VCI warnt vor Bürokratieinfarkt: Chemie-Industrie fordert radikalen Bürokratieabbau von der Bundesregierung

Der Chemie- und Pharmaverband VCI kritisiert in einer Presseinformation vom 5. November 2025 die anhaltend hohe Regulierungsdichte in Deutschland. Er warnt vor einem "Bürokratieinfarkt" und fordert von der Bundesregierung einen umfassenden Bürokratieabbau. Die Branche sieht in der Regulierungsflut die größte Belastung für den Standort Deutschland.
Modernes blau beleuchtetes News-Studio mit runden LED-Podesten und großem Bildschirm mit Schriftzug ‚Verbands‑Monitor eins zu eins‘.
Inhaltsübersicht

– Die Bundesregierung beschließt erste Maßnahmen zur Bürokratieentlastung.
– Die chemische Industrie kritisiert übermäßige Regulierungen als größtes Standortproblem.
– Es wird ein grundlegender Befreiungsschlag statt kleiner Änderungen gefordert.

Bürokratieinfarkt: Chemieindustrie fordert radikalen Kurswechsel

Anlässlich der Kabinettsentscheidung zur Bürokratieentlastung am 5. November 2025 positioniert sich die chemisch-pharmazeutische Industrie mit scharfer Kritik an der deutschen Regierungspraxis. Die Forderungen betreffen nicht nur Unternehmen, sondern die gesamte Wirtschaftskraft Deutschlands – und damit letztlich jeden Bürger.

Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, bringt die Lage der Branche auf den Punkt:

"Seit Jahrzehnten reden wir über Bürokratieabbau – passiert ist: nichts. Jede Regierung kündigt ihn an, keine zieht ihn durch. Während die Politik Paragrafen stapelt, verlieren Betriebe die Geduld. Der Bürokratieinfarkt ist nahe. Die deutsche Industrie erstickt an Formularen, Nachweispflichten und Absurditäten. Die Regulierungsflut aus Berlin und Brüssel ist für unsere Branche das Schlimmste am Standort. Noch vor Energiepreisen und Steuern."

Die Dringlichkeit wird in der Presseinformation vom 5. November 2025 besonders betont. Die chemisch-pharmazeutische Industrie als eine der wichtigsten Branchen Deutschlands sieht ihre Wettbewerbsfähigkeit fundamental bedroht. Mit 240 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2024* und mehr als 560.000 Beschäftigten bildet dieser Wirtschaftszweig eine zentrale Säule für Wohlstand und Innovation.

Die Kritik richtet sich nicht nur gegen die bestehende Bürokratie, sondern auch gegen halbherzige Lösungsansätze:

"Wir brauchen jetzt den Beweis, dass unter dieser Bundesregierung alles anders ist. Die ganze Mannschaft muss jetzt hinter Entlastungsminister Wildberger stehen – vorneweg der Bundeskanzler. Es reicht nicht, einzelne Verordnungen zu streichen. Nötig ist ein Befreiungsschlag. Der Mut, ganze Regelwerke zu kippen. Der Staat muss beweisen, dass er handeln kann – nicht nur verwalten. Bürokratieabbau muss zur Staatsräson werden. Deutschland muss zeigen, dass es auch Tempo, Pragmatismus und Mut zur Lücke kann."

Diese klaren Worte markieren eine Zäsur in der Debatte um Bürokratieabbau. Statt kosmetischer Korrekturen fordert Europas größter Chemie- und Pharmaverband einen fundamentalen Wandel in der Regierungshaltung – eine Forderung, die weit über die Branchengrenzen hinausreicht und die Zukunftsfähigkeit des gesamten Wirtschaftsstandorts Deutschland betrifft.

Bürokratieabbau zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Die aktuelle Bundesregierung hat sich ambitionierte Ziele im Kampf gegen überbordende Bürokratie gesetzt. Im Koalitionsvertrag 2025 verpflichtet sie sich, die Kosten der Bürokratie für die Wirtschaft um 25 Prozent zu senken – das entspricht etwa 16 Milliarden Euro.* Zudem sollen mindestens 20 Prozent der Verwaltungsvorschriften des Bundes abgeschafft werden. Als konkrete Instrumente sind ein digitales Bürokratieportal und eine „One in, two out“-Regel geplant, bei der für jede neue Vorschrift zwei alte entfallen müssen. Diese Vorhaben markieren einen deutlichen politischen Willen zur Entlastung der Unternehmen.

