SpiFa warnt vor Staatsmedizin: Fachärzte lehnen GKV-Positionspapier zur digitalen Terminvergabe entschieden ab

Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands (SpiFa) lehnt das Positionspapier des GKV-Spitzenverbands zur „patientenorientierten Koordination“ entschieden ab und warnt, dass die vorgeschlagene zentrale Terminplattform und tägliche Datenübermittlung an die Krankenkassen die ärztliche Freiberuflichkeit faktisch aufheben würde. Nach Ansicht von SpiFa-Chef Dr. Dirk Heinrich führt das Vorhaben zu einer Entmündigung der Praxen und schwächt die ambulante Fachärzteschaft systematisch. Sollte die Politik daran festhalten, droht der Verband mit öffentlichen Protesten und massenhaften Zulassungsrückgaben, die die Versorgung in Deutschland ernsthaft gefährden könnten.
VerbandsMonitor – Themen, Trends und Ticker vom 13.04.2025

– SpiFa lehnt GKV-SV-Positionspapier als Abschaffung ärztlicher Freiberuflichkeit und Staatsmedizin ab.
– Zentrale Terminplattform und Algorithmus sollen Patient*innen zuweisen, Praxen verlieren Entscheidungsbefugnis.
– SpiFa warnt vor Protesten und massenhaften Zulassungsrückgaben bei Umsetzung der Forderungen.

SpiFa lehnt GKV-Spitzenverbands-Positionspapier mit deutlichen Worten ab

Der Spitzenverband Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) reagiert scharf auf das jüngst veröffentlichte Positionspapier des GKV-Spitzenverbands zur „Patientenorientierten Koordination in der ambulanten Versorgung“. Für den SpiFa stellt das Papier nicht weniger als eine Abschaffung der ärztlichen Freiberuflichkeit dar. Im Kern geht es um den Vorschlag, eine zentrale digitale Plattform einzurichten, auf der Fachärztinnen und Fachärzte ihre Termine melden müssen. Ein automatischer Algorithmus soll anschließend die Zuteilung der Patientinnen und Patienten übernehmen – ohne dass die Praxen dabei Einfluss auf die Vergabe oder Priorisierung nehmen können.

Diese Vorgaben stoßen beim SpiFa auf klare Ablehnung, denn sie bedeuten aus Sicht der Fachärztinnen und Fachärzte eine Entmündigung und eine umfassende Einschränkung der Selbstbestimmung in der ambulanten Versorgung. Der SpiFa kritisiert, dass Ärztinnen und Ärzte künftig keine eigenständige Entscheidung treffen sollen, wann welcher Patient einen Termin erhält. Dr. Dirk Heinrich, Vorsitzender des SpiFa-Vorstandes, fasst dies so zusammen: „Was unter dem Deckmantel der besseren Koordination und Digitalisierung vorgelegt wird, bedeutet in Wahrheit eine Entmündigung und eine systematische Schwächung der ambulanten Fachärzteschaft. Fachärztinnen und Fachärzte tragen alleine die Verantwortung für ihre Praxis und ihr Personal und Sie entscheiden auch alleine, wann sie wem welchen Termin geben. Wir lassen uns nicht zu Kassenknechten machen!“

Neben der Terminvergabe sieht das Positionspapier des GKV-Spitzenverbands auch vor, dass Ärztinnen und Ärzte Behandlungsdiagnosen sowie medizinische Leistungen täglich, unmittelbar und automatisch an die Krankenkassen übermitteln. Diese Forderung wird ebenfalls kritisch bewertet, insbesondere weil eine taggleiche Übermittlung nur dann akzeptabel sei, wenn sie zu einer sofortigen und vollumfänglichen Vergütung führt – nicht zu einer monatelang verzögerten, budgetierten Abrechnung. Dr. Norbert Smetak, ebenfalls Mitglied des SpiFa-Vorstandes, bezeichnet die Idee einer zentralisierten staatlichen Plattform als trügerisch: „Mit dem Aufbau einer digitalen staatlich-zentralisierten Plattform löst man aktuell bestehende Versorgungsengpässe nicht, sondern schaufelt lediglich über Jahre hinweg ein Millionengrab. Zudem ist die Forderung, alle Diagnosen und Therapien vollumfänglich noch am selben Tag an die Krankenkassen zu übermitteln realitätsfern und schlicht nicht erfüllbar. Da sprechen die Schreibtischtäter und es zeigt sich wieder eine Misstrauenskultur die nur zu mehr Bürokratie, aber nicht zu besserer Versorgung führt.“

