– 71,6 % der Auszubildenden insgesamt zufrieden; Zufriedenheit variiert je Branche um bis zu 20 %.
– Rund 3 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss; DGB fordert verbesserte Ausbildungsgarantie.
– 62,8 % der Azubis können von Ausbildungsvergütung nicht selbstständig leben.
DGB-Ausbildungsreport 2025: Zufriedenheit und Herausforderungen in der dualen Ausbildung
Die duale Berufsausbildung bleibt ein stark nachgefragtes Erfolgsmodell, denn 71,6 Prozent der Auszubildenden sind mit ihrer Ausbildung zufrieden. Dennoch zeigen die aktuellen Zahlen des DGB-Ausbildungsreports 2025 deutliche Unterschiede zwischen den Branchen und weisen auf ernste Probleme hin, die Politik und Wirtschaft nicht ignorieren dürfen.
Ein zentrales Problem ist die wachsende Unsicherheit bei Azubis im letzten Ausbildungsjahr: 41,5 Prozent wissen nicht, ob sie übernommen werden – ein Anstieg von sieben Prozentpunkten. Besonders betroffen sind Berufe im Hotel- und Verkaufsbereich. Diese zunehmende Perspektivlosigkeit belastet junge Menschen und erschwert den Übergang in den regulären Arbeitsmarkt.
Auch der Umgang mit der Zeit während der Ausbildung wirft Fragen auf: Zwar ist der Anteil derjenigen, die regelmäßig Überstunden leisten müssen, gesunken, liegt mit 32,3 Prozent aber weiterhin auf einem bedenklich hohen Niveau. Besonders belastend sind die Bedingungen für Köche (50,6 Prozent), Automobilkaufleute (49,1 Prozent) und Bankkaufleute (45,8 Prozent). Zudem müssen 14,7 Prozent der Auszubildenden häufig ausbildungsfremde Tätigkeiten wie Kaffee kochen oder Putzen übernehmen. Dies bedeutet, dass ihnen oft die Zeit fehlt, um sich auf die eigentlichen Ausbildungsinhalte zu konzentrieren. DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker warnt: „Für die Azubis heißt das ganz einfach, dass ihnen Zeit für die eigentlichen Ausbildungsinhalte fehlt. Dies gefährdet ihren erfolgreichen Ausbildungsabschluss.“
Die Zufriedenheit mit der Ausbildung unterscheidet sich stark je nach Berufsgruppe: Über 80 Prozent der angehenden Steuerfachangestellten, Elektroniker für Betriebstechnik, Mechatroniker, Bankkaufleute und Verwaltungsfachangestellten sind sehr zufrieden. Dagegen sind die Werte bei Hotelfachleuten und Friseuren mit rund 60 Prozent deutlich niedriger. Trotz dieser Unterschiede bleibt die Ausbildung insgesamt ein wichtiger Einstieg ins Berufsleben, so Becker: „Auch wenn die Arbeitgeber in manchen Branchen mehr für gute Ausbildungsbedingungen tun müssen – die duale Berufsausbildung ist und bleibt insgesamt ein Erfolgsmodell. Die Entscheidung für eine Ausbildung ist ein guter Schritt ins Erwerbsleben.“
Finanzielle Schwierigkeiten prägen den Alltag vieler Auszubildender. 62,8 Prozent berichten, dass sie von ihrer Ausbildungsvergütung nicht selbstständig leben können, was einen Anstieg um sechs Prozentpunkte seit 2020 bedeutet. Fast ein Drittel ist auf finanzielle Unterstützung durch die Eltern angewiesen, und 12,7 Prozent müssen neben der Ausbildung jobben. Becker betont: „Wenn Ausbildung zu etwas wird, was sich junge Menschen erst ‚leisten können‘ müssen, ist das nicht nur Ausdruck mangelnder Wertschätzung – es steht auch unseren Bemühungen entgegen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen.“ Die DGB-Jugend fordert daher eine Erhöhung der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung auf mindestens 80 Prozent der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung – konkret mindestens 834 Euro brutto ab 2025 statt derzeit 682 Euro.
