Bremen (VBR). Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat heute eine vorläufige Stellungnahme zu dem „Optionenpapier“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) veröffentlicht. Unter dem Titel „Strommarktdesign der Zukunft – Optionen für ein sicheres, bezahlbares und nachhaltiges Stromsystem“ befasst sich dieses Papier mit den Möglichkeiten zur Weiterentwicklung des deutschen Strommarktes. Der BEE betont dabei besonders die Notwendigkeit von Flexibilität im Strommarkt, um eine nachhaltige Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter begrüßte die vorausschauende Auseinandersetzung des BMWK mit dem zukünftigen Strommarktdesign. Sie unterstrich, dass die Branche es als ihre wichtigste Aufgabe ansieht, Flexibilitäten im Strommarkt zu entfesseln. Diese Flexibilität sei essenziell, um Systembrüche zu verhindern und die vielen Herausforderungen des aktuellen Stromsystems zu bewältigen. Das bestehende System leidet unter einem Mangel an flexiblen Erzeuger-, Verbrauchs- und Speicherkapazitäten. Dies führt immer häufiger zu einer Abregelung von grünem Strom und zu Zeiten negativer Strompreise. Laut Peter ist daher Flexibilität die „Leitwährung“ für ein versorgungssicheres und bezahlbares klimaneutrales Stromsystem.
Schon 2021 skizzierte der BEE in einer eigenen Studie Lösungswege, wie diesen Herausforderungen systemdienlich begegnet werden kann. Dazu zählen das Anreizen dezentraler Erneuerbarer Flexibilitätsoptionen, wie Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie, aber auch die Nutzung von Speichern und Sektorenkopplungen. Weitere Lösungsansätze umfassen verbrauchsnahe Flexibilitäten durch e-Autos und Wärmepumpen, sowie die effiziente Nutzung der bestehenden Netzinfrastruktur durch Überbauung von Netzverknüpfungspunkten.
Hinsichtlich der Finanzierung von erneuerbaren Energien bewertet der BEE die Optionen 1 und 2 des BMWK als verlässlich und kurzfristig umsetzbar. Bei Option 2 könnte jedoch ohne ein „Cap & Floor“-Modell (eine Art Preisdeckel und -boden) die Refinanzierung schwierig sein, weshalb Option 1 als pragmatischere Lösung angesehen wird. Dieses Modell basiert auf tatsächlich eingespeisten Strommengen und würde gleichzeitig durch einen Marktwertkorridor dafür sorgen, dass Anlagen den Marktpreissignalen entsprechen. Eine Erweiterung von Option 1 könnte zudem negative Strompreise verhindern und gleichzeitig die Marktrisiken für Erneuerbare Energien minimieren.
Im Gegensatz dazu basieren die Produktionsunabhängigen Optionen (3 und 4) auf theoretischen Modellen, deren Variablen und Auswirkungen bislang unklar seien. Peter warnt davor, riskante Experimente in dieser sensiblen Phase der Energiewende durchzuführen, da sie die Dynamik des Ausbaus fluktuierender Erneuerbarer Energien gefährden könnten. Eine Analyse der Auswirkungen fiktiver Annahmen bei Windparks zeigte erhebliche Diskrepanzen zwischen errechneten und real erzeugten Strommengen, was zu großen Finanzierungsrisiken führen kann.
Bei steuerbaren Elementen wie Bioenergie sieht der BEE sowohl Vor- als auch Nachteile in marktlichen Optionen (1 und 2) sowie in einem zentralen Kapazitätsmarkt (Option 3). Eine Kombination aus marktlichen Optionen und einem Kapazitätsmechanismus, wie in Option 4 vorgeschlagen, sei zwar eine mögliche Lösung, bedarf jedoch einer genauen Ausgestaltung. Dr. Simone Peter betont, dass steuerbare Erneuerbare Energien nicht nur einen Kapazitätsmechanismus, sondern auch Investitionsanreize brauchen, um ihre Betriebskosten und Stärken im Stromsystem zu berücksichtigen. Ein „Level-Playing-Field“, also faire Wettbewerbsbedingungen für alle, muss dringend mitgedacht werden.
