– Energy Sharing benötigt klare Regeln und kommunale Beteiligung
– Kritik an geplanter Ausweitung über Bilanzierungsgebiete wegen Komplexität
– Kommunale Unternehmen sind nach aktuellem Entwurf von Teilnahme ausgeschlossen
Energy Sharing: Chance für die Energiewende mit klaren Regeln nötig
Die aktuelle Debatte im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie über die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes bringt ein wichtiges Zukunftsthema auf die Tagesordnung: Energy Sharing. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstützt grundsätzlich die Einführung dieser neuen Form der Energieverteilung, mahnt jedoch praxistaugliche Regelungen an. Aus Sicht des Verbands müssen drei zentrale Punkte im Gesetz berücksichtigt werden: die Sicherstellung technischer Voraussetzungen wie intelligenter Messsysteme und klarer Abrechnungsprozesse, die Begrenzung auf Bilanzierungsgebiete zur Vermeidung von Komplexität sowie die Öffnung der Teilnahme für kommunale Unternehmen.
„Energy Sharing ist eine spannende Idee für engagierte Bürgerinnen und Bürger“
„Auch viele Kommunen sind interessiert: lokal erzeugter grüner Strom lässt sich für energieintensive Prozesse verwenden – etwa in der Abwasserbehandlung oder in Schwimmbädern“
Die technische Umsetzung bewertet der VKU als herausfordernd. „Ohne intelligente Messsysteme, präzise Bilanzierung und klare Abrechnungsprozesse funktoriert das nicht“ betont der Verband. Zudem benötigen Reststromlieferanten verbindliche Informationspflichten, um ihre Versorgungsaufgabe erfüllen zu können.
Besondere Skepsis gilt der geplanten räumlichen Ausweitung. „Bei all den Fragen, die der Gesetzentwurf noch offen lässt – wer ist beim Energy Sharing eigentlich für Abrechnung, Bilanzierung und Netzentgelte verantwortlich? – empfehlen wir dringend, die Bilanzierungsgebiete nicht zu überschreiten. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass Strommengen und Netzentgelte nicht mehr eindeutig zugeordnet werden können.“
Kritisch sieht der VKU den aktuellen Ausschluss kommunaler Unternehmen. Da diese die KMU-Definition der EU nicht erfüllen können, bleiben sie von der Teilnahme ausgeschlossen – eine Situation, die der Verband als „absurd“ bezeichnet.
„Deshalb gilt: Energy Sharing ja – aber bitte mit Maß, innerhalb klarer bilanzierbarer Grenzen und zum Nutzen des Klimaschutzes vor Ort“
Energy Sharing: Vom EU-Recht zur deutschen Umsetzung
Die rechtlichen Grundlagen für Energy Sharing entwickeln sich aktuell in einem mehrstufigen Prozess von der europäischen bis zur nationalen Ebene. Den Ausgangspunkt bildete die EU-Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (EMD III), die im Sommer 2024 verabschiedet wurde. Diese europäische Vorgabe definiert Energy Sharing erstmals rechtlich und erlaubt ausdrücklich auch die Teilnahme von Nicht-KMU, sofern deren Anlagen kleiner als 6 MW sind. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, diese Vorgaben bis 17. Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen.
Nationale Umsetzung: Kabinett und Bundesrat
Deutschland hat mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) den ersten Schritt zur nationalen Umsetzung getan. Im Januar 2025 beschloss das Bundeskabinett eine EnWG-Novelle, die Energy Sharing erstmals die gemeinschaftliche Nutzung erneuerbarer Energie über öffentliche Netze ermöglicht. Diese Regelung bildet die grundlegende gesetzliche Basis für die gemeinsame Stromnutzung.
Allerdings sieht der Bundesrat weiteren Nachbesserungsbedarf. Im Mai 2025 forderte die Länderkammer Änderungen am §42c EnWG, insbesondere bei der KMU-Definition und der Einbindung kommunaler Unternehmen. Diese Forderungen zielen darauf ab, die Teilnahmemöglichkeiten zu erweitern und praxistauglicher zu gestalten.
Bilanzierungsgebiete als praktische Grenze
Ein zentraler Begriff im regulatorischen Rahmen sind Bilanzierungsgebiete. Dabei handelt es sich um räumliche Einheiten, in denen Stromeinspeisungen und -verbräuche bestimmten Marktteilnehmern zugeordnet werden. Diese Zuordnung ist notwendig, um Stromhandel und Abrechnung korrekt durchführen zu können. Die Diskussion um Energy Sharing konzentriert sich daher stark auf die Frage, ob die gemeinsame Nutzung innerhalb eines Bilanzierungsgebiets bleiben oder grenzüberschreitend möglich sein soll.
