– AWO kritisiert geplante Bürgergeld-Reform als Angriff auf sozialen Zusammenhalt
– Reform sieht schärfere Sanktionen bis zum vollständigen Leistungsentzug vor
– AWO hält Kürzungen bei Wohnkosten für verfassungswidrig und armutsfördernd
AWO warnt vor Sozialstaatsabbau durch geplante Bürgergeld-Reform
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) reagiert mit scharfer Kritik auf die von der Bundesregierung angekündigte Reform der Grundsicherung. In einer Stellungnahme vom 9. Oktober 2025 in Berlin bezeichnet der Verband die Pläne als Angriff auf den Sozialstaat und warnt vor massiven Einschnitten für Millionen Leistungsberechtigte. Konkret kritisiert die AWO schärfere Sanktionen bis hin zum vollständigen Leistungsentzug, einen absoluten Vermittlungsvorrang und mögliche Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft.
AWO-Präsident Michael Groß äußert sich entschieden zu den Reformplänen:
„Es kann nicht wahr sein, dass der Bundesregierung angesichts all der Krisen, die wir erleben, nichts Besseres einfällt, als schon wieder am Sozialstaat zu sägen. Nicht einmal ein Prozent der Bürgergeld-Empfängerinnen verweigert die Aufnahme von Arbeit. Unter dem Vorwand dieser sogenannten ‚Totalverweigerer‘ nun Millionen von Familien zu bestrafen, geht völlig an der Realität vorbei.“* (Stand: 09.10.2025)
Die AWO hält die von der Bundesregierung vorgebrachte Verfassungskonformität der Maßnahmen für nicht nachvollziehbar. Groß betont:
„Man darf sich schon wundern, dass die Bundesregierung so hart an der Grenze der Verfassung operiert und sehenden Auges mit Verfassungsklagen rechnen muss. Doch auch jenseits der Verfassungskonformität: Es ist absurd, Menschen aufgrund verpasster Termine die Existenzgrundlage zu nehmen.“
Der Verband befürchtet konkrete soziale Verwerfungen durch die geplanten Verschärfungen. Laut AWO-Präsident Groß droht die Reform, Menschen in die Obdachlosigkeit zu treiben, da das Existenzminimum bereits heute nicht armutsfest sei und durch die geplanten Kürzungen zur letzten Haltelinie werde.
Die geplanten Änderungen im Überblick
Die Reformpläne der Bundesregierung sehen tiefgreifende Einschnitte im Bürgergeld-System vor. Medienberichten zufolge sollen mehrere zentrale Säulen der Grundsicherung neu justiert werden, wobei besonders drei Bereiche im Fokus stehen: die Sanktionsregeln, die Arbeitsverpflichtungen und die finanziellen Freibeträge. Laut Focus (Stand: Oktober 2025) wird dabei auch eine Totalsanktion diskutiert, bei der die Leistungen komplett gestrichen werden können – einschließlich der Kosten der Unterkunft (KdU).
Die geplanten Maßnahmen lassen sich in drei Kernbereiche zusammenfassen:
- Verschärfte Sanktionen: An die Stelle gestaffelter Kürzungen tritt die Möglichkeit zum vollständigen Leistungsentzug. Besonders umstritten ist, dass diese Totalsanktion nach Medieninformationen (euronews – Stand: 09.10.2025) auch die Übernahme der Mietkosten betreffen könnte, was im Extremfall den Verlust der Wohnung bedeuten würde.
- Neue Arbeitspflicht: Der bisherige Grundsatz "Fördern und Fordern" verschiebt sich deutlich in Richtung des Forderns. Der Vermittlungsvorrang für qualifizierende Maßnahmen entfällt zugunsten einer sofortigen Pflicht, jede zumutbare Arbeit anzunehmen.
- Geringere Freibeträge: Die finanziellen Spielräume für Leistungsbeziehende werden enger. Das Schonvermögen wird abgesenkt, und die Karenzzeit, in der höhere Kosten für die Unterkunft übernommen werden, soll komplett wegfallen (Surplus Magazin – Stand: Oktober 2025).