Koalitionsvertrag und Ziele

Die geplanten Maßnahmen würden tatsächlich einen Systemwechsel bedeuten, wenn sie konsequent umgesetzt werden. Allerdings bleiben Fragen zur technischen Machbarkeit und politischen Durchsetzbarkeit. Die Einführung eines zentralen digitalen Portals erfordert eine bislang nicht erreichte Abstimmung zwischen Bundes- und Länderebenen. Die „One in, two out“-Regel wiederum könnte im politischen Alltag an Widerständen scheitern, wenn Ministerien um ihre Zuständigkeiten fürchten.

Bereits getroffene gesetzliche Schritte zeigen, dass Bewegung in die Sache kommt. Der Bundesrat stimmte am 18. Oktober 2024 dem Bürokratieentlastungsgesetz IV zu, dessen Maßnahmen zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Diese Gesetzgebung stellt einen ersten konkreten Schritt zur Umsetzung der Koalitionsziele dar.*

Der Digitalverband Bitkom fordert 2025 kurzfristige Maßnahmen zur Digitalisierung der Verwaltung und zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Diese Forderungen zeigen, dass die Wirtschaft konkrete, schnell wirksame Schritte erwartet, die über symbolische Reformen hinausgehen.

Die chemische Industrie bringt ihre Erwartungen deutlich zum Ausdruck: „Wir brauchen jetzt den Beweis, dass unter dieser Bundesregierung alles anders ist“, fordert Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie. Die Branche erwartet einen echten Paradigmenwechsel – weg von Einzelmaßnahmen, hin zu einem umfassenden Befreiungsschlag.

Bürokratiekosten im Faktencheck: Deutschland im europäischen Vergleich

Die Diskussion um Bürokratieabbau wird in Deutschland seit Jahren geführt. Doch wie hoch sind die Belastungen tatsächlich? Ein Blick auf die Entwicklung der Bürokratiekosten zeigt zwischen 2020 und 2024 eine relative Stagnation auf hohem Niveau: Nach 47 Mrd. Euro (Stand: 2020) pendelten die Kosten in den Folgejahren zwischen 46,8 Mrd. Euro (Stand: 2022) und erneut 47 Mrd. Euro (Stand: 2024). Für 2025 zeichnet sich mit 45,5 Mrd. Euro (Stand: 2025) erstmals eine spürbare Reduktion ab.

EU-Vergleich der Bürokratiekosten (2025)

Im europäischen Vergleich schneidet Deutschland besonders ungünstig ab. Während ein Unternehmen hierzulande durchschnittlich 7.800 Euro jährlich für Bürokratie aufwendet (Stand: 2025), liegen die Kosten in Frankreich bei 6.100 Euro, in Italien bei 5.700 Euro und in den Niederlanden bei 4.900 Euro. Deutlich geringer fällt die Belastung in Polen aus – hier belaufen sich die jährlichen Bürokratiekosten pro Betrieb auf nur 3.300 Euro (Stand: 2025)*.

Entwicklung der Bürokratiekosten (2020–2025)

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren schrittweise die Anzahl ihrer Maßnahmen zur Bürokratieentlastung erhöht. Waren es 2021 noch 8 beschlossene Vorhaben, stieg die Zahl kontinuierlich auf 10 (2022), 12 (2023), 15 (2024) und schließlich 17 Maßnahmen im Jahr 2025*.

Besonders betroffen von bürokratischen Auflagen ist die chemische Industrie. In dieser Branche schlagen die bürokratischen Belastungen mit durchschnittlich 2,4 Prozent des Umsatzes zu Buche (Stand: 2023)*.

Wenn Bürokratie die Wirtschaft lähmt

Hohe Regulierungsdichte und bürokratische Hürden wirken sich unmittelbar auf die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen aus. Der administrative Aufwand bindet Ressourcen, die eigentlich für Innovation, Investitionen und Wachstum eingesetzt werden könnten. Besonders mittelständische Betriebe spüren die Belastung durch Genehmigungsverfahren, Dokumentationspflichten und Berichtsanforderungen im täglichen Geschäft.

Die historische Entwicklung zeigt, dass gezielte Entlastungsmaßnahmen durchaus Wirkung entfalten können. Bereits im Jahr 2006 beliefen sich die jährlichen Bürokratiekosten für die Wirtschaft auf rund 49 Milliarden Euro (Stand: 2006). Bis Ende 2011 wurden über 400 Vereinfachungsmaßnahmen umgesetzt, die zu Entlastungen in Höhe von jährlich etwa 12,3 Milliarden Euro führten (Stand: Ende 2011). Diese Zahlen belegen, dass systematischer Bürokratieabbau messbare wirtschaftliche Effekte erzeugen kann.

