– Bündnis fordert Reformen für flächendeckende Digitalisierung in der Pflege
– Kritik an unzureichender Nutzung digitaler Lösungen trotz großer Potenziale
– Fehlende verbindliche Gesetze und Finanzierung bremsen die Umsetzung
Pflegedigitalisierung: Verbände fordern politische Verbindlichkeit
Mehr als 130 Teilnehmende aus Politik und Pflegepraxis diskutierten am Montag (20.10.2025) beim politischen Fachgespräch des Bündnisses Digitalisierung in der Pflege über die ungenutzten Chancen der Technologie. Anlass war das fünfjährige Bestehen des Verbändebündnisses, das klare Prioritäten, Planungssicherheit und verlässliche Strukturen einfordert. „Digitale Lösungen verbessern und erleichtern die Pflege bereits erheblich, die Potenziale der technologischen Entwicklung sind groß. Allerdings fehlt die politische Verbindlichkeit, um digitale Lösungen schnell und umfassend in die Fläche zu bringen“, heißt es aus dem Bündnis. Die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Katrin Staffler (CSU), unterstützte diese Position: „Deutschland dürfe bei der Pflegedigitalisierung nicht den Anschluss verlieren.“ Sie betonte, dass die Digitalisierung im anstehenden Pflegereformprozess eine wichtige Rolle spielen müsse und werde. Das Bündnis fordert die Bundesregierung auf, Vertretende der Pflegebranche eng in die weiteren Schritte einzubinden.
Zahlen, Umfragen und Rechtsstand: Wo die Pflege digital steht
Die Digitalisierung der Pflege bewegt sich im Spannungsfeld zwischen wachsendem Versorgungsbedarf und den realen Bedingungen in den Einrichtungen. Aktuelle Zahlen und Umfragen zeigen ein differenziertes Bild: Während die Notwendigkeit digitaler Lösungen unbestritten ist, bleiben Skepsis und praktische Hürden bestehen.
Wachsende Zahl Pflegebedürftiger (Stand: 2022)
Die demografische Entwicklung stellt die Pflege vor enorme Herausforderungen. Die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland liegt derzeit bei 4,2 Millionen*.
Einstellungen und Erwartungen in Pflegeteams
Die Haltung des Pflegepersonals gegenüber digitalen Neuerungen ist ambivalent. Einerseits zeigt eine Online-Umfrage hohe Motivation und positive Haltung der professionell Pflegenden gegenüber digitalen Technologien*. Andererseits identifiziert dieselbe Untersuchung klaren Handlungsbedarf bei zielgerichteter Fortbildung, Datenschutz sowie dem Nutzen der Digitalisierung für Patient:innen*.
Die Skepsis gegenüber politischen Initiativen ist deutlich spürbar:
- 92 % der Betriebs- und Personalräte sind der Meinung, dass sich die Arbeitsbedingungen trotz staatlicher Rahmenbedingungen für digitale Anwendungen nicht verbessert haben*
- Nur ein Drittel der Befragten glaubt, dass staatliche Initiativen die Digitalisierung in der Pflege beschleunigen*
Rechtlich zeichnet sich ein verbindlicher Fahrplan ab: Das Telematikinfrastrukturgesetz sieht vor, dass die Pflege ab 1. Juli 2025 mit der elektronischen Patientenakte (ePA) arbeitet*.
Warum die Technik nicht reicht
Die digitale Transformation in der Pflege scheitert selten an der Technologie selbst. Vielmehr zeigen sich in der Praxis komplexe Hürden, die den Fortschritt ausbremsen. Während moderne Softwarelösungen verfügbar sind, bleiben sie oft ungenutzt – weil menschliche, rechtliche und infrastrukturelle Barrieren ihre Implementierung verhindern.
Einstellungen und Weiterbildung
Die Skepsis gegenüber digitalen Neuerungen ist tief verwurzelt. Eine aktuelle Online-Umfrage vom Januar 2025 zeigt zwar hohe Motivation unter Pflegekräften, aber großen Handlungsbedarf bei Fortbildung und Datenschutz*. Die Diskrepanz zwischen theoretischen Möglichkeiten und gelebter Praxis wird hier besonders deutlich.
