EU-Lieferkettengesetz gescheitert: Handelsverband warnt vor Planungs-Chaos und fordert Economy-Deal

Nach dem gescheiterten Kompromiss zum EU-Lieferkettengesetz warnt der Handelsverband Deutschland vor erheblichen Risiken für die Planbarkeit der Unternehmen. HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth kritisiert die "unentschlossene und irrlichternde Politik" in der EU als inakzeptabel. Der Verband fordert verlässliche Rahmenbedingungen und faire Wettbewerbsbedingungen gegenüber Onlineplattformen aus Drittstaaten.
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Inhaltsübersicht

– Scheitern des EU-Lieferkettengesetzes gefährdet Planbarkeit für Unternehmen
– Forderung nach fairen Wettbewerbsbedingungen gegenüber Onlineplattformen wie Temu und Shein
– Kritik an unentschlossener EU-Politik und Aufruf zu schnellen wirtschaftsfördernden Lösungen

EU-Lieferkettengesetz: Handelsverband warnt vor Planungsunsicherheit

Der Handelsverband Deutschland (HDE) fordert mehr Verlässlichkeit in der europäischen Gesetzgebung im Bereich des EU-Lieferkettengesetzes.

HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth bringt die Besorgnis der Branche auf den Punkt:

"Die Handelsunternehmen müssen sich auf eine gute und stabile Gesetzgebung aus Brüssel verlassen können. Für die Unternehmen, die sich auf die auch im Rechtsausschuss des EU-Parlaments geeinte Lösung gebaut haben, ist das ein Totalschaden."

Genth kritisiert die Entwicklung der letzten Jahre scharf.

Der Handelsverbandchef fordert klare Konsequenzen: "Wir brauchen genau das Gegenteil des gegenwärtigen Chaos." Besondere Dringlichkeit sieht Genth bei der Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen gegenüber Onlineplattformen und Händlern aus Drittstaaten wie Temu und Shein. Hier müsse die EU "konkrete und schnelle Ergebnisse auf den Tisch legen".

Sein Appell an die Politik ist deutlich: "Nun müssen sich in Brüssel alle Vertreter demokratischer Parteien zusammenraufen und rasch zu Lösungen kommen, die die Wirtschaft wieder nach vorne bringen. Wir brauchen einen Economy-Deal, da muss jetzt Tempo rein."

CSDDD und Omnibus: Ein kompliziertes Regelwerk im Wandel

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) stellt Unternehmen in der Europäischen Union vor neue Herausforderungen. Diese Richtlinie verpflichtet Betriebe dazu, menschenrechtliche und ökologische Sorgfaltspflichten entlang ihrer gesamten Lieferkette einzuhalten. Parallel dazu entwickelt die EU-Kommission die sogenannte Omnibus-Initiative, die verschiedene Gesetzesbereiche bündelt und Vereinfachungen für Unternehmen vorsieht.

Was bedeutet CSDDD für Unternehmen?

Die CSDDD verlangt von Unternehmen eine systematische Erfassung und Bewertung von Risiken in ihren Lieferketten.* Konkret müssen Betriebe potenzielle Menschenrechtsverletzungen und Umweltbeeinträchtigungen identifizieren, Präventionsmaßnahmen ergreifen und Beschwerdemechanismen einrichten. Die ursprünglich geplanten Umsetzungsfristen haben sich jedoch mehrfach verschoben.

Bereits im Frühjahr 2024 signalisierte das EU-Parlament erste Änderungen am Zeitplan. Die Abgeordneten stimmten einer Verschiebung um ein Jahr zu und nahmen vorübergehend 80 Prozent der Unternehmen von der Berichtspflicht aus.*

Die Omnibus-Initiative: Ziele und Kritik

Die Omnibus-Initiative zielt darauf ab, verschiedene EU-Richtlinien zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen. Das erste Paket ("Omnibus I") enthält geplante Vereinfachungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung (Stand: 27.02.2025).* Kritiker wie die Organisation Misereor befürchten jedoch, dass die Initiative zu einer Abschwächung der Sorgfaltspflichten und Umweltauflagen führen könnte.*

Die jüngsten Entwicklungen zeigen eine weitere Verzögerung: Ende Februar 2025 stimmte das EU-Parlament einer Fristverlängerung um ein Jahr für die nationale Umsetzung der CSDDD zu (Stand: 28.02.2025).* Bis 2027 muss Deutschland die Richtlinie nun umsetzen (Stand: 20.03.2025)., wobei erste Omnibus-Pakete bereits Abschwächungen vorschlagen (Stand: 20.03.2025).

Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind bereits spürbar: Viele Unternehmen erhöhten vorsorglich ihre Lagerbestände, da sie Produktionsstockungen befürchteten.* Dieser vorsorgliche Ansatz zeigt, wie unsicher die Unternehmen angesichts der sich ständig ändernden regulatorischen Rahmenbedingungen agieren.

Handel und Produktion im Krisenmodus

Die Unsicherheit um das europäische Lieferkettengesetz zwingt Unternehmen zu konkreten Anpassungen ihrer Geschäftspraktiken. Während das gescheiterte Omnibus I-Paket Entlastungen versprach, reagieren Händler und Produzenten bereits jetzt auf die regulatorische Ungewissheit mit vorsorglichen Maßnahmen.

Viele Betriebe erhöhen ihre Lagerbestände, um sich gegen mögliche Lieferengpässe abzusichern. Diese Vorsichtsmaßnahmen binden Kapital und treiben die Lagerhaltungskosten in die Höhe.

Das geplante Omnibus I-Paket hätte tatsächlich Erleichterungen gebracht: Es sah Vereinfachungen bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung vor und sollte 80 % der Unternehmen temporär von der Berichtspflicht ausnehmen (Stand: 23.02.2024, Industriemagazin*). Mit dem Scheitern des Pakets bleiben diese Entlastungen vorerst auf der Strecke.

Die unmittelbaren Folgen für Unternehmen:

  • Erhöhte Lagerhaltungskosten durch vorsorgliche Vorratsbildung
  • Produktionsrisiken durch mögliche Importbeschränkungen
  • Ausbleibende Entlastung bei Berichtspflichten durch gescheiterte Reform

Die wirtschaftlichen Auswirkungen zeigen sich bereits im operativen Geschäft. Unternehmen müssen weiterhin mit komplexen Berichtspflichten leben, während gleichzeitig die Sorge vor Lieferkettenunterbrechungen wächst. Diese doppelte Belastung trifft besonders mittelständische Betriebe, die über weniger Ressourcen für Compliance und Risikovorsorge verfügen.

Gegensätzliche Positionen: Wirtschaft fordert Planungssicherheit, NGOs warnen vor Schlupflöchern

Die Diskussion um das europäische Lieferkettengesetz offenbart tiefe Gräben zwischen wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Interessen. Während Wirtschaftsverbände auf Planbarkeit und faire Wettbewerbsbedingungen drängen, sehen Menschenrechtsorganisationen die geplanten Regelungen als unzureichend an.

Kritik von NGOs

Amnesty International übt deutliche Kritik an den aktuellen Entwürfen. Die Organisation warnt, dass Ausnahmen und Schlupflöcher den Menschenrechtsschutz erheblich gefährden könnten. Besonders problematisch sieht sie, dass sich Unternehmen bei indirekten Geschäftsbeziehungen zu leicht ihrer Verantwortung entziehen können (Amnesty International, Stand: 31.05.2023)*.

Misereor geht in seiner Analyse noch einen Schritt weiter. Das Hilfswerk bewertet die Omnibus-Verordnung als potenziell massiv reduzierend für Sorgfaltspflichten und Umweltauflagen (Misereor)*.

Wirtschaftliche Perspektive

Aus Unternehmenssicht steht dagegen die Forderung nach verlässlichen Rahmenbedingungen im Vordergrund. Der Handelsverband Deutschland betont die Notwendigkeit fairer Wettbewerbsbedingungen gegenüber großen Onlineplattformen und Händlern aus Drittstaaten. Die wirtschaftliche Argumentation konzentriert sich auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen im internationalen Vergleich.

Die konträren Positionen zeigen deutlich, wie schwierig der Ausgleich zwischen wirtschaftlichen Interessen und menschenrechtlichen Standards in der Praxis ist. Während die Wirtschaft verlässliche Regeln für ihre Geschäftstätigkeit benötigt, fordern NGOs verbindliche und lückenlose Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt.

Ausblick: Was jetzt passieren muss

Die europäische Lieferkettengesetzgebung steht an einem kritischen Wendepunkt. Nach dem Scheitern des Omnibus-I-Pakets im EU-Parlament müssen jetzt klare Weichenstellungen folgen, um Unternehmen Planungssicherheit zu geben und die Nachhaltigkeitsziele dennoch zu erreichen.

Nächste parlamentarische Schritte

Die EU-Institutionen stehen unter Druck, rasch tragfähige Kompromisse zu finden, die sowohl den Nachhaltigkeitsansprüchen gerecht werden als auch die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen berücksichtigen.