Der weitere Gesetzgebungsprozess wird zeigen, wie Deutschland die europäischen Vorgaben bis zur Umsetzungsfrist im Juli 2026 final in nationales Recht überführt und welche praktischen Rahmenbedingungen für Energy Sharing letztlich gelten werden.
Technische Umsetzung und Marktherausforderungen beim Energy Sharing
Energy Sharing klingt in der Theorie einfach – lokal erzeugter Ökostrom wird unter Nachbarn geteilt. Die praktische Umsetzung stellt jedoch hohe technische und organisatorische Anforderungen an alle Beteiligten. Zentral für funktionierende Energiegemeinschaften sind präzise Messsysteme, fehlerfreie Bilanzierung und reibungslose Marktkommunikation.
Messung & Bilanzierung (Viertelstunde)
Die Grundvoraussetzung für Energy Sharing bildet die viertelstundenscharfe Leistungsmessung. Seit Sommer 2024 ist diese Messtechnik für Sharing-Modelle verbindlich vorgeschrieben. Intelligente Messsysteme erfassen dabei alle 15 Minuten, wie viel Strom einzelne Haushalte verbrauchen und wie viel die lokale Erzeugungsanlage produziert.
Eine Solaranlage auf dem Mehrfamilienhaus speist um 12:15 Uhr genau 8 Kilowattstunden ins Hausnetz ein. Gleichzeitig verbrauchen drei teilnehmende Haushalte jeweils 2, 3 und 1 Kilowattstunde. Das Messsystem weist den erzeugten Strom minutengenau den Verbrauchern zu – nur so lässt sich später korrekt abrechnen, wer welchen Anteil des lokal produzierten Stroms tatsächlich genutzt hat.
Die technischen Voraussetzungen im Überblick:
- Intelligente Messsysteme mit viertelstündlicher Erfassung
- Echtzeit-Datenkommunikation zwischen allen Teilnehmern
- Automatisierte Zuordnung von Erzeugung und Verbrauch
- Sichere Datenübertragung an Marktpartner
Wirtschaftlichkeit und Marktprozesse
Neben der Technik bereiten die Marktprozesse erhebliche Herausforderungen. Jedes Energy-Sharing-Modell benötigt einen Reststromlieferanten, der die Versorgungslücken füllt, wenn der lokale Ökostrom nicht ausreicht. Dieser Lieferant muss rechtzeitig und zuverlässig über die Teilnahme jedes Verbrauchers informiert werden – inklusive dessen individueller Verbrauchskurve und der durch Energy Sharing gedeckten Strommengen.
Die wirtschaftliche Attraktivität von Energy Sharing bleibt Stand Juli 2025 fraglich. Fehlende Netzentgeltreduzierungen oder finanzielle Anreize stellen die Rentabilität vieler Projekte infrage. Ohne klare regulatorische Vorgaben zur Kostenverteilung und Abrechnung entstehen zudem hohe administrative Aufwände.
Besonders komplex wird die Situation, wenn Energy Sharing über Bilanzierungsgebiete hinweg stattfinden soll. Innerhalb dieser Gebiete werden Stromeinspeisungen und -verbräuche Marktteilnehmern zugeordnet. Eine Überschreitung dieser Grenzen führt zu erheblich gesteigerten Anforderungen an Schnittstellen und Abstimmungsprozesse – mit entsprechend höheren Kosten und technischem Aufwand.
Energy Sharing in Deutschland: Verbreitung und politische Forderungen
Energy Sharing entwickelt sich in Deutschland zunehmend zu einem relevanten Baustein der dezentralen Energiewende. Aktuell zählt die Bundesrepublik etwa 280 Energy-Sharing-Projekte (Stand: Mai 2025). Diese Zahl zeigt das wachsende Interesse an gemeinschaftlichen Energieprojekten, bei denen lokal erzeugter Strom von mehreren Teilnehmern genutzt wird. Allerdings bleibt die Beteiligung kommunaler Akteure bisher deutlich hinter den Möglichkeiten zurück: Nur rund 13 Prozent der Projekte weisen eine kommunale Beteiligung auf.
