Erbbaurecht im Fokus: Zwischen sozialer Wohnraumförderung und wirtschaftlichem Interesse – Chancen, Herausforderungen und aktuelle Entwicklungen beim Erbbauzins

In deutschen Kommunen werden Erbbaurechte vermehrt unter vergünstigten Zinsen vergeben, um sozialen Wohnraum und kulturelle Projekte zu fördern. Der Deutsche Erbbaurechtsverband warnt jedoch, dass viele Erbbaurechte in erster Linie als Einnahmequelle für Stiftungen und Kirchen dienen. Steigende Grundstückspreise führen bei Neuverträgen oft zu deutlich höheren Erbbauzinsen, sodass soziale Zielsetzungen langfristig kaum gesichert werden.
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Inhaltsübersicht

– In deutschen Kommunen gewinnen Erbbaurechte an Bedeutung als vergünstigtes Wohninstrument.
– Mehrheit der Erbbaurechte verfolgt nicht automatisch soziale Ziele, Zinsen sichern Trägerfinanzierung.
– Grundstückspreissteigerungen führen bei Erbbauzins-Neuverhandlungen zu deutlichen Kostensteigerungen oft ohne Sozialbindung.

Erbbaurecht in deutschen Kommunen: Sozialer Nutzen und Herausforderungen

In deutschen Kommunen gewinnen Erbbaurechte zunehmend an Bedeutung. Sie werden vielerorts zu günstigen Konditionen vergeben, um bestimmte Bevölkerungsgruppen beim Wohnen oder bei sozialen und kulturellen Projekten zu unterstützen. Dabei wird beim Erbbaurecht das Eigentum am Grundstück vom Eigentum am darauf stehenden Gebäude getrennt. Der Erbbaurechtsnehmer zahlt dem Eigentümer dafür einen sogenannten Erbbauzins. Dieses Modell eröffnet Familien und Baugemeinschaften oft durch Rabatte auf den Erbbauzins die Chance, Wohneigentum zu erwerben oder sozial bedeutsame Vorhaben umzusetzen. Kommunale Beispiele wie Hamburg nutzen Erbbaurechte, um Wohnungen mit langfristiger Mietpreisbindung zu schaffen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) betonte 2019 dazu: Dauerhafte Beschränkungen lassen sich nur dann erreichen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit dem Instrument des Grundstücksverkaufs, sondern mit dem dazu bestimmten Instrument der Ausgabe des Erbbaurechts verfolgt wird. Dennoch warnt der Deutsche Erbbaurechtsverband davor, dass nicht jedes Erbbaurecht automatisch einem sozialen Zweck dient. Viele Erbbaurechtsgeber, darunter kirchliche Organisationen, Stiftungen oder Unternehmen, sind auf die Einnahmen aus dem Erbbauzins angewiesen, um ihre eigenen Aufgaben oder Vermögensinteressen zu sichern.

Ingo Strugalla, Präsident des Deutschen Erbbaurechtsverbands, erläutert: Es stimmt: Das Erbbaurecht wurde 1919 reformiert, um möglichst vielen Menschen Wohneigentum zu ermöglichen. Aber die wenigsten Erbbaurechte sind Sozialprojekte. Auch die Erbbaurechtsgeber müssen Einnahmen erzielen, um ihren Aufgaben nachkommen zu können. Besonders konfliktträchtig ist die Neuverhandlung von Erbbaurechten, weil mit den stark gestiegenen Grundstückspreisen oft auch der Erbbauzins bei Vertragsverlängerungen oder -erneuerungen deutlich ansteigt. Forderungen der Erbbaurechtsnehmer nach sozialen Erbbauzinsen bleiben dann häufig unerfüllt, da zu Beginn der Erbbaurechtsbestellung meist kein sozialer Zweck verfolgt wurde.

