EU-Lieferkettengesetz 2025: VCI warnt vor „Sargnägeln für unsere Industrie“ – Auswirkungen auf 2.300 Unternehmen und 560.000 Jobs

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) kritisiert die Entscheidungen des EU-Parlaments zum Lieferkettengesetz scharf. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup erklärt: *„Mit solchen Entscheidungen fällt die EU im internationalen Wettbewerb immer weiter zurück.“* Der VCI warnt vor zunehmenden Belastungen für die rund 2.300 Mitgliedsunternehmen, die 2024 rund 240 Milliarden Euro umsetzten und über 560.000 Mitarbeiter beschäftigten.
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Inhaltsübersicht

– Europäisches Parlament lehnt Abschwächung des Lieferkettengesetzes ab
– VCI kritisiert Entscheidung als Wettbewerbsnachteil für Industrie und Arbeitsplätze
– Übermäßige Regulierungen sind größtes Standortproblem vor Energiepreisen und Steuern

Chemieverband reagiert mit Wut auf EU-Entscheidung

Die deutsche chemisch-pharmazeutische Industrie zeigt sich alarmiert über die jüngste Entscheidung des Europäischen Parlaments. Am 22. Oktober 2025 lehnten die Abgeordneten einen Vorschlag zur Abschwächung des Lieferkettengesetzes ab – eine Entwicklung, die beim Verband der Chemischen Industrie (VCI) auf massive Kritik stößt.

VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup bringt die Stimmung im Verband auf den Punkt: „Ich bin wütend und fassungslos über diese Entscheidung. Europa bremst sich weiter selbst aus, während andere Regionen vorbeiziehen. Das EU-Parlament hat die Zukunft von Europa zu gestalten. Stattdessen produzieren die Parlamentarier die Sargnägel für unsere Industrie.“

Die wirtschaftliche Dimension hinter diesen emotionalen Worten ist beträchtlich: Der VCI vertritt die Interessen von rund 2.300 Unternehmen aus der chemisch-pharmazeutischen Industrie und chemienaher Wirtschaftszweige (Stand: 22.10.2025). Diese Unternehmen erzielten 2024 einen Umsatz von rund 240 Milliarden Euro und beschäftigten über 560.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Stand: 2024)*.

Der Verband betont zwar grundsätzlich die Bedeutung von Menschenrechten in der Lieferkette, kritisiert jedoch die konkrete Ausgestaltung der Regelungen. Aus Sicht der Unternehmen stellt die Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel das größte Standortproblem dar – noch vor hohen Energiepreisen und Steuerbelastung.

Große Entrup warnt vor den konkreten Folgen: „Mit solchen Entscheidungen fällt die EU im internationalen Wettbewerb immer weiter zurück. Produktionsstandorte und Arbeitsplätze stehen weiter im Feuer. Vor allem Mittelständler kämpfen ums Überleben.“ Der VCI-Chef appelliert an den Europäischen Rat und die Bundesregierung, „eine Allianz der Vernunft zu schmieden“ und beendet mit einem deutlichen Statement: „Die Zeit der Träumer und Ideologen muss endgültig vorbei sein.“

EU-Lieferkettengesetz: Chronologie und aktuelle Reichweiten-Debatte

Das EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) legt strengere Sorgfaltspflichten auf als das deutsche Lieferkettengesetz und umfasst die gesamte Wertschöpfungskette – vom Rohstoff bis zum Vertrieb.*

Chronologie der Reform

Die Entwicklung des CSDDD zeigt eine dynamische politische Auseinandersetzung, die bis heute andauert:

  • April 2024: Das EU-Parlament stimmt mit Mehrheit für ein strenges Lieferkettengesetz.*

  • 24. Mai 2024: Die Richtlinie tritt in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz die neuen Vorschriften beachten. Die Einführung erfolgt gestaffelt – ab 2028 sind auch kleinere Unternehmen betroffen.*

  • Februar 2025: Die EU-Kommission schlägt im Rahmen ihres Omnibus-Pakets wesentliche Lockerungen vor. Der Vorschlag sieht vor, die CSDDD auf Unternehmen mit über 5.000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Euro Umsatz zu beschränken. Zudem soll die Umsetzungsfrist um ein Jahr verlängert werden (bis Juli 2027).*