Der SpiFa warnt die gesetzlichen Krankenkassen und die Gesundheitspolitik eindrücklich davor, gesetzgeberische Schritte in diese Richtung weiter voranzutreiben. Andernfalls rechnet der Verband mit deutlichen öffentlichen Protesten der Ärzteschaft. Besonders betroffen wären Fachärztinnen und Fachärzte, die kurz vor dem Renteneintritt stehen; sie könnten massenhaft ihre Zulassung zurückgeben. Der SpiFa warnt, dass dies das Ende der ambulanten Versorgung in Deutschland bedeuten würde. Die Kritik offenbart einen tiefgreifenden Konflikt um den Umgang mit Digitalisierung, ärztlicher Autonomie und der Struktur der Versorgung, der weit über die rein organisatorischen Fragen hinausgeht.

Ambulante Versorgung am Scheideweg: Digitalisierung trifft Praxisrealität

Die ambulante Versorgung ist ein zentraler Pfeiler des deutschen Gesundheitssystems. Hier finden die meisten Patientinnen und Patienten ihren ersten direkten Zugang zu medizinischer Hilfe – sei es zur Prävention, Diagnostik oder Behandlung. Die Strukturen in diesem Bereich sind geprägt von einer Vielzahl selbstständiger Praxen, die eigenverantwortlich über Organisation, Termine und Behandlung entscheiden. Doch aktuell steht diese Versorgungsform an einem entscheidenden Wendepunkt. Digitalisierung und neue Steuerungsmodelle fordern die traditionellen Abläufe heraus und bringen eine tiefgreifende Umstrukturierung mit sich.

Diese Veränderung birgt sowohl Chancen als auch Risiken: Digitale Plattformen könnten zum Beispiel die Terminvergabe verbessern und Ressourcen zielgerichteter verteilen. Gleichzeitig drohen die Autonomie der Ärztinnen und Ärzte sowie die Qualität der Versorgung Schaden zu nehmen, wenn ihnen gestalterische Freiheiten genommen werden und bürokratische Hürden wachsen. Die vorgeschlagene Einführung zentraler Terminvergabesysteme und tägliche, automatische Übermittlung von Behandlungsdaten an Krankenkassen steht beispielhaft für diese Spannungen.

Ärztinnen und Ärzte warnen, dass solche Modelle oftmals an der Lebenswirklichkeit der Praxen vorbeigehen. Die alleinige Verantwortung für ihre Praxis, das Personal und die individuelle Patientenbetreuung lässt sich nicht ohne weiteres an komplexe Algorithmen delegieren. Hier prallen Erwartungen von Gesundheitspolitik und Krankenkassen auf die praktische Umsetzbarkeit und die ärztliche Selbstbestimmung.

Zwischen Patientenwohl und Systemsteuerung

Die Debatte dreht sich um einen zentralen Konflikt: Soll die Digitalisierung vor allem die Versorgungssteuerung vereinheitlichen und damit Kosten senken? Oder muss sie zuerst an der Praxisorientierung und am Patientennutzen ausgerichtet sein? Viele Mediziner sehen die Gefahr, dass durch eine starre Systemsteuerung die Versorgung der Patientinnen und Patienten leidet. Terminengpässe könnten sich verfestigen und der persönliche Arzt-Patienten-Kontakt weiter zurückgedrängt werden. Trotz vieler technischer Möglichkeiten funktioniert die digitale Vernetzung bisher nicht so reibungslos, dass sie den alltäglichen Praxisbetrieb spürbar entlastet.

Gleichzeitig können digital gestützte Koordinationssysteme dabei helfen, Versorgungsflächen gerechter zu erschließen und Doppeluntersuchungen oder unnötige Arztwechsel zu vermeiden. Besonders in ländlichen Regionen gibt es hier erhebliche Potenziale. Doch ein zentraler Algorithmus allein kann keine individuellen medizinischen Entscheidungen ersetzen, die auf ärztlichem Wissen und Patientendialog fußen.

Digitale Plattformen im internationalen Vergleich

Einige Länder haben bereits digitale Terminvergabesysteme und zentrale Patientenmanagement-Plattformen etabliert, mit unterschiedlichem Erfolg.