Das Misstrauen geht über die unmittelbare Arbeitsumgebung hinaus: Skepsis gegenüber staatlichen Initiativen untergräbt die notwendige Change-Bereitschaft in den Einrichtungen.
Datenschutz und IT-Sicherheit
Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte für die Pflege gewinnen Datenschutzfragen zusätzliche Dringlichkeit*. Die kurze Vorlaufzeit wirft praktische Fragen auf: Haben die Einrichtungen ausreichend Zeit, ihre Prozesse anzupassen und ihre Teams zu schulen? Fehlende IT-Sicherheitsstandards und ungeklärte Haftungsfragen lassen viele Träger zögern, in digitale Lösungen zu investieren.
Die größten Hemmnisse in der Praxis:
- Tief verwurzelte Skepsis bei den Beschäftigten gegenüber digitalen Veränderungen*
- Ungelöste Datenschutzfragen und unzureichende IT-Sicherheitsstandards
- Fehlende verlässliche Refinanzierungsmodelle für Investitionen und Betrieb digitaler Lösungen
Die technischen Voraussetzungen für eine durchdachte Digitalisierung sind vorhanden. Doch solange Akzeptanzprobleme, Kompetenzlücken und rechtliche Grauzonen nicht adressiert werden, bleiben die Potenziale digitaler Lösungen für bessere Pflegequalität und Arbeitsentlastung ungenutzt.
Was jetzt passieren muss: konkrete Schritte für die Pflegedigitalisierung
Die Digitalisierung der Pflege steht an einem Wendepunkt. Während die technologischen Möglichkeiten wachsen, bleiben die strukturellen Voraussetzungen für ihren flächendeckenden Einsatz oft ungeklärt. Die Motivation für digitale Lösungen ist vorhanden, doch der Fortbildungsbedarf bleibt hoch (Stand: Januar 2025).
Kurzfristige Maßnahmen (bis 2026)
Bis Ende 2026 sollten drei Bereiche im Fokus stehen: Qualifikation, Finanzierung und Sicherheit. Pflegekräfte stehen digitalen Anwendungen meist offen gegenüber, zeigen aber häufig Unsicherheiten im Umgang mit neuen Systemen*. Hier setzt die wichtigste kurzfristige Maßnahme an: Weiterbildungsprogramme sollten innerhalb der nächsten zwölf Monate etabliert werden. Diese sollten nicht nur technische Bedienkompetenzen vermitteln, sondern auch datenschutzrechtliche Aspekte integrieren*.
Parallel dazu muss die Finanzierungslücke geschlossen werden. Viele Einrichtungen scheuen Investitionen in digitale Infrastruktur, weil die Refinanzierung unklar bleibt. Eine Digitalisierungspauschale in den Leistungsentgelten könnte hier Planungssicherheit schaffen. Gleichzeitig sind IT-Sicherheitsstandards erforderlich, um Pflegeeinrichtungen vor Cyberangriffen zu schützen – besonders relevant mit Blick auf die Einführung der elektronischen Patientenakte*.
Mittelfristige Prioritäten
Über 2026 hinaus geht es darum, nachhaltige Strukturen zu schaffen. Dazu gehört die Entwicklung neuer Tätigkeitsprofile an der Schnittstelle von Pflege, Therapie und Technologie. Diese Rollen benötigen klare Karriereperspektiven und angemessene Vergütungsmodelle. Investitionen in moderne Infrastrukturen sollten gezielt gefördert werden, um die Verbreitung bewährter Lösungen zu beschleunigen*.
Die mittelfristige Strategie muss zudem sektorenübergreifende Standards für Datenaustausch und Schnittstellen etablieren. Nur so können Pflegeprozesse tatsächlich entlastet statt durch zusätzliche Dokumentationsaufgaben belastet werden. Die bisherigen Insellösungen verschiedener Anbieter behindern effiziente Abläufe und verursachen hohe Anpassungskosten.
Was kann jetzt passieren?