Sanktionen und Totalsanktion
Das bisherige System gestaffelter Leistungskürzungen würde durch eine radikalere Maßnahme ergänzt. Die sogenannte Totalsanktion sieht vor, dass bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen die komplette Leistung – inklusive der Zahlungen für Miete und Heizung – entzogen werden kann. Diese Regelung beträfe nicht nur den Regelsatz, sondern greift direkt in die Existenzsicherung ein, da die Kosten der Unterkunft (KdU) mit einbezogen werden. Kritiker wie die Arbeiterwohlfahrt bewerten diesen Schritt als einen "Angriff auf den Sozialstaat".
Arbeitspflicht und Schonvermögen
Parallel zur Sanktionsverschärfung wird der Druck auf Arbeitsuchende erhöht. Die Reform priorisiert nicht länger Qualifizierung, sondern die sofortige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Ob eine Tätigkeit als zumutbare Arbeit gilt, wird damit zum entscheidenden Kriterium. Gleichzeitig werden die finanziellen Puffer verkleinert: Durch die Absenkung des Schonvermögens und den Wegfall der Karenzzeit bei den Wohnkosten haben Beziehende weniger Möglichkeiten, unvorhergesehene Ausgaben oder Übergangsphasen finanziell abzufedern.
Sanktionen und Regelsätze im aktuellen Zahlenbild
Die Diskussion um die Bürgergeld-Reform gewinnt durch aktuelle statistische Werte an Kontur. Die verfügbaren Daten zeigen ein differenziertes Bild der Sanktionspraxis und der finanziellen Rahmenbedingungen für Leistungsbeziehende.
Im Zeitraum von März 2024 bis Oktober 2025 wurden lediglich eine geringe zweistellige Zahl an Totalsanktionen verhängt (Quelle: Focus — Zeitraum: März 2024–Oktober 2025). Diese vollständigen Leistungsentzüge stellen damit eine absolute Ausnahme dar. Deutlich häufiger kommen Leistungsminderungen zur Anwendung: Im Mai 2025 wurden über 5.000 solcher Minderungen registriert (Quelle: IAB-Forum — Stand: Mai 2025).
Die finanzielle Grundabsicherung für die rund 5,5 Millionen Leistungsbeziehenden wird durch die Regelsätze definiert. Für Alleinstehende liegt dieser bei 563 Euro monatlich (Quelle: inFranken — Stand: Oktober 2025). Diese Regelsätze bleiben für die Jahre 2025 und 2026 stabil, was Planungssicherheit für die Betroffenen bedeutet.
- Totalsanktionen (März 2024–Oktober 2025): Geringe zweistellige Zahl (Quelle: Focus)
- Leistungsminderungen (Mai 2025): Über 5.000 Fälle (Quelle: IAB-Forum)
- Regelsatz für Alleinstehende (Oktober 2025): 563 Euro (Quelle: inFranken)
Diese Zahlen bilden die quantitative Basis, vor der die politische Debatte über verschärfte Sanktionsregelungen und deren mögliche Auswirkungen auf Millionen Haushalte geführt wird.
Verfassung, Härtefälle und Streitpunkte
Die geplante Bürgergeld-Reform bewegt sich in einem rechtlichen Spannungsfeld zwischen verfassungsrechtlichen Grenzen und sozialpolitischen Härtefällen. Die Bundesregierung positioniert ihre Vorhaben bewusst als Maßnahmen, die bis an die Grenze des Zulässigen gehen sollen. Laut einer Analyse des Surplus Magazins vom Oktober 2025 sieht der Regierungsentwurf dabei ausdrücklich Ausnahmeregelungen für Härtefälle vor. Diese sollen verhindern, dass besonders schutzbedürftige Personengruppen durch die verschärften Sanktionen existenziell gefährdet werden. Die Bewertung der Verfassungskonformität solch drastischer Eingriffe bleibt jedoch stark umstritten.