Vor- und Nachteile internationaler Plattformmodelle auf einen Blick:

  • Vorteile:

    • Effizientere Nutzung von Ressourcen
    • Bessere Übersicht über regionale Versorgungsangebote
    • Vereinfachte Patientenführung durch klare Terminstrukturen
  • Nachteile:

    • Eingeschränkte Arztwahlfreiheit
    • Verlust der Praxisautonomie durch zentrale Steuerung
    • Gefahr der Entmenschlichung der Versorgung

Beispielsweise zeigt die Schweiz, dass transparente digitale Terminplattformen die Patientenzufriedenheit steigern können, ohne die Selbständigkeit der Ärztinnen und Ärzte komplett einzuschränken. Dagegen setzt das französische System stärker auf staatliche Steuerung, was dort mitunter zu Kritik an mangelnder Flexibilität führt. Diese unterschiedlichen Erfahrungen verdeutlichen, dass eine Balance zwischen digitaler Effizienz und ärztlicher Freiberuflichkeit essenziell ist.

Gesellschaftliche Folgen und Ausblick

Sollten die aktuellen politischen Pläne weiter umgesetzt werden, könnte dies starken Einfluss auf die Struktur der ambulanten Versorgung haben. Ein Verlust an ärztlicher Autonomie kann dazu führen, dass erfahrene Fachärztinnen und Fachärzte sich vom Markt zurückziehen – mit negativen Konsequenzen für die Versorgungsdichte und -qualität. Für Patientinnen und Patienten heißt das möglicherweise längere Wartezeiten, weniger persönliche Betreuung und eingeschränkte Wahlmöglichkeiten.

Die Debatte um Digitalisierung im Gesundheitswesen ist somit nicht nur eine technische oder administrative Frage, sondern eine Grundsatzentscheidung über die zukünftige Ausgestaltung der ambulanten Versorgung in Deutschland. Rechtslage und praktische Umsetzung stehen im Fokus intensiver Diskussionen. Dabei gilt es, den Spagat zu meistern: digitale Innovationen sinnvoll nutzen, ohne die bewährte ärztliche Freiberuflichkeit zu schwächen.

Der weitere Verlauf wird zeigen, wie sich dieses Spannungsfeld zwischen Systemsteuerung und ärztlicher Selbstbestimmung entwickelt und wie Politik, Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten gemeinsam tragfähige Lösungen gestalten können.

Die Informationen und Zitate in diesem Beitrag stammen aus einer Pressemitteilung des Spitzenverbandes Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa).

8 Antworten

  1. ‚Entmündigung‘ ist ein starkes Wort! Aber ich verstehe den Punkt des SpiFa vollkommen. Wenn Ärzte nicht mehr selbst entscheiden können, wer wann behandelt wird, wo bleibt da das Vertrauen zwischen Patient und Arzt? Ich frage mich auch: Wie könnte eine bessere Lösung aussehen?

    1. ‚Bürokratie‘ ist das Wort des Tages! Wieso konzentrieren sich Politiker nicht auf praktikable Lösungen anstelle von zusätzlichen Anforderungen? Es wäre interessant zu hören, welche Alternativen andere Länder gefunden haben.

    2. ‚Kassenknechte‘ klingt dramatisch! Aber ich glaube auch nicht an eine zentrale Lösung ohne individuelle Anpassungen. Wir müssen hier einen Mittelweg finden – wie geht’s euch damit?

  2. Das Positionspapier zeigt meiner Meinung nach ein großes Missverständnis in Bezug auf die Realität der ambulanten Versorgung. Eine zentrale Plattform könnte zwar effektiv sein, aber wir müssen auch bedenken, dass jeder Arzt anders arbeitet und es keinen One-Size-Fits-All Ansatz geben kann.

    1. Genau! Die Vielfalt der Praxen und deren spezielle Bedürfnisse müssen beachtet werden. Ich frage mich auch, wie Patienten darauf reagieren würden, wenn sie nicht mehr ihren gewohnten Arzt wählen können.

    2. Und was ist mit den langen Wartezeiten? Glaubt ihr wirklich, dass ein Algorithmus diese verbessern kann? Vielleicht sollten wir uns eher auf Lösungen konzentrieren, die sowohl Effizienz als auch menschliche Interaktion fördern.

  3. Ich finde die Argumente des SpiFa sehr überzeugend, insbesondere die Bedenken bezüglich der ärztlichen Autonomie. Wie kann man sicherstellen, dass Patienten die bestmögliche Betreuung erhalten, wenn Ärzte keine Kontrolle über Terminvergaben haben? Was denkt ihr darüber?

    1. Ich stimme zu! Die Entscheidung, welcher Patient wann einen Termin bekommt, sollte in den Händen der Ärzte liegen. Algorithmen können nicht das individuelle Urteil eines Arztes ersetzen. Was denkt ihr über die Auswirkungen auf die Patientenzufriedenheit?

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