Zwischen Akku-Alarm und Kreislaufchance: Dringender Handlungsbedarf beim Elektroaltgeräte-Recycling
Der 23. Elektro(nik)-Altgerätetag des bvse in Potsdam hat die politischen Weichenstellungen rund um das Recycling von Elektroaltgeräten in den Fokus gerückt. Die aktuelle politische Lage hinterlässt auch in unserer Branche deutliche Spuren, stellte bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock zu Beginn der Veranstaltung fest. Besonders die gescheiterte Novelle des Elektrogesetzes (ElektroG) sorgte für Ernüchterung: Weil die Ampelkoalition endete, wurde der dazugehörige Gesetzesentwurf nicht mehr im Bundestag behandelt. Dabei enthielt er wichtige Maßnahmen, beispielsweise die fachgerechte Annahme von Altgeräten an Wertstoffhöfen durch geschultes Personal. Gerade dieser Punkt ist für die Sicherheit entscheidend, um brandgefährliche Akkus rechtzeitig auszusortieren.
Die Dringlichkeit dieser Regelung wird durch die steigende Zahl von Bränden wegen falsch entsorgter Batterien unterstrichen. Obwohl verlässliche Statistikdaten fehlen, gehen Schätzungen von jährlichen Schäden in Höhe mehrerer hundert Millionen Euro aus. Rehbock fordert daher klare gesetzliche Rahmenbedingungen von der künftigen Bundesregierung, um Sicherheit, Ressourcenschutz und ein funktionierendes Recyclingsystem sicherzustellen.
Ein besonders kritisches Thema sind Einweg-E-Zigaretten, die inzwischen etwa 30 Prozent des wachsenden E-Zigarettenmarkts ausmachen. bvse-Vizepräsident Bernhard Jehle wies auf das massive Risiko hin: Die darin enthaltenen Lithium-Ionen-Akkus speichern selbst nach Gebrauch noch bis zu 70 Prozent ihrer Restenergie. Ohne verpflichtende Rücknahmesysteme oder Aufklärung durch die Hersteller bestehen erhebliche Gefahren für Umwelt und Menschen. Jehle kritisierte das Schweigen der Hersteller scharf und forderte entweder ein Verbot oder zumindest ein verpflichtendes Pfandsystem.
Neben den Sicherheitsbedenken standen auch ökologische Chancen im Mittelpunkt der Debatte. Unter dem Motto "Mehr Geräte. Bessere Qualität. Mehr Umweltschutz." mahnte Jehle an, die Sammlung von Elektroaltgeräten sowohl qualitativ als auch quantitativ zu verbessern. Während einige Kommunen bereits gute Ergebnisse erzielen, zeige sich andernorts deutliches Verbesserungspotenzial. Dafür seien ein konsequenter Vollzug bestehender Regeln, transparente Best-Practice-Beispiele und gezielte Verbraucherinformation notwendig. Nur so lasse sich ein attraktives Rücknahmesystem schaffen, das Ressourcen sichert und die Umwelt schützt.
Umstritten ist zudem die sogenannte „Open Scope“-Regelung im ElektroG, die auch Produkte wie beleuchtete Möbel oder Textilien als Elektroaltgeräte definiert. Jehle bewertete diese Ausweitung als praxisfern und forderte dringend eine Überarbeitung, um Fehlwürfe und unnötigen Mehraufwand zu vermeiden.
Die Bedeutung der Abfallwirtschaft für den Umwelt- und Ressourcenschutz wurde ebenfalls deutlich herausgestellt. Christian Kitazume vom Umweltbundesamt betonte die zentrale Rolle des Recyclings für die Dekarbonisierung sowie Ressourcensicherung. Ein beeindruckendes Beispiel: Aus der Sammlung von Elektroaltgeräten entsteht ein hochwertiges Kunststoffrecyclingpotenzial von etwa 70.000 Tonnen jährlich. Die Branche arbeite hierbei bereits effizient, wie die UBA-Studie zum Kunststoffrecycling belege.