- Weiterbildung forcieren: Pflichtfortbildungen zu digitalen Kompetenzen mit Freistellungsregelungen
- Finanzierung klären: Verlässliche Refinanzierungsmodelle für Investitionen und Betriebskosten
- Datensicherheit garantieren: IT-Sicherheitsstandards und Schutz vor Cyberangriffen
Die digitale Transformation der Pflege braucht mehr als technische Lösungen – sie erfordert ein abgestimmtes Handeln aller Beteiligten. Nur durch verbindliche Maßnahmen mit klaren Zeitplänen und Zuständigkeiten lassen sich die Potenziale wirklich heben.
Die nachfolgenden Informationen und Zitate stützen sich auf eine Pressemitteilung des Bündnisses Digitalisierung in der Pflege.
Weiterführende Quellen:
- „Die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland wird nach Schätzungen von derzeit 4,2 Millionen bis zur Mitte der 2030er Jahre auf 5 Millionen anwachsen“ – Quelle: https://www.digitalesmv.de/fachbeitraege/16-digitalisierung-in-der-pflege
- „Laut Statistischem Bundesamt werden in Deutschland bis 2049 mindestens 280.000 Pflegekräfte fehlen; realistisch ist mit einem deutlich höheren Defizit zu rechnen“ – Quelle: https://www.bpa.de/der-bpa/positionen-stellungnahmen/digitalisierung-in-der-pflege
- „92 % der Betriebs- und Personalräte sind der Meinung, dass sich die Arbeitsbedingungen trotz staatlicher Rahmenbedingungen für digitale Anwendungen nicht verbessert haben“ – Quelle: https://carerockets.com/de/blog/digitalisierung-pflege
- „Nur ein Drittel der Befragten glaubt, dass staatliche Initiativen die Digitalisierung in der Pflege beschleunigen“ – Quelle: https://carerockets.com/de/blog/digitalisierung-pflege
- „Online-Umfrage zeigt hohe Motivation und positive Haltung der professionell Pflegenden gegenüber digitalen Technologien“ – Quelle: https://group.springernature.com/de/group/media/press-releases/online-umfrage-digitale-kompetenz-in-der-pflege/27734384
- „Handlungsbedarf besteht bei zielgerichteter Fortbildung, Datenschutz sowie dem Nutzen der Digitalisierung für Patient:innen“ – Quelle: https://group.springernature.com/de/group/media/press-releases/online-umfrage-digitale-kompetenz-in-der-pflege/27734384
- „Das Telematikinfrastrukturgesetz sieht vor, dass die Pflege ab 1. Juli 2025 mit der elektronischen Patientenakte (ePA) arbeitet“ – Quelle: https://group.springernature.com/de/group/media/press-releases/online-umfrage-digitale-kompetenz-in-der-pflege/27734384


8 Antworten
– Ich hoffe wirklich, dass sich bald etwas tut in der Pflege digital! Die Situation wird immer kritischer mit immer mehr pflegebedürftigen Menschen.
Es ist frustrierend zu sehen, dass trotz der Möglichkeiten so wenig passiert in der Digitalisierung der Pflege. Wo bleibt die Unterstützung für die Einrichtungen? Wer muss das ändern?
– Das stimmt Sigrid! Die Politik muss endlich aktiv werden und nicht nur reden! Wir brauchen konkrete Maßnahmen und keine leeren Versprechungen.
Ich habe auch das Gefühl, dass viele Pflegekräfte positiv gegenüber digitaler Technik eingestellt sind. Aber wie sieht es mit dem Datenschutz aus? Da gibt es viele Sorgen. Was meint ihr dazu?
Das ist ein wichtiger Punkt Kathleen! Datenschutz sollte oberste Priorität haben, bevor irgendwas eingeführt wird. Ich denke wir müssen mehr darüber diskutieren.
Ich bin da ganz deiner Meinung! Es gibt zu viele Unsicherheiten im Bezug auf den Datenschutz. Wir müssen sicherstellen, dass alle Informationen sicher sind.
Ich finde die Idee von mehr digitalisierung in der Pflege gut, aber woher kommen die Mittel dafür? Es ist wichtig, dass nicht nur geredet wird, sondern auch echte Lösungen gefunden werden. Was denkt ihr darüber?
Ja Bettina, das Problem mit der Finanzierung ist echt schwerwiegend. Ich glaube wir brauchen klare Pläne und Unterstützung vom Staat. Wer kümmert sich darum? Das kann so nicht weitergehen.