierungen?
Der DGB hat recht! Die Einschränkungen sind ein Schritt zurück für alle Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz! Wie soll das mit der Verantwortung der Firmen funktionieren? Gibt es Vorschläge zur Verbesserung dieser Situation?
Ich denke, dass wir alle mehr Informationen brauchen! Was denkt ihr über alternative Ansätze zur Regulierung? Vielleicht könnten auch NGOs eine größere Rolle spielen?
Eine gute Frage! Der Dialog zwischen Gewerkschaften und Unternehmen sollte unbedingt gefördert werden! Wie können wir sicherstellen, dass alle Stimmen gehört werden?
Ich finde es wirklich besorgniserregend, wie die EU-Lieferkettenrichtlinie geschwächt wurde. Was passiert mit den Arbeitern, die unter schlechten Bedingungen leiden? Es scheint, als ob die Unternehmen nur an ihren Gewinnen interessiert sind. Was können wir tun, um das zu ändern?
Ja, das ist ein großes Problem. Ich frage mich, ob es nicht mehr Druck von der Öffentlichkeit braucht, um diese Themen auf die Agenda zu setzen? Gibt es bereits Initiativen oder Organisationen, die sich dafür einsetzen?
Ich glaube auch nicht, dass das gut für den Umweltschutz ist. Unternehmen sollten verantwortlich handeln! Ich hoffe, dass in der Plenumsabstimmung noch eine Wende kommt.