Neue gesetzliche Rahmenwerke wie der Circular Economy Act oder die Produkt- und Verpackungsrecyclingrichtlinie (PPWR) sollen laut Christian Eckert vom ZVEI eine bessere Nutzung kreislauffähiger Produkte fördern. Klar definierte Normen, Standards und Digitalisierung, etwa durch den digitalen Produktpass, seien unerlässlich, um Qualität und Verfügbarkeit von Rezyklaten – besonders bei Kunststoffen und seltenen Rohstoffen – sicherzustellen. Gleichzeitig warnte André Rückert von der Ecologicon GmbH vor Herausforderungen bei der Umsetzung, etwa fehlender Standardisierung, hohen Kosten und offenen Datenschutzfragen. Der digitale Produktpass könne zwar die Rückverfolgbarkeit und Materialrückgewinnung verbessern, erfordere aber die gemeinsame Anstrengung von Industrie, Politik und Recyclingwirtschaft.
Ein praktisches Beispiel für Verantwortung aus der Praxis lieferte Olaf Dechow von der Otto Group. Der Konzern nimmt jährlich rund 46.000 Tonnen Altgeräte in Deutschland zurück und agiert dabei in mehreren Rollen als Händler, Plattformbetreiber und „Quasihersteller“. Für ihn ist entscheidend, dass ökologische Ansprüche, wirtschaftliche Realitäten und Umsetzbarkeit in Einklang stehen, damit gesetzliche Vorgaben in der Praxis Wirkung entfalten.
Auch der Aspekt des internationalen Handels wurde thematisiert. Julia Ettinger, Generalsekretärin von EuRIC, warnte vor wachsenden protektionistischen Tendenzen im Schrotthandel, die sich negativ auf die Recyclingwirtschaft und den europäischen Binnenmarkt auswirken könnten. Sowohl EuRIC als auch der bvse setzen sich deshalb entschlossen für offene Märkte, Ressourcenschutz und fairen Wettbewerb ein.
Zum Abschluss betonte Sebastian Krauß vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW): „Bürokratie ist ein Innovationskiller – und längst eine existenzielle Gefahr.“ Er forderte einen grundlegenden Kulturwandel in der Verwaltung, weg von Kontrollmechanismen hin zu mehr Vertrauen und Ermöglichung für Unternehmen. Gesetzliche Anpassungen allein reichten nicht aus.
Die Statements und Forderungen des bvse-Elektro(nik)-Altgerätetags zeigen deutlich, dass die Branche vor komplexen Herausforderungen steht, die eine entschlossene politische Initiative erfordern. Nur durch klare Regelungen, praktikable Strukturen und stärkere Zusammenarbeit kann die Sicherheit erhöht und die Kreislaufwirtschaft weiter gestärkt werden.
Quelle: Pressemitteilung bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.
Kreislaufwirtschaft am Wendepunkt: Herausforderungen und Chancen für Umwelt, Verbraucher und Wirtschaft
Das Recycling von Elektroaltgeräten und Batterien steht aktuell unter starkem Druck – aus mehreren Gründen gewinnt die Thematik erhebliche Brisanz für Verbraucher, Umwelt und Wirtschaft zugleich. Die steigende Anzahl akkubetriebener Geräte führt zu einem deutlich höheren Aufkommen an ausgedienten Lithium-Ionen-Batterien, die nicht nur wertvolle Rohstoffe enthalten, sondern auch erhebliche Sicherheitsrisiken bergen. Die Zahl der Brände, verursacht durch falsch entsorgte Batterien, nimmt stetig zu und verursacht Schadenskosten in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro jährlich. Damit wird deutlich: Die aktuelle Kreislaufwirtschaft befindet sich an einem entscheidenden Wendepunkt.
Für Verbraucher bedeutet das vor allem, dass die sichere und fachgerechte Rückgabe von Altgeräten unumgänglich wird, um Risiken wie Brände zu minimieren. Gleichzeitig stehen sie vor der Herausforderung, immer komplexere Produkte umweltgerecht zu entsorgen und sich im Dickicht gesetzlicher Vorgaben sowie Rücknahmeangeboten zurechtzufinden. Doch nicht nur Verbraucher, auch Kommunen und die Wirtschaft spüren die Auswirkungen. Kommunen kämpfen mit Unsicherheiten bei der Organisation von Sammelstellen und qualifiziertem Personal, um etwa gefährliche Akkus auszusondern. Die Wirtschaft wiederum ist auf verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen angewiesen, um effiziente Recyclingprozesse wirtschaftlich umsetzen und innovative Technologien entwickeln zu können.