Bestandsaufnahme: Anzahl Projekte und kommunale Beteiligung
Die geringe kommunale Beteiligung ist besonders problematisch, da gerade kommunale Betriebe wie Abwasseranlagen oder Schwimmbäder mit ihrem hohen Energiebedarf ideale Abnehmer für lokal erzeugten Ökostrom wären. Die Vorteile einer stärkeren Einbindung kommunaler Unternehmen liegen auf der Hand: Sie bringen langfristige Planungssicherheit, verfügen über geeignete Liegenschaften und können die regionale Wertschöpfung stärken. Gleichzeitig könnten sie ihre energieintensiven Prozesse klimafreundlicher gestalten und so einen direkten Beitrag zur lokalen CO₂-Reduktion leisten.
Die aktuellen Hemmnisse sind jedoch erheblich. Wie der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) kritisiert, schließt der aktuelle Gesetzesentwurf kommunale Unternehmen aufgrund der EU-KMU-Definition faktisch aus. Diese Definition orientiert sich an der Eigentümerstruktur und nicht an der tatsächlichen Unternehmensgröße, was öffentliche Unternehmen benachteiligt.
Politische Forderungen zur KMU-Definition
Die politischen Forderungen zur Lösung dieses Problems gewinnen an Fahrt. Der Bundesrat fordert im Mai 2025 konkrete Nachbesserungen am §42c EnWG. Im Zentrum steht eine geänderte KMU-Definition, die sich an Größe und Umsatz der Unternehmen orientieren und kommunale Unternehmen explizit einbeziehen soll. Diese Forderung deckt sich mit der Position des VKU, der bereits zuvor auf die Absurdität des aktuellen Ausschlusses hingewiesen hatte.
Eine restriktive KMU-Definition hat praktische Konsequenzen: Sie verhindert, dass kommunale Betriebe von günstigerem lokalem Ökostrom profitieren, bremst Investitionen in erneuerbare Energien aus und schmälert die regionale Akzeptanz von Energy-Sharing-Projekten. Ohne die Beteiligung der Kommunen bleibt ein erhebliches Potenzial für die dezentrale Energiewende ungenutzt. Die politischen Weichenstellungen der kommenden Monate werden entscheidend sein, ob Energy Sharing zu einem wirklich breitenwirksamen Modell werden kann.
Energy Sharing: Der Weg zur Umsetzung bis 2026
Die rechtlichen Grundlagen für Energy Sharing in Deutschland befinden sich in der entscheidenden Phase. Während die europäische Richtlinie bereits den Rahmen vorgibt, arbeiten Politik und Behörden nun an der konkreten Ausgestaltung auf nationaler Ebene.
Zeitplan & Fristen
Die Umsetzung von Energy Sharing folgt einem straffen Zeitplan, der durch die EU-Vorgaben vorgezeichnet ist. Die EU Electricity Market Design Reform (EMD III) wurde im Sommer 2024 beschlossen und bildet die europäische Rahmenbedingung.
Im Januar 2025 hat das Bundeskabinett den Entwurf zur Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes mit §42c beschlossen. Dieser bildet die rechtliche Grundlage für Energy Sharing in Deutschland. Allerdings zeigte sich im Mai 2025, dass der Bundesrat Nachbesserungsforderungen stellt – ein Hinweis auf die Komplexität der Materie.
Die finale Umsetzungsfrist für Deutschland endet am 17. Juli 2026. Bis zu diesem Datum müssen alle notwendigen gesetzlichen und administrativen Voraussetzungen geschaffen sein.
| Datum | Ereignis | Relevante Aussage | Quelle/Stand |
|---|---|---|---|
| Sommer 2024 | EMD III | Europäische Rahmenbedingungen | Stand: Sommer 2024 |
| Januar 2025 | Kabinett: EnWG-Novelle §42c | Nationale Gesetzesgrundlage | Stand: Januar 2025 |
| Mai 2025 | Bundesrat: Nachbesserungsforderungen | Weitere Präzisierung erforderlich | Stand: Mai 2025 |
| 17.07.2026 | Umsetzungsfrist Deutschland | Finale Implementierung | Stand: Sommer 2024 |
Handlungsempfehlungen
Energy Sharing bietet die Chance, die Energiewende partizipativ zu gestalten – vorausgesetzt, die rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen stimmen bis Juli 2026.
Die nachfolgenden Informationen und Aussagen entstammen einer Pressemitteilung des Verbands kommunaler Unternehmen e. V. (VKU).
