– Im Sommer sinkt Tideelbe-Sauerstoff regelmäßig unter 2 mg/l, lebensbedrohlich für Fische.
– Elbvertiefung und nährstoffbedingte Algenblüten verschärfen Sauerstoffmangel und Fischsterben.
– BUND, NABU und WWF fordern Rücknahme der Elbvertiefung und mehr Flachwasserzonen.
Sauerstoffmangel bedroht die Tideelbe und löst jährlich Fischsterben aus
In der Tideelbe rund um den Hamburger Hafen sinkt seit Jahren in den Sommermonaten die Sauerstoffkonzentration regelmäßig unter kritische Werte – ein Phänomen mit dramatischen Folgen für die Tierwelt. Im Juni 2025 fiel die Konzentration erstmals am 5. Juni unter 4 Milligramm pro Liter und damit in den Bereich, der für Fische schon gefährlich ist. Kurz darauf lagen die Messwerte an den Stationen in Blankenese und Bunthaus im Tagesdurchschnitt zeitweise sogar unter 2 mg/l. Dieser Grenzwert gilt als tödlich für viele Fische und andere Gewässerorganismen. Die extrem niedrigen Sauerstoffwerte können mehrere Tage anhalten und bergen das Risiko, dass wieder tausende Fische ihr Leben verlieren – meist verborgen unter der trüben Wasseroberfläche.
Das Problem ist eng verknüpft mit der Vertiefung der Elbe im Hafen- und Fahrrinnenbereich. Durch diese Eingriffe verändert sich der natürliche Wasserhaushalt, und die ohnehin knappen sauerstoffreichen Flachwasserzonen fehlen den Fischen als Rückzugsorte. Parallel verstärken sich durch erhöhte Nährstoffeinträge aus dem Einzugsgebiet Algenblüten auf der Mittelelbe, die den Sauerstoff im Wasser weiter abbauen.
Umweltverbände wie BUND, NABU und WWF, die im Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ zusammenarbeiten, warnen seit langem vor dieser Entwicklung. Sie kritisieren, dass sich trotz klarer Verpflichtungen der Europäischen Union der Zustand des Ökosystems Tideelbe weiterhin verschlechtert. Die Verbände erinnern eindringlich: „Wenn Ende Juni bereits Werte unter 2 mg/l gemessen werden, erinnert das an das Fischsterben aus dem letzten Jahr.“ Tatsächlich war die Elbe 2024 für 26 Tage eine sogenannte Todeszone, in der sogar ein laichbereiter europäischer Stör verendet ist. Dies ist besonders tragisch, weil dieser Fisch im Rahmen eines Wiederansiedlungsprogramms geschützt wird und sein Sterben den Erfolg solcher Projekte gefährdet.
Nicht nur für den Stör, sondern auch für alle Wanderfischarten und Neunaugen, die auf ihre Wanderungen angewiesen sind, stellt der Sauerstoffmangel an der Tideelbe das tödliche Ende ihrer Wanderung dar. Die Umweltverbände fordern deshalb, dass sich der neue Senat endlich mit dem Thema auseinandersetzt und wirksame Maßnahmen umsetzt. Dringend benötigt werden etwa mehr Flachwasserzonen, die den Wasserorganismen als Sauerstoffreservoire dienen können. Zugleich weisen die Verbände darauf hin, dass die derzeitige Fahrrinnentiefe längst nicht vollständig von der Schifffahrt genutzt wird. „Die vorhandene Tiefe in der Fahrrinne der Elbe wird weiterhin kaum genutzt und die Natur zahlt dafür den Preis. Als wirksamste Maßnahme zur Verbesserung des Naturzustands an der Tideelbe fordern wir daher die Rücknahme der letzten Elbvertiefung“, so die Kritik aus dem Aktionsbündnis.
Die jährlich wiederkehrende Bedrohung durch Sauerstoffmangel zeigt eindrücklich, wie empfindlich das Ökosystem Tideelbe auf menschliche Eingriffe reagiert. Das Festhalten an der Vertiefung trotz sinkender Schiffsbewegungen steht im Widerspruch zu den ökologischen Erhaltungszielen und belastet die Tier- und Pflanzenwelt schwer. Ohne gezielte und entschlossene Gegenmaßnahmen drohen weitere Fischsterben und der Verlust wertvoller Artenvielfalt in einem der wichtigsten Flussabschnitte Norddeutschlands.
Warum das „Sauerstoffloch“ in der Elbe ganz Norddeutschland betrifft
Die wiederkehrenden Sauerstoffdefizite in der Tideelbe sind mehr als ein lokales Umweltproblem vor Hamburg. Sie zeigen beispielhaft, wie eng komplexe ökologische Zusammenhänge mit menschlichen Eingriffen und dem Klimawandel verknüpft sind – und warum solche Störungen weitreichende Folgen für ganz Norddeutschland haben. Das Absinken der Sauerstoffkonzentration in der Elbe auf unter 2 mg/l im Sommer beißt sich mit den natürlichen Lebensbedingungen zahlreicher aquatischer Arten, für die dieser Wert tödlich ist. Dieses so genannte „Sauerstoffloch“ ist das Ergebnis mehrerer ineinandergreifender Ursachen.
An erster Stelle steht die Elbvertiefung im Bereich des Hamburger Hafens und der Fahrrinne. Durch diese Veränderung der Flusslandschaft ist der Wasseraustausch gestört: Das tiefere, schiffbare Gewässervolumen führt dazu, dass Sauerstoffarmeres Wasser länger verweilen kann und weniger mit sauerstoffreichem Oberflächenwasser vermischt wird. Gleichzeitig begünstigen vermehrte Nährstoffeinträge aus Flusszuflüssen im mittleren Elbegebiet das Wachstum von Algen. Wenn diese nach ihrem Lebenszyklus absterben, wird beim Abbau organischer Substanz der Sauerstoff im Wasser stark verbraucht – ein Vorgang, der sich bei steigenden Temperaturen beschleunigt. Klimawandel und die damit verbundene Erwärmung der Flusswasser erhöhen somit die Anfälligkeit für Sauerstoffmangel zusätzlich.