Ein zentraler Streitpunkt betrifft die Behandlung der Kosten der Unterkunft bei sogenannten Totalsanktionen. Hier liegen am 09.10.2025 unterschiedliche Darstellungen vor: Die offizielle Pressemitteilung der AWO vom 09.10.2025 spricht von „möglichen Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft“ als Teil der Reformeckpunkte. Demgegenüber berichtete der Nachrichtensender euronews ebenfalls am 09.10.2025, die Kosten der Unterkunft sollten auch bei vollständigem Leistungsentzug weitergezahlt werden. Diese widersprüchlichen Aussagen zum gleichen Stichtag werfen Fragen zur konkreten Ausgestaltung der umstrittensten Neuregelung auf und zeigen, wie unklar die praktische Umsetzung selbst nach der offiziellen Ankündigung bleibt.
Was das für Betroffene jetzt bedeutet
Die beschlossene Bürgergeld-Reform stellt Beziehende der Grundsicherung vor grundlegende Veränderungen. Konkret bedeutet dies: Der Druck zur Arbeitsaufnahme wird spürbar steigen, Sanktionen werden verschärft und zahlreiche Fragen zur praktischen Umsetzung bleiben vorerst offen. Für Millionen von Menschen entsteht eine Phase der Verunsicherung, während die Jobcenter sich auf die neuen Regelungen einstellen müssen.
Besonders kritisch sieht die Arbeiterwohlfahrt die geplanten Verschärfungen bei Sanktionen. Michael Groß, Präsident der AWO, warnt: „Es ist absurd, Menschen aufgrund verpasster Termine die Existenzgrundlage zu nehmen.“ Die Möglichkeit des vollständigen Leistungsentzugs und sogar Kürzungen bei den Kosten der Unterkunft könnten nach Einschätzung des Verbands existenzbedrohende Folgen haben. Die AWO hält diese Maßnahmen für verfassungsrechtlich höchst fragwürdig und rechnet mit entsprechenden Klagen.
In der Übergangsphase zur Umsetzung der Reform müssen Betroffene mit unterschiedlichen Herausforderungen rechnen. Die konkrete Ausgestaltung der Härtefallregelungen bleibt ebenso unklar wie die Frage, wie Jobcenter die neuen Vorgaben in der täglichen Praxis handhaben werden. Die geplante Absenkung der Kosten der Unterkunft wirft zusätzliche Rechtsunsicherheiten auf, die voraussichtlich erst durch Gerichtsentscheidungen geklärt werden können.
Für Bürgergeldbeziehende bedeutet dies erhöhte Aufmerksamkeit bei der Einhaltung von Mitwirkungspflichten. Gleichzeitig sollten sie sich über ihre Rechte im Klaren sein und mögliche Rechtsverstöße gegen das Existenzminimum nicht hinnehmen. Die öffentliche Diskussion über die Reform wird voraussichtlich weitergehen, während die praktischen Auswirkungen erst in den kommenden Monaten vollständig sichtbar werden.
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Die nachfolgenden Informationen und Stellungnahmen basieren auf einer Pressemitteilung des AWO Bundesverbandes e. V.