  • Juni 2025: Der EU-Rat schließt sich dem Kommissionsvorschlag an und empfiehlt ebenfalls eine Beschränkung auf große Unternehmen (>5.000 Mitarbeiter, >1,5 Mrd. Euro Umsatz).*

  • 13. Oktober 2025: Der Rechtsausschuss des Parlaments folgt weitgehend diesen Vorschlägen. Die finale Entscheidung steht jedoch noch aus.*

Jahr/Datum Entscheidung/Vorschlag Schwellenwert/Betroffene Unternehmen Quelle
April 2024 Parlamentsmehrheit für strenges Gesetz Europäisches Parlament*
24.05.2024 Inkrafttreten >1.000 MA, >450 Mio. € Umsatz GMP Navigator*
Februar 2025 Kommissions-Omnibus-Vorschlag >5.000 MA, >1,5 Mrd. € Umsatz Bird & Bird*
Juni 2025 EU-Ratsvorschlag >5.000 MA, >1,5 Mrd. € Umsatz Verfassungsblog*
13.10.2025 Rechtsausschuss-Folge Vorschlägen weitgehend gefolgt Verfassungsblog*

Wer ist betroffen?

Die Debatte um die Schwellenwerte spiegelt den grundsätzlichen Konflikt zwischen Regulierungsdichte und Wettbewerbsfähigkeit wider. Während die ursprüngliche Regelung breite Unternehmenskreise erfassen sollte, zielen die aktuellen Reformvorschläge auf eine deutliche Eingrenzung ab:

  • Ursprüngliche Regelung (seit 24.05.2024): Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und 450 Millionen Euro Umsatz
  • Reformvorschläge (2025): Beschränkung auf Unternehmen mit über 5.000 Beschäftigten und 1,5 Milliarden Euro Umsatz

Die chemisch-pharmazeutische Industrie, die für die Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette steht, betont die Notwendigkeit effektiver und effizienter Regelungen. Für viele Betriebe steht die Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel noch vor den hohen Energiepreisen und der Steuerbelastung an erster Stelle der Standortprobleme.

Die finale Reichweite des CSDDD bleibt damit politisch umkämpft – zwischen dem Ziel umfassender menschenrechtlicher Sorgfalt und den Bedenken zur Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen.

Was die Entscheidung für Unternehmen und Beschäftigte bedeutet

Die Ablehnung von Lockerungen im europäischen Lieferkettengesetz trifft die Wirtschaft in einer ohnehin angespannten Lage. Während Befürworter auf den Schutz von Menschenrechten pochen, sehen Unternehmensverbände die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Betriebe gefährdet. Die chemisch-pharmazeutische Industrie positioniert die Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel noch vor hohen Energiepreisen und Steuerbelastung als Nummer 1 der Standortprobleme.

Folgen für Mittelständische Betriebe

Besonders mittelständische Unternehmen stehen vor enormen Herausforderungen. Das CSDDD erfasst die gesamte Wertschöpfungskette – von der Rohstoffgewinnung bis zum Vertrieb* (Quelle: PwC). Für Betriebe mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen bedeutet dies erheblichen Mehraufwand. Zwei Kernrisiken zeichnen sich ab:

  • Explodierende Compliancekosten durch Dokumentations- und Berichtspflichten
  • Produktionsverlagerung in Regionen mit geringeren Regulierungsanforderungen

Die Industrie argumentiert, dass der bürokratische Aufwand im internationalen Vergleich zu Nachteilen führt. Während andere Wirtschaftsräume mit weniger Restriktionen operieren, müsse Europa zusätzliche Hürden überwinden.

Balance: Menschenrechte vs. Regulierungsaufwand

Auf der anderen Seite steht die politische Überzeugung, dass weitreichende Pflichten notwendig sind, um Menschenrechte zu schützen. Die Debatte spiegelt einen grundsätzlichen Konflikt wider: Wie lassen sich ethische Standards mit wirtschaftlicher Praktikabilität vereinbaren?

