Bremen (VBR). Seit 2018 sind Bund, Länder und Kommunen in Deutschland verpflichtet, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und die Täter strafrechtlich zu verfolgen. Doch trotz dieser Maßnahmen fehlen nach wie vor eine nationale Strategie und ausreichende Ressourcen, um das Recht der Frauen und Mädchen auf ein gewaltfreies Leben umfassend umzusetzen. „Sechs Jahre nach Inkrafttreten der Istanbul-Konvention in Deutschland mangelt es an flächendeckenden Standards und einem tiefgehenden Verständnis der strukturellen Dimensionen geschlechtsspezifischer Gewalt“, so Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. (Zitat-Quelle: Pressemitteilung)
Jüngst veröffentlichte das Institut seinen ersten „Monitor Gewalt gegen Frauen“, der die Jahre 2020 bis 2022 abdeckt. Der Bericht offenbart alarmierende Lücken in der Umsetzung der Istanbul-Konvention. Müserref Tanriverdi, Leiterin der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt, beschreibt die Situation als besorgniserregend: „Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist unerträglich.“ (Zitat-Quelle: Pressemitteilung)
Der Monitor analysiert erstmals Daten aus allen 16 Bundesländern und enthüllt die Missstände im gesetzlichen Schutz von Frauen. Zu den untersuchten Themen gehören Präventionsmaßnahmen, Schutzangebote und digitale Gewalt. Besonders gefährdete Gruppen wie geflüchtete Frauen und Frauen mit Behinderungen stehen dabei im Fokus.
Die Studie kritisiert nicht nur die unzureichende Anzahl an Frauenschutzeinrichtungen, sondern auch ihre zeitlich begrenzte Finanzierung. Laut Monitor fehlten allein 2022 mehr als 13.000 Betten in Schutzeinrichtungen – ein gravierendes Defizit.
Ein weiteres drängendes Problem ist die digitale Dimension geschlechtsspezifischer Gewalt: Frauen sehen sich im Netz mit sexuellen Übergriffen, heimlichen Aufnahmen und sogenannten „Rachepornos“ konfrontiert, oft ohne dass Polizei und Justiz effektive Gegenmaßnahmen bieten.
Neben diesen Herausforderungen wirft der Bericht einen ernüchternden Blick auf Hürden im Aufenthaltsrecht für geflüchtete Frauen. Diese müssen bei Trennungen oft überzogene Nachweise erbringen, um eigenständige Aufenthaltstitel zu erhalten. Eine weitere herbe Kritik richtet sich an die Verharmlosung von Gewaltakten: Femizide werden häufig als persönliche Tragödien statt als schwerwiegende Verbrechen angesehen, was zu milderen Strafen führt.
Als Reaktion fordert die Berichterstattungsstelle dringend die Schaffung einer umfassenden Gewaltschutzstrategie und die Einführung bundeseinheitlicher Mindeststandards für Beratungs- und Schutzeinrichtungen. Darüber hinaus wird betont, dass es harmonisierte Datenstandards und regelmäßige Dunkelfeldstudien benötigt, um das Problemausmaß präzise zu erfassen.
Die zentralen Empfehlungen umfassen auch gesetzliche Änderungen, insbesondere im Asyl- und Migrationsrecht sowie beim umstrittenen Gewalthilfegesetz, das mehr Frauenhausplätze und Beratungsmöglichkeiten sichern soll. Die geplanten Änderungen sollen einen diskriminierungsfreien und kostenlosen Zugang zu Schutz und Unterstützung gewährleisten.
Besonders dringlich ist laut Bericht die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle, die regelmäßig mit relevanten Akteuren zusammenarbeitet. Nur durch solche umfassenden Ansätze kann Deutschland seiner Verantwortung nachkommen, allen Frauen und Mädchen ein gewaltfreies Leben zu ermöglichen.
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Erster „Monitor Gewalt gegen Frauen“: Strategien, Standards und mehr Geld dringend …
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Die Dringlichkeit einer umfassenden Gewaltschutzpolitik
Die im Bericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte dargelegten Ergebnisse verdeutlichen eindrücklich die Notwendigkeit einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um Gewalt gegen Frauen wirksam zu bekämpfen. Die Istanbul-Konvention, ein Meilenstein im internationalen Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, verspricht Schutz und Unterstützung für alle Betroffenen. Dennoch zeigt sich in Deutschland eine besorgniserregende Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Diese Diskrepanz spielt sich vor dem Hintergrund ab, dass Gewalt gegen Frauen keineswegs ein neues Phänomen ist. Vielmehr handelt es sich um ein tief verwurzeltes gesellschaftliches Problem, das häufig historisch und kulturell bedingt ist.
Internationale Beispiele, wie etwa die konsequente Umsetzung eines integrierten Ansatzes in Spanien, zeigen möglicherweise einen möglichen Weg auf. Dort wurde die gesetzliche Grundlage mit umfassenden Schutzmaßnahmen flankiert, was nachweislich zu einem Rückgang von gewaltsamen Übergriffen geführt hat. Solche positiven Entwicklungen in anderen Ländern könnten als Modell dienen, welches auf deutsche Verhältnisse übertragen werden kann. Jedoch erfordert dies Entschlossenheit sowie finanzielle und personelle Ressourcen, die bisher noch unzureichend zur Verfügung gestellt wurden.
Ein weiterer Aspekt, der Beachtung finden sollte, sind die digitalen Angriffe auf Frauen, die in den letzten Jahren zugenommen haben. Mit der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche eröffnen sich Tätern neue Möglichkeiten der Belästigung und Bedrohung. In diesem Kontext gewinnt die Forderung nach speziellen Schutzmaßnahmen und Gesetzen, die digitales Fehlverhalten effektiv ahnden, zunehmend an Bedeutung. Hierbei könnte eine engere internationale Zusammenarbeit helfen, da digitale Räume keine nationalen Grenzen kennen.
Zukünftige Entwicklungen müssen sich darauf konzentrieren, strukturelle Hindernisse abzubauen und diskriminierungsfreie Zugänge zu schaffen, um tatsächlich einen umfassenden und nachhaltigen Schutz zu gewährleisten. Die politische und rechtliche Umsetzung dieses Schutzes sollte darüber hinaus eng überwacht und regelmäßig evaluiert werden, um flexibel auf dynamische gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können. All diese Anstrengungen sollten darauf abzielen, nicht nur Symptome zu behandeln, sondern auch die sozialen Ursachen anzugehen, um langfristig ein Umfeld zu schaffen, in dem Gewalt keinen Raum findet.
Jenseits dieser konkreten Maßnahmen muss zudem ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden: Gewalt gegen Frauen benötigt klare Verurteilung und Gegenwehr von allen Mitgliedern der Gemeinschaft, um so ein stärkeres Bewusstsein und Veränderungen vorhandener patriarchaler Strukturen zu fördern. Ein nachhaltiger Wandel kann nur durch integrative Ansätze gelingen, die das Zusammenspiel von Gesetzgebung, Bildung und Kultur verstehen und angehen.
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