Erbbaurechte zwischen sozialer Verantwortung und Marktkräften

Erbbaurechte spielen eine bedeutende Rolle im Spannungsfeld zwischen sozialen Wohnbedürfnissen und ökonomischen Interessen. Ihr gesellschaftlicher Wert zeigt sich besonders in Kontexten, in denen der klassische Eigentumserwerb durch hohe Grundstückspreise unwirtschaftlich oder unerschwinglich wird. Das Erbbaurecht eröffnet demnach Alternativen, um Wohnen langfristig zu sichern, ohne dass Grundstücke notwendigerweise verkauft werden müssen. Doch die Frage bleibt, wann Erbbaurechte tatsächlich sozialen Zielen dienen und wann sie vielmehr den dynamischen Mechanismen des Marktes unterworfen sind.

Im Vergleich zu herkömmlichen Eigentumsformen ermöglichen Erbbaurechte eine dauerhafte Nutzung von Land bei gleichzeitiger Trennung von Grundstück und Gebäude. Diese Trennung kann ein Instrument sein, um den Zugang zu Wohnraum zu erleichtern – vor allem im sozialen Wohnungsbau, wo verbindliche Laufzeiten und Preisbindungen Schutz gegen Spekulation bieten. Allerdings sind Erbbaurechte keineswegs per se sozial; ihre Wirkung hängt stark von Ausgestaltung, Laufzeit und politischen Rahmenbedingungen ab. Ohne klare sozialpolitische Steuerung könnten sie rasch zu einem weiteren Instrument der Bodenvermarktung werden, was insbesondere in angespannten Wohnungsmarktlagen Konflikte um Nutzung und Wertsteigerung verschärft.

Der gesellschaftliche Diskurs um Erbbaurechte kreist somit um mehrere Kernfragen: Wie kann ein gerechter Ausgleich zwischen den Interessen von Erbbaurechtsnehmern – meist Mieter oder Nutzer – und Erbbaurechtsgebern – häufig Kommunen, Kirchen oder private Eigentümer – gelingen? Welche Rolle sollen Erbbaurechte angesichts steigender Grundstückspreise und starker Bautätigkeiten einnehmen? Und welche politischen Instrumente sind geeignet, um soziale Wohnziele langfristig zu sichern?

Zentrale Herausforderungen ergeben sich darin, die Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit von Erbbaurechtsverträgen mit dem Ziel sozialer Nachhaltigkeit zu verbinden. Die Entwicklung von Vertragsmodellen, die flexibel auf Marktdynamiken reagieren, ohne sozialen Schutz aufzuweichen, wird an Bedeutung gewinnen. Ebenso sind staatliche Steuerungsinstrumente gefragt, um Spekulation zu begrenzen und die Bodenpolitik aktiv zu gestalten.

Mögliche Trends im Erbbaurecht lassen sich folgendermaßen skizzieren:

  • Längere Vertragslaufzeiten zur Stabilisierung sozialer Wohnprojekte
  • Anpassung von Erbbauzinsen als Steuerungsinstrument in Zeiten steigender Grundstückspreise
  • Kombination mit Förderprogrammen für den sozialen Wohnungsbau
  • Stärkere öffentliche Kontrolle und Transparenz bei der Vergabe von Erbbaurechten
  • Einbindung klimatischer und nachhaltiger Auflagen in Erbbaurechtsverträge

Angesichts der anhaltenden Verteuerung von Bauland und wachsender urbaner Verdichtung bietet das Erbbaurecht Potenzial, Wohnraum gezielt zu steuern und zurück in den Dienst sozialer Zwecke zu stellen. Zugleich erfordert dies eine engagierte politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Rahmenbedingungen, damit Erbbaurechte nicht nur als Marktphänomen, sondern als aktives Instrument sozialer Bodenpolitik verstanden werden.

Für weitere Informationen, Pressekontakte, Bilder oder Dokumente geht es hier zur Quelle mit dem Originaltitel:
Müssen Erbbaurechte sozial sein? | Presseportal

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11 Antworten

  1. Erbbaurecht ist sehr kompliziert! Es ist gut, wen Städte helfen tun. Aber für mich ist nicht alles klar.

  2. Ich dachte immer, dass Erbbaurechte nur für sozialen Wohnungsbau sind. Aber es scheint, das es auch für Unternehmen nützlich sein kann.

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