Solche Bedingungen können ökologische Kipppunkte auslösen, ab denen sich das Gleichgewicht im Gewässer drastisch verschiebt: Die Sauerstoffarmut vernichtet nicht nur Fische, sondern schädigt auch andere Wasserorganismen und reduziert die Artenvielfalt. Besonders betroffen sind wandernde Fische wie der europäische Stör, dessen Laichgebiet und Zugwege durch die Calamitäten stark beeinträchtigt werden. Die fehlenden Flachwasserzonen und Uferbereiche als Rückzugsräume für Tiere verstärken die Notlage.
Zentrale Auswirkungen des Sauerstoffmangels in der Elbe
- Jährliches Fischsterben mit zum Teil unsichtbaren Todeszonen unter der Wasseroberfläche
- Gefährdung seltener und wandernder Arten, zum Beispiel des europäischen Störs
- Verschlechterung der biologischen Vielfalt und ökologischen Stabilität in der Flusslandschaft
- Belastung angrenzender Ökosysteme und Auswirkungen auf angrenzende Regionen Norddeutschlands
Gesellschaftlich spiegelt sich dieses Umweltdrama auch in Konflikten zwischen wirtschaftlichen Interessen und Naturschutz wider. Die Elbvertiefung sollte die Schifffahrt fördern, doch sinkende Umschlagszahlen zeigen, dass die zusätzlichen Kapazitäten kaum genutzt werden. Gleichzeitig leiden Natur und regionale Bevölkerung unter den Folgen. Umweltverbände fordern deswegen eine Rücknahme der Elbvertiefung und den Ausbau von ökologisch wichtigen Flachwasserzonen, um das Sauerstoffproblem zu lindern und langfristig den Zustand der Tideelbe zu verbessern.
Politisch stehen Entscheidungen an, die nicht nur Hamburg, sondern ganz Norddeutschland beeinflussen. Komplexe Gewässermanagement-Strategien müssen die Folgen des Klimawandels, den Nährstoffeintrag und die Flussraumgestaltung zusammendenken. Nur durch koordinierte Maßnahmen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene lässt sich verhindern, dass das Sauerstoffloch zu einer dauerhaften Umweltkrise mit weitreichenden ökologischen und ökonomischen Schäden wird.
Dieser Beitrag stützt sich auf eine Pressemitteilung des BUND-Landesverbands Hamburg e.V. zum jährlichen Fischsterben in der Tideelbe.
13 Antworten
Die politische Dimension ist ebenso wichtig – wie können Entscheidungen getroffen werden ohne Rücksicht auf die Umwelt? Wir sollten dringend eine nachhaltige Perspektive einnehmen!
Absolut Kunz Friedrich! Wir müssen Druck aufbauen für stärkere umweltfreundliche Gesetze und Policen damit solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden!
Die Tatsache dass selbst Laichfische sterben ist wirklich tragisch! Was passiert jetzt mit dem Wiederansiedlungsprogramm für den Stör? Muss da nicht dringender gehandelt werden? Ich finde das wichtig!
@Scholz Gottfried Du hast einen wichtigen Punkt angesprochen! Die Zukunft des Störs hängt von diesen Maßnahmen ab und sollte priorisiert werden!
Ich frage mich auch oft was mit dem Stör wird! Die Natur hat ihre eigene Dynamik und wir Menschen müssen Verantwortung übernehmen für unser Handeln!
‚Sauerstoffloch‘ klingt wirklich alarmierend. Ich bin nicht sicher, wie viel darüber im allgemeinen Bewusstsein ist. Gibt es Bildungsprogramme oder Informationskampagnen dazu? Wir müssen mehr Leute auf dieses Problem aufmerksam machen.
‚Lschmitt‘, ich hoffe sehr darauf! Aufklärung spielt eine wichtige Rolle dabei, wie wir als Gesellschaft handeln können. Vielleicht könnten Schulen auch Projekte dazu initiieren?
‚Lschmitt‘, du hast recht! Wenn mehr Menschen Bescheid wissen über diese Probleme, vielleicht würden sie sich dann aktiver engagieren für den Schutz unserer Gewässer.
Die Elbvertiefung ist ein großes Problem! Warum ignorieren die Verantwortlichen diese kritischen Warnungen? Der Verlust von Biodiversität betrifft uns alle. Wie sieht es mit Alternativen zur Vertiefung aus? Gibt es keine bessere Lösung?
Manja81, das ist eine gute Frage! Ich denke, wir müssen mehr über nachhaltige Lösungen nachdenken und vielleicht auch innovative Ansätze zur Verbesserung der Wasserqualität in Betracht ziehen.
Das Thema ist echt komplex. Vielleicht sollten mehr Studien gemacht werden über die Langzeitfolgen der Elbvertiefung auf unsere Ökosysteme. Das könnte helfen, bessere Entscheidungen zu treffen.
Ich finde die Situation um die Tideelbe wirklich besorgniserregend. Es ist traurig zu hören, dass die Sauerstoffwerte so niedrig sind und das Fischeleben gefährdet wird. Was können wir als Bürger tun, um den Umweltverbänden zu unterstützen?
Ja, Tino, ich stimme dir zu! Es wäre interessant zu wissen, ob es lokale Initiativen gibt, bei denen man mithelfen kann. Ich glaube, viele Menschen möchten aktiv werden und ihren Teil beitragen.