Ein weiterer wichtiger Befund betrifft die Unterstützungsangebote bei der Ausbildungsplatzsuche. Überraschend sind Familie und Freunde weiterhin die wichtigste Hilfe, während schulische Berufsorientierung und die Angebote der Arbeitsagenturen von vielen Azubis weniger als hilfreich wahrgenommen werden. Für die Wahl eines Ausbildungsbetriebs gewinnen folgende Faktoren zunehmend an Bedeutung: gute Erreichbarkeit, ein positives Arbeitsklima, faire Arbeitszeiten und eine angemessene Ausbildungsvergütung.
Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack weist auf einen massiven Handlungsbedarf bei der Ausbildungslosigkeit hin: „Während die Wirtschaft zunehmend über fehlende Fachkräfte klagt, haben gleichzeitig knapp drei Millionen junge Menschen in unserem Land keinen Berufsabschluss. Das passt nicht zusammen. Politik und Arbeitgeber müssen endlich massiv gegensteuern. Wir brauchen eine verbesserte Ausbildungsgarantie, die überall im Land greift.“ Sie warnt davor, dass sich bei ungelöster Ausbildungslosigkeit ein neues Prekariat verfestigen könnte, das zu Armut, langanhaltender Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen führen kann.
Die repräsentative Befragung für den Ausbildungsreport wurde zwischen September 2024 und April 2025 durchgeführt. Insgesamt nahmen 9.090 Auszubildende aus den 25 am häufigsten gewählten Ausbildungsberufen teil. Die Ergebnisse dokumentieren nicht nur die Stärken der dualen Berufsausbildung, sondern legen auch den Finger auf die wunden Punkte, die die Zukunftsfähigkeit des Ausbildungsmodells bedrohen.
Der Ausbildungsreport 2025 zum Download bietet ausführliche Einblicke und Details.
Was die guten Ausbildungszahlen nicht verschleiern dürfen – wo Reformen dringend nötig sind
Die Befragung von Auszubildenden zeigt mit 71,6 Prozent Zufriedenheit ein grundsätzlich positives Bild der dualen Berufsausbildung in Deutschland. Doch dieser Wert darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinter der scheinbaren Stabilität erhebliche strukturelle Schwächen und soziale Ungleichheiten versteckt sind. Die duale Ausbildung ist nicht nur eine Phase des Erwerbs von Fachwissen, sondern ein zentraler Baustein für gesellschaftliche Integration, soziale Sicherheit und den Fachkräftemarkt.
Trotz guter Bewertungsnoten von Azubis bleibt das gewaltige Problem der Ausbildungslosigkeit bestehen: Rund 3 Millionen junge Menschen verfügen in Deutschland derzeit über keinen Berufsabschluss. Das widerspricht nicht nur dem Bedarf der Wirtschaft, sondern wirkt sich auch massiv auf die soziale Teilhabe der Betroffenen aus. Ein Berufsabschluss ist nach wie vor ein entscheidender Schutz vor Armut, Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Die steigende Zahl junger Menschen ohne Perspektive auf eine Übernahme nach der Ausbildung – aktuell wissen 41,5 Prozent der Auszubildenden im letzten Lehrjahr nicht, ob sie übernommen werden – verstärkt diese Unsicherheit erheblich. Besonders Druck spüren Hotelfachleute und Verkäufer*innen.