Umsetzung in Deutschland bis 2027

Für Deutschland bleibt die Umsetzungsfrist der CSDDD bis 2027 verbindlich. Diese Deadline setzt Bundesregierung und Unternehmen unter Zeitdruck, die notwendigen Anpassungen in nationales Recht und betriebliche Prozesse zu integrieren. Die Wirtschaft erwartet hier klare Vorgaben und praktikable Lösungen, um die komplexen Anforderungen an Lieferkettenmanagement umsetzen zu können.

Datum/Stand Ereignis/Entscheidung Kurzwirkung Quelle
28.02.2025 EU-Parlament: Fristverlängerung um 1 Jahr für nationale CSDDD-Umsetzung; Omnibus sieht spätere/reduzierte Umsetzung vor* Verlängerter Zeitrahmen für nationale Anpassungen *
20.03.2025 Deutschland muss CSDDD bis 2027 umsetzen* Verbindliche Deadline für deutsche Gesetzgebung *

Die kommenden Monate werden zeigen, ob die EU-Institutionen die notwendige Handlungsfähigkeit beweisen können, um sowohl die regulatorischen Rahmenbedingungen zu stabilisieren als auch faire Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen gegenüber internationalen Mitbewerbern zu sichern.

Die nachfolgenden Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung des Handelsverband Deutschland (HDE) e.V.

Weiterführende Quellen:

15 Antworten

  1. „Die vielen Veränderungen im Gesetz sind wirklich schwer nachzuvollziehen für viele Firmen. Ich finde es gut, dass der Handelsverband auf diese Probleme hinweist. Was meint ihr: Könnte eine stärkere Lobbyarbeit helfen?

  2. Die Kritik von NGOs ist wichtig, aber ich verstehe auch die Sorgen der Wirtschaft. Wir brauchen ein Gleichgewicht zwischen Menschenrechten und wirtschaftlicher Stabilität. Was könnte man tun, um beide Seiten zufriedenzustellen?

    1. „Gute Frage! Vielleicht wäre mehr Transparenz in den Verhandlungen hilfreich? Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass sie Verantwortung übernehmen und gleichzeitig wettbewerbsfähig bleiben können.

  3. Es ist wirklich unverständlich, warum die EU immer wieder solche Fristen verschiebt. Die Unternehmen brauchen dringend Lösungen! Ich hoffe, dass es bald zu einer Einigung kommt, die sowohl fair als auch umsetzbar ist.

    1. Ich bin ganz deiner Meinung! Die ständigen Verzögerungen sind frustrierend. Glaubt ihr, dass sich die Lage für kleine und mittelständische Betriebe verbessern könnte?

  4. Ich finde es sehr besorgniserregend, dass die EU-Lieferkettengesetzgebung so viel Unsicherheit schafft. Wie sollen Unternehmen in so einem Umfeld planen? Es ist wichtig, dass klare und verlässliche Vorgaben geschaffen werden.

    1. Ja, das stimmt! Ohne Planungssicherheit wird es für viele Firmen schwer. Was denkt ihr über die Vorschläge zur Omnibus-Initiative? Könnten die wirklich helfen oder sind sie nur ein weiterer Schritt in die falsche Richtung?

  5. …es ist frustrierend zu sehen, wie sich alles zieht! Die Fristverlängerung für die CSDDD ist ein Schritt zurück anstatt vorwärts. Wie kann das Vertrauen in die EU zurückgewonnen werden?

  6. Es ist schon komisch, dass trotz der immer wiederkehrenden Kritiken keine klaren Lösungen in Sicht sind. Wie können NGOs und Wirtschaft eine gemeinsame Linie finden? Gibt es da Ansätze?

    1. Das wäre wichtig! Ein Dialog zwischen beiden Seiten könnte vielleicht helfen, zumindest bessere Ergebnisse zu erzielen.

    2. …und vor allem müssen die Interessen der Menschenrechte stärker berücksichtigt werden! Wo bleibt da der Schutz?

  7. Ich finde es wirklich besorgniserregend, wie die EU mit dem Lieferkettengesetz umgeht. Unternehmen brauchen Planbarkeit, sonst wird das Chaos nur größer. Was denkt ihr über die Forderungen des Handelsverbands? Ist das realistisch?

    1. Ja, ich stimme zu. Ohne klare Regelungen wird die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen ernsthaft gefährdet. Welche Lösungen könnten denn schnell umgesetzt werden?

    2. Ich bin auch der Meinung, dass wir dringend Klarheit brauchen. Die vielen Verschiebungen verwirren nur alle Beteiligten.

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