Die legislative Entwicklung zeigt verschiedene Ansätze zur Lösung dieses Spannungsfelds. Der Omnibus-Vorschlag der EU-Kommission vom Februar 2025 enthielt Entlastungsoptionen für Unternehmen* (Quelle: Bird & Bird). Der EU-Ratsvorschlag im Juni 2025 bewegt sich hingegen zurück zu strengeren Vorgaben* (Quelle: Verfassungsblog).

Die chemische Industrie betont zwar ihr Bekenntnis zur Achtung der Menschenrechte in der Lieferkette, pocht aber auf effektive und effiziente Regelungen. Aus Unternehmenssicht müssen Berichts- und Sorgfaltspflichten auf das Notwendigste reduziert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit nicht weiter zu gefährden.

Ausblick: Nächste Schritte und politische Entscheidungen

Die Debatte um das Lieferkettengesetz bewegt sich nun auf die entscheidende politische Ebene. Alle Blicke richten sich auf die finalen Parlamentssitzungen und den Europäischen Rat. Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich die von Wirtschaftsverbänden geforderte "Allianz der Vernunft" bilden kann.

Politische Entscheidungswege in Brüssel

Der Gesetzgebungsprozess befindet sich in der entscheidenden Phase. Der Europäische Rat muss nun Position beziehen, während gleichzeitig die finalen Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen anstehen. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Omnibus-Vorschlag, der eine mögliche Übergangsfrist vorsieht, die betroffenen Unternehmen mehr Zeit für die Anpassung ihrer Prozesse einräumt*.

Empfehlungen für Unternehmen

Für Unternehmen bedeutet die aktuelle Situation konkretes Handeln. Zwei strategische Schritte sind jetzt besonders wichtig:

  • Compliance-Check: Überprüfen Sie umgehend Ihre bestehenden Lieferkettenprozesse auf Anpassungsbedarf. Die bereits bekannten Anforderungen bieten eine solide Basis für Vorbereitungen.

  • Politische Beobachtung: Verfolgen Sie kontinuierlich die finalen Entscheidungen in Brüssel. Die noch ausstehenden Beschlüsse des Europäischen Rates und die Triloge zwischen den EU-Institutionen werden den endgültigen Rahmen setzen.

Unternehmen sollten diese Phase nutzen, um sich frühzeitig auf verschiedene Szenarien vorzubereiten.

Die vorliegenden Informationen und Zitate beruhen auf einer Pressemitteilung des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).

Weiterführende Quellen:

8 Antworten

  1. „Die Zeit der Träumer und Ideologen muss vorbei sein“ – ein starkes Statement! Aber was bedeutet das für unsere Zukunft in Europa? Ich mache mir Sorgen um unsere Wettbewerbsfähigkeit.

    1. „Wettbewerbsfähigkeit“ ist wichtig, aber wie viel sind wir bereit zu opfern für Menschenrechte? Ich hoffe auf mehr Diskussionen über diesen Konflikt.

  2. Es ist wirklich frustrierend zu sehen, wie die Industrie leidet. Aber sollten wir nicht auch an die langfristigen Vorteile von Menschenrechten denken? Welche Lösungen könnten helfen, ohne dass Unternehmen leiden?

    1. Ich verstehe deinen Punkt, Wilhelm12! Vielleicht könnte eine schrittweise Umsetzung der Regelungen eine Lösung sein? Was haltet ihr von einer solchen Idee?

  3. Die Argumente des VCI sind nachvollziehbar, aber ich glaube nicht, dass wir Menschenrechte ignorieren können. Wir brauchen dringend eine Balance! Was denkt ihr über die Vorschläge der EU-Kommission zur Lockerung?

  4. Ich finde die Entscheidung des EU-Parlaments wirklich besorgniserregend. Es ist wichtig, Menschenrechte zu schützen, aber sollten wir nicht auch an die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen denken? Gibt es da einen Kompromiss? Ich würde gerne mehr darüber lesen.

    1. Ich stimme dir zu, Olga75! Es ist schwierig, das Gleichgewicht zwischen ethischen Standards und wirtschaftlichem Erfolg zu finden. Wo siehst du Möglichkeiten für solche Kompromisse?

    2. Das Problem ist, dass die kleinen Unternehmen unter den Regulierungen leiden. Vielleicht sollte man eine differenzierte Herangehensweise wählen? Es gibt viele interessante Perspektiven dazu.

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