In der Praxis äußern sich die Belastungen besonders in drei Bereichen:

  • Zeitaufwand: Mitarbeiter verwenden Arbeitsstunden für Antragsverfahren statt für produktive Tätigkeiten
  • Kosten: Externe Beratung und spezialisiertes Personal treffen die Betriebsausgaben
  • Investitionshemmnisse: Lange Genehmigungsverfahren verzögern oder verhindern wichtige Vorhaben

Die chemisch-pharmazeutische Industrie als eine der innovationsstärksten Branchen Deutschlands betont die Dringlichkeit des Themas. Die regulatorischen Anforderungen entwickeln sich oft schneller als betriebliche Prozesse sie umsetzen können. Entscheidend für künftige Entlastungen wird sein, ob politische Maßnahmen nicht nur einzelne Vorschriften streichen, sondern ganze Regelwerke grundlegend überprüfen und vereinfachen. Systematisches Wirkungsmonitoring und regelmäßige Evaluationen bleiben notwendig, um die tatsächlichen Entlastungseffekte für Unternehmen und Gesellschaft transparent zu machen.

Bürokratieabbau: Worauf es jetzt ankommt

Die Ankündigung des Entlastungskabinetts markiert einen wichtigen Schritt – doch die eigentliche Arbeit beginnt erst. Nach jahrzehntelangen Diskussionen über Bürokratieabbau richtet sich der Blick nun auf die konkrete Umsetzung.

Drei Kontrollpunkte werden zeigen, ob dieser Bürokratieabbau tatsächlich Wirkung entfaltet: Erstens die zeitnahe Umsetzung der angekündigten Maßnahmen. Zweitens die spürbare Entlastung für Unternehmen durch reduzierte Melde- und Nachweispflichten. Drittens die langfristige Verankerung von Bürokratieabbau als Staatsräson, wie es der Verband der Chemischen Industrie fordert.

Die Öffentlichkeit sollte genau verfolgen, ob die Koalitionsziele tatsächlich realisiert werden und welche Evaluationskriterien für den Erfolg der Maßnahmen gelten. Konkrete Fragen an Politik und Verwaltung lauten:

  • Bis wann werden welche konkreten Regelwerke tatsächlich gestrichen oder vereinfacht?
  • Mit welchen Indikatoren wird der Bürokratieabbau gemessen und wie transparent werden die Ergebnisse kommuniziert?

Die nächsten Monate werden zeigen, ob Deutschland tatsächlich „Tempo, Pragmatismus und Mut zur Lücke“ entwickeln kann – oder ob es bei Ankündigungen bleibt. Die chemische Industrie mit 560.000 Beschäftigten und 240 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2024 wartet auf Taten.*

Die vorliegenden Informationen und Zitate stammen aus einer Pressemitteilung des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI).

Weiterführende Quellen:

9 Antworten

  1. […] Ich hoffe auf echte Veränderungen! Es ist frustrierend zusehen wie viel Zeit durch Bürokratie verloren geht. Wer von euch hat schon konkrete Beispiele für unnötige Vorschriften erlebt?

  2. Ich glaube auch, dass ein radikaler Kurswechsel nötig ist! Die Chemiebranche macht wichtige Punkte. Wie können wir sicherstellen, dass die Bundesregierung ihre Versprechen hält?

  3. Die Regulierungen sind echt ein großes Problem für viele Unternehmen! Ich hoffe die neuen Maßnahmen bringen tatsächlich was. Aber wie sieht es mit der Umsetzung aus? Das ist ja oft der Knackpunkt.

    1. Das sehe ich auch so! Ohne echte Taten wird es nichts ändern. Welche Erfahrungen habt ihr mit Bürokratie gemacht?

  4. Ich finde es echt wichtig, dass die Bürokratie endlich mal ernsthaft abgebaut wird. Die Chemieindustrie hat Recht, es kann nicht sein das immer wieder nur versprochen wird. Was denkt ihr, welche Schritte jetzt wirklich notwendig sind?

    1. Ja, ich stimme zu! Es gibt viel zu viele Vorschriften. Glaubt ihr, dass das digitale Bürokratieportal wirklich helfen kann? Ich bin skeptisch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Über den Autor

Die Redaktion von Verbandsbüro besteht aus vielen unterschiedlichen Experten aus der Verbands- und Vereinswelt. Alle Beiträge beruhen auf eigene Erfahrungen. Damit wollen wir Ihnen unsere professionellen Leistungen für Ihre Organisation präsentieren. Wollen Sie mehr zu diesem Thema erfahren? Nehmen Sie doch einfach mit uns Kontakt auf.​

Teilen

Wenn dir dieser Beitrag gefallen hat, teile ihn gerne weiter.