Weiterführende Quellen:
- „Energy Sharing wurde mit der EU Electricity Market Design Reform (EMD III, Sommer 2024) rechtlich definiert und erlaubt ausdrücklich auch Nicht-KMU die Teilnahme, wenn Anlagen kleiner als 6 MW sind; die deutsche Umsetzung muss bis 17. Juli 2026 erfolgen.“ – Quelle: https://www.erneuerbare-energien-hamburg.de/de/blog/details/die-zukunft-von-energy-sharing-in-deutschland.html
- „Eine Energiegemeinschaft kann durch Einführung eines virtuellen Bilanzierungsgebiets flexibel verschiedene Marktteilnehmer einbinden, Voraussetzung ist eine viertelstundenscharfe Zuweisung und Abrechnung der Energiemengen.“ – Quelle: https://www.buendnis-buergerenergie.de/fileadmin/user_upload/downloads/Material/Energy_Sharing_Umsetzungsoption_virtuelle_Bilanzierung.pdf
- „Das Kabinett hat im Januar 2025 die EnWG-Novelle mit §42c beschlossen, die Energy Sharing erstmals die gemeinschaftliche Nutzung erneuerbarer Energie über öffentliche Netze ermöglicht; Branchenverbände mahnen an, kommunale Unternehmen stärker einzubeziehen.“ – Quelle: https://www.neueenergie.net/artikel/politik/deutschland/enwg-novelle-staerkt-energy-sharing
- „Der Bundesrat fordert im Mai 2025 Nachbesserungen zum §42c EnWG, insbesondere eine geänderte KMU-Definition, breitere Anwendungsbereiche und die explizite Einbindung kommunaler Unternehmen.“ – Quelle: https://www.advant-beiten.com/aktuelles/neue-impulse-fuer-das-energy-sharing-durch-den-bundesrat
- „Bis Mai 2025 werden etwa 280 Energy-Sharing-Projekte in Deutschland gezählt, davon rund 13 % mit kommunaler Beteiligung; kommunale Träger sind oft wegen restriktiver KMU-Definition unterrepräsentiert.“ – Quelle: https://www.dgrv.de/wp-content/uploads/2024/06/20240523_Positionspapier_Energy_Sharing_EMD.pdf
- „Energy Sharing kann durch viertelstündliche Leistungsmessung netzdienlich wirken und lokale Netze entlasten; diese Messung ist ab Sommer 2024 für Sharing-Modelle vorgeschrieben.“ – Quelle: https://www.ews-schoenau.de/blog/artikel/netzdienliche-effekte-durch-energy-sharing/
- „Unklar bleibt nach Juli 2025 die Wirtschaftlichkeit von Energy Sharing, da Netzentgeltreduzierungen oder finanzielle Anreize bislang fehlen.“ – Quelle: https://www.bee-ev.de/service/publikationen-medien/beitrag/stellungnahme-zur-enwg-novelle-juli-2025
7 Antworten
„Energy Sharing ja – aber bitte mit Maß“ ist ein guter Punkt. Wir müssen sicherstellen, dass alles gut geregelt ist. Wer kann hier helfen? Wo liegen die größten Probleme momentan?
Ich habe gehört, dass viele Kommunen an Energy Sharing interessiert sind. Es wäre super, wenn Schwimmbäder und Abwasseranlagen von lokalem Ökostrom profitieren könnten! Welche Erfahrungen habt ihr damit gemacht?
Das klingt nach einer tollen Möglichkeit! Ich glaube, wenn mehr Menschen davon erfahren würden, würden sie sich auch eher engagieren. Was denkt ihr über die Rolle der Bürger in diesem Prozess?
Die technische Umsetzung von Energy Sharing wird wirklich eine Herausforderung sein. Wie sieht es mit den intelligenten Messsystemen aus? Könnte das nicht langfristig teuer werden? Ich frage mich, wie wir das als Gesellschaft stemmen können.
Das sind gute Punkte, Erich! Die Kosten für die Technik könnten ein großes Hindernis sein. Vielleicht gibt es Förderprogramme oder Unterstützung von der Regierung? Ich hoffe wirklich, dass wir Lösungen finden!
Ich finde das Thema Energy Sharing sehr interessant. Besonders die Idee, dass kommunale Unternehmen mehr eingebunden werden sollten, ist wichtig. Warum gibt es so viele Hürden für diese Unternehmen? Das hemmt doch die Energiewende!
Ich stimme Paul zu! Es ist wichtig, dass auch kleine und kommunale Firmen mitmachen können. Haben wir nicht genug Potenzial in unseren Städten? Vielleicht sollte man die Definition von KMU überdenken, um eine bessere Beteiligung zu ermöglichen.