Die Rolle von Digitalisierung und Produktverantwortung
Ein zentraler Hebel für die Zukunft der Kreislaufwirtschaft liegt in der Digitalisierung. Insbesondere der digitale Produktpass gilt als Schlüsselwerkzeug zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit von Materialien und zur Qualitätssicherung von Recyclingprozessen. Er ermöglicht, Informationen über die Zusammensetzung und die Nutzungshistorie eines Produkts zentral verfügbar zu machen. So lassen sich gefährliche oder wertvolle Komponenten schneller erkennen und fachgerecht behandeln.
Allerdings bringt die Digitalisierung auch Herausforderungen mit sich. Fehlende Standards und Datenschutzfragen verlangsamen bislang eine flächendeckende Einführung. Hier ist eine enge Zusammenarbeit von Industrie, Politik und Recyclingbranche notwendig, um gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig wächst der Druck, Verantwortung entlang der gesamten Produktkette zu übernehmen – vom Hersteller über den Handel bis zum Verbraucher. Die Rücknahmeverantwortung großer Konzerne, die beispielsweise Zehntausende Tonnen Altgeräte jährlich zurücknehmen, zeigt, dass ökologisches Engagement wirtschaftlich und praktisch verbunden werden muss.
Gesetzgebungstrends und internationales Umfeld
Die politische Rahmensetzung ist entscheidend für die Stabilität und Zukunftsfähigkeit der Kreislaufwirtschaft. In Deutschland stockt die Umsetzung wichtiger Reformen: Die Novelle des Elektrogesetzes, die bessere Annahmebedingungen und sicherheitsrelevante Vorgaben für Altgeräte vorsah, wurde durch das Ende der Ampelkoalition nicht mehr behandelt. Das bedeutet einen Rückschlag für die Branche, da dringend nötige Standards etwa in der Handhabung von Lithium-Ionen-Akkus an Wertstoffhöfen fehlen.
Parallel zeigt sich international ein Trend zu verschärften Regelungen, wie etwa im europäischen Circular Economy Act oder der Product Policy and Waste Regulation (PPWR). Diese Regelwerke zielen darauf ab, zirkuläre Produkte und Materialien stärker zu fördern und seltene Rohstoffe besser zu schützen. Doch protektionistische Tendenzen, etwa im Handel mit Sekundärrohstoffen, könnten die Dynamik der Kreislaufwirtschaft bremsen. Offene Märkte, faire Wettbewerbsbedingungen und transparente Normen sind deshalb wichtige Voraussetzungen, damit die Branche nachhaltige Fortschritte erzielt.
Wichtige Handlungsfelder lassen sich wie folgt gegenüberstellen:
- Sicherung der Verbrauchersicherheit: Fachgerechte Annahme und Trennung von gefährlichen Batterien
- Verbesserung der Sammelmengen und -qualität: Stärkere Verbraucherinformation und Vollzug bestehender Regeln
- Gezielte Digitalisierung: Einführung des digitalen Produktpasses bei einheitlichen Standards
- Klare gesetzliche Vorgaben: Förderung zirkulärer Produkte und Anpassung an internationale Normen
- Offene Märkte: Abwehr protektionistischer Maßnahmen für freien Handel mit Sekundärrohstoffen
Die kommenden Jahre werden zeigen, wie diese Elemente zusammenspielen und ob die Kreislaufwirtschaft den Umbruch als Chance nutzt oder die Risiken überwiegen. Für Verbraucher, Umwelt und Wirtschaft ist es entscheidend, dass gesetzgeberische Verzögerungen beseitigt und technologische Innovationen gezielt vorangetrieben werden. Nur so lassen sich Ressourcen schützen, Sicherheitsrisiken minimieren und neue wirtschaftliche Potenziale erschließen.