Weiterführende Quellen:
- „Vom Bundesverfassungsgericht wurden vollständige Leistungskürzungen bislang nur in Ausnahmesituationen zugelassen; von März 2024 bis Oktober 2025 gab es nur eine geringe zweistellige Anzahl an Fällen von Totalsanktion bei Bürgergeldempfängern, üblicherweise blieb es bei einer Kürzung von maximal 30 %.“ – Quelle: https://www.focus.de/finanzen/grundsicherung/countdown-fuer-neue-grundsicherung-womit-buergergeld-empfaenger-rechnen-muessen
- „Im Mai 2025 wurden bundesweit über 5.000 Leistungsminderungen (Sanktionen) aufgrund von Pflichtverletzungen verhängt.“ – Quelle: https://iab-forum.de/leistungsminderungen-im-jobcenter-viele-menschen-im-buergergeldbezug-kennen-die-tatsaechlichen-kuerzungsbetraege-nicht/
- „Seit Einführung des Bürgergeldes erhalten etwa 5,5 Millionen Menschen diese Leistung; die Regelsätze bleiben 2025 und 2026 stabil, für Singles bei 563 Euro (Stand: Oktober 2025).“ – Quelle: https://www.infranken.de/ratgeber/karriere-geld/buergergeld-reform-2025-beschlossen-was-sich-jetzt-aendert-art-6273711
- „Bei den geplanten Verschärfungen sollen Leistungen für Bürgergeldempfänger nach mehrfachem Verstoß künftig vollständig gestrichen werden können (Totalsanktion); die Kosten der Unterkunft sollen weiterhin gezahlt werden (Stand: 09.10.2025).“ – Quelle: https://de.euronews.com/2025/10/09/burgergeld-news-aktivrente-grundsicherung
- „Die neue Grundsicherung setzt auf Pflicht zur Annahme jeder zumutbaren Arbeit statt bisherigem Qualifizierungsvorrang; das Schonvermögen wird abgesenkt und die Karenzzeit bei Unterkunftskosten entfällt (Stand: Oktober 2025).“ – Quelle: https://www.focus.de/finanzen/grundsicherung/countdown-fuer-neue-grundsicherung-womit-buergergeld-empfaenger-rechnen-muessen
- „Verfassungsrechtlich werden die geplanten Sanktionen laut Regierungsvertretern ‚bis an die Grenze des Zulässigen‘ verschärft; Härtefälle, etwa psychische Erkrankungen, sollen individuell berücksichtigt werden (Stand: Oktober 2025).“ – Quelle: https://www.surplusmagazin.de/grundsicherung-koalition-buergergeld-reform-verscharfung-sanktionen
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8 Antworten
„Es kann nicht wahr sein“ – das denke ich auch! Die Stimmen der Betroffenen müssen gehört werden. Wie können wir sicherstellen, dass ihre Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen? Habt ihr Vorschläge für Aktionen oder Initiativen?
„Sozialstaatsabbau“ ist ein starkes Wort! Aber was bedeutet das konkret für uns? Gibt es Möglichkeiten zur Mitbestimmung oder zur Einflussnahme auf diese Entscheidungen?
Die geplanten Sanktionen sind wirklich extrem und gefährden die Existenz vieler Menschen. Ich verstehe nicht, warum man in einer Krisenzeit so handelt. Was sind eure Meinungen dazu? Wie können wir als Gesellschaft darauf reagieren?
Ich finde auch, dass der soziale Zusammenhalt gefährdet wird! Es wäre hilfreich zu wissen, wie viele Menschen tatsächlich von den neuen Regelungen betroffen sein werden.
„Fördern und Fordern“ klingt gut, aber wo bleibt das Fördern bei so viel Druck? Gibt es Beispiele aus anderen Ländern, die besser funktionieren? Vielleicht sollten wir darüber sprechen.
Die Idee, Leistungsempfänger mit Sanktionen zu bestrafen, ist wirklich fragwürdig. Ich frage mich, ob das wirklich die Lösung ist. Welche Alternativen könnten wir diskutieren? Es wäre gut, mehr über andere Modelle zu erfahren.
Ich stimme dir zu, Klauspeter05! Die AWO hat recht, dass diese Reform nicht nur verfassungswidrig sein könnte, sondern auch viele Menschen in Not bringt. Was denkt ihr über die Frage der Verfassungskonformität? Ist das nicht ein ernsthaftes Problem?
Ich finde die Kritik der AWO an der Bürgergeld-Reform sehr wichtig. Die geplanten Kürzungen bei Wohnkosten können zu mehr Obdachlosigkeit führen. Wer denkt darüber nach, wie es den betroffenen Familien geht?