Warum Ausbildungszufriedenheit nicht genug ist
Dass viele Auszubildende mit ihrer Ausbildung zufrieden sind, reflektiert oft vor allem die individuelle Lernerfahrung oder das Verhältnis zu Ausbildern und Kolleg:innen. Der DGB-Ausbildungsreport macht jedoch deutlich, dass dies nicht automatisch auf eine stabile Zukunftsperspektive oder gute Rahmenbedingungen schließen lässt. Zum Beispiel arbeiten weiterhin über 32 Prozent der Azubis regelmäßig Überstunden, und fast 15 Prozent müssen regelmäßig nicht fachbezogene Tätigkeiten wie Putzen oder Kaffeekochen übernehmen. Solche Belastungen beeinträchtigen die Qualität der Ausbildung und können den erfolgreichen Abschluss gefährden.
Der Abstand der Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche zeigt sich ebenfalls deutlich: Während Familien und Freundeskreis meist die wichtigsten Ansprechpartner sind, nehmen junge Menschen die Angebote der Arbeitsagenturen und schulischen Berufsorientierung eher als unzureichend wahr. Hier entsteht ein Bruch, der den Zugang zu Berufen und betrieblichen Chancen erschwert, gerade für Jugendliche aus benachteiligten Milieus.
Gesellschaftliche Folgen der Ausbildungslosigkeit
Die fehlenden Berufsausbildungsplätze wirken sich systematisch auf die soziale Ungleichheit aus. Ohne qualifizierten Abschluss droht nicht nur ein Leben unterhalb der Armutsgrenze, sondern auch der Verlust von Teilhabechancen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Langfristig entsteht ein Teufelskreis, der die Schere zwischen Gut- und Schlechtqualifizierten weiter öffnet. Gleichzeitig steigt der Fachkräftemangel in vielen Branchen, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Deutschlands bedroht. Hier prallen zwei Probleme aufeinander, die dringend zusammen betrachtet und politisch angegangen werden müssen.
Ein Blick ins Ausland verdeutlicht, dass unterschiedliche Ausbildungssysteme verschiedenen Herausforderungen gegenüberstehen. In Ländern mit stärker standardisierten und durchlässigen Systemen sowie verbindlichen Ausbildungsgarantien gelingt es oft besser, Ausbildungsplätze zu sichern und Übergänge in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Deutschland steht vor der Aufgabe, solche Ansätze zu prüfen und weiterzuentwickeln, um langfristige Stabilität zu schaffen.
Chancen und Reformbedarf im dualen System
Die positive Grundstruktur der dualen Ausbildung kann nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn Verbesserungen auf mehreren Ebenen stattfinden. Viele Reformansätze zielen darauf ab, die Hürden für Jugendliche zu senken und die Ausbildungsbedingungen zu verbessern – finanziell, sozial und organisatorisch.
Kernpunkte, bei denen politisches und gesellschaftliches Handeln besonders gefragt sind:
- Ausbildungsgarantie flächendeckend umsetzen, um die Ausbildungslosigkeit zu bekämpfen und allen jungen Menschen eine Chance zu geben
- Ausbildungsvergütung anheben, um finanzielle Existenzsicherung während der Ausbildung zu gewährleisten und so Ausschlüsse durch Geldmangel zu verhindern
- Unterstützung zur Berufswahl verbessern, etwa durch stärkere Zusammenarbeit von Schulen, Arbeitsagenturen und Betrieben sowie praxisnahe Orientierungshilfen
- Arbeitsbedingungen in der Ausbildung optimieren, insbesondere bei Überstunden und ausbildungsfremden Tätigkeiten, die die Qualität der Ausbildung gefährden
- Übergangsmanagement zwischen Ausbildung und Beschäftigung stärken, damit Übernahmen verlässlich gelingen und Unsicherheiten am Ende der Lehrzeit abgebaut werden
Diese Handlungsfelder sind kein Luxus, sondern notwendig, um das duale System zukunftsfähig zu machen, soziale Teilhabe sicherzustellen und den Fachkräftemangel zu mildern. Nur so kann die Ausbildung wieder als verlässlicher Weg in ein selbstbestimmtes und wirtschaftlich stabiles Leben funktionieren.
Die in diesem Beitrag aufgeführten Informationen und Zitate basieren auf einer Pressemitteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).