Kreislaufwirtschaft auf dem Weg: Impulse und Perspektiven nach dem bvse-Altgerätetag 2025
Die Ergebnisse des 23. bvse-Elektro(nik)-Altgerätetags spiegeln eine klare Erwartung an Politik und Gesellschaft wider: Die Kreislaufwirtschaft muss gestärkt, die gesetzlichen Rahmenbedingungen verbessert und der Umgang mit Elektroaltgeräten sicherer gestaltet werden. Die Diskussionen um den gescheiterten Gesetzesentwurf zum ElektroG und insbesondere die Problematik brandgefährlicher Akkus zeigen, wie dringlich die Aufgaben sind. Angesichts steigender Risiken durch unsachgemäße Entsorgung wächst der Druck auf die neue Bundesregierung, schnell und zielgerichtet zu handeln.
Die Berichte und Forderungen der Fachleute in Potsdam signalisieren zugleich eine optimistische Perspektive für die kommenden Monate. Mit verstärktem Vollzug, besserer Verbraucherinformation und innovativen Instrumenten wie dem digitalen Produktpass könnten sich Sammlung, Recycling und Ressourcenschutz deutlich verbessern. Gleichwohl erfordern diese Fortschritte eine engere Zusammenarbeit zwischen Industrie, Politik und Recyclingwirtschaft sowie ein konsequentes Engagement für offene Märkte und faire Wettbewerbsbedingungen.
Die gesellschaftliche Debatte um nachhaltigen Umgang mit Elektrogeräten wird in nächster Zeit durch die Impulse des bvse-Altgerätetags bereichert bleiben. Dabei stehen sowohl die Sicherheit im Umgang mit Lithium-Ionen-Akkus als auch die Förderung hochwertiger Kreislaufprozesse im Fokus. Das Interesse an praktikablen Lösungen und neuen gesetzlichen Vorgaben wird erheblich zunehmen, zumal die Herausforderungen durch den wachsenden E-Zigarettenmarkt und die teilweise unübersichtlichen Kategorien von Elektroaltgeräten mit der sogenannten „Open Scope“-Regelung eine breit getragene öffentliche Aufmerksamkeit erfahren.
Diese Entwicklungen markieren keine Endstation, sondern einen dynamischen Prozess hin zu einer klima- und ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft. Die kommenden Monate werden zeigen, wie die politischen Akteure die Impulse des bvse aufnehmen und künftig umsetzen – eine spannende Phase voller Chancen für Umwelt und Wirtschaft.
Dieser Beitrag wurde auf Basis einer Pressemitteilung des bvse-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. erstellt.
9 Antworten
Die digitale Produktverantwortung klingt spannend! Wie sicher ist das mit Datenschutz? Ich hoffe, dass hier nicht die Verbraucher leiden müssen.
Das stimmt! Datenschutz ist super wichtig und muss beachtet werden! Vielleicht sollten wir auch darüber abstimmen?
Die Ausweitung der Regelungen auf neue Produkte wie Möbel klingt kompliziert. Ist das wirklich notwendig? Wie könnte das praktisch umgesetzt werden?
Ich bin da skeptisch! Es könnte zu viel Bürokratie führen. Aber vielleicht sind klare Regeln nötig für den Umweltschutz.
Ja, ich glaube auch, dass ein einfacherer Prozess besser wäre. Es sollte nicht zu kompliziert für die Verbraucher sein!
Es ist erschreckend zu hören, wie viele Brände durch unsachgemäße Entsorgung von Batterien entstehen. Gibt es Möglichkeiten für eine bessere Rücknahme von Geräten?
Ja, das finde ich auch wichtig! Es müsste mehr Werbung dafür gemacht werden, wo man die Geräte abgeben kann. Vielleicht auch Anreize schaffen?
Das Thema ist echt interessant, aber ich denke, dass mehr Aufklärung nötig ist. Wie können wir die Bürger besser informieren? Vielleicht durch Workshops in den Gemeinden?
Ich finde es wichtig, dass die Politik endlich handelt. Die Sicherheit der Menschen sollte an erster Stelle stehen. Was kann man tun, damit solche Gesetze schneller umgesetzt werden? Ist da eine Petition sinnvoll?