Der BEE bleibt optimistisch und fordert klare, flexible Lösungen für die Herausforderungen des Strommarktdesigns der Zukunft. Die Branche ist bereit, gemeinsam mit dem BMWK und anderen Akteuren die Energiewende konstruktiv und nachhaltig voranzutreiben.
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BMWK-Optionenpapier: Flexibilität als oberstes Leitprinzip verankern, Systembrüche …
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Hintergrund und Ausblick: Wie sich das Strommarktdesign der Zukunft gestalten könnte
Erfahrungen und Erkenntnisse aus früheren Entwicklungen
In den vergangenen Jahren hat die Transformation des deutschen Energiemarktes erhebliche Fortschritte gemacht, aber auch Herausforderungen mit sich gebracht. Der verstärkte Ausbau erneuerbarer Energien hat zwar zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen geführt, jedoch auch Spannungen im bestehenden Stromnetz verursacht. Besonders die unzureichende Netzinfrastruktur und das Fehlen flexibler Speicher- und Verbrauchermechanismen machen deutlich, dass ein Umdenken im Strommarktdesign notwendig ist.
Bereits 2015 wurde mit dem Weißbuch „Ein Strommarkt für die Energiewende“ eine Diskussionsgrundlage geschaffen, die durch den Fokus auf Flexibilitätsoptionen relevante Schwerpunkte setzte. Damals stand vor allem die Frage im Raum, wie ein diversifizierter Markt von variablen erneuerbaren Energien stabil gehalten werden kann. Darauf aufbauend entwickelten verschiedene Akteure Modelle zur Optimierung des Strommarktes im Hinblick auf Versorgungsicherheit und Kosteneffizienz. Diese Vorarbeiten liefern wertvolle Erkenntnisse für die aktuellen Diskussionen rund um das Optionenpapier des BMWK.
Vergleichbare internationale Ansätze
Andere Länder standen und stehen vor ähnlichen Herausforderungen und haben unterschiedliche Strategien verfolgt. In Großbritannien beispielsweise wurde der Kapazitätsmarkt als Mittel zur Sicherstellung der Versorgungsicherheit eingeführt, was jedoch mit erheblichen Kosten für die Verbraucher verbunden war. Die USA setzen auf regionalisierte Ansätze und fördern dezentrale Energiespeicherung sowie Demand Response-Programme, um Netzstabilität zu gewährleisten.
Skandinavische Länder, insbesondere Dänemark, zeigen auf, wie der massenhafte Einsatz von Windenergie und flexible Kopplungstechnologien wie Power-to-X (z.B. Wasserstoff) effizient gemanagt werden können. Diese internationalen Modelle bieten wertvolle Einsichten, wie Deutschland seinen eigenen Weg pragmatisch weiterentwickeln könnte.
Prognosen und Trends für den deutschen Energiemarkt
Die zukünftige Entwicklung des Strommarktdesigns in Deutschland wird maßgeblich von technologischen Fortschritten und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beeinflusst. Ein Trend deutet auf eine verstärkte Integration digitaler Technologien hin, die Echtzeitsteuerung und -überwachung von Erzeugung und Verbrauch ermöglichen werden. Smart Grids und Blockchain-Technologien könnten hierbei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie verbesserte Transparenz und Effizienz bieten und so die Marktteilnehmer besser miteinander verbinden.
Darüber hinaus wird die Bedeutung von Speichern – sowohl stationären als auch mobilen, z.B. in Form von Batterien aus Elektrofahrzeugen – weiter zunehmen. Diese Techniken könnten einen wesentlichen Beitrag zur Flexibilität und Stabilität des Stromnetzes leisten und negative Strompreise minimieren oder gar verhindern helfen.
Mögliche Entwicklungen und Konsequenzen
Das BMWK-Optionenpapier bietet vielfältige Ansätze, doch es muss sichergestellt werden, dass diese theoretischen Modelle praxisnah und umsetzbar sind. Es gilt, alle relevanten Stakeholder in den Konsultationsprozess intensiv einzubinden, um marktreife Lösungen zu entwickeln. Insbesondere sollten kleine und mittelgroße Anlagenbetreiber unterstützt werden, da sie einen signifikanten Beitrag zur Dezentralisierung und Demokratisierung der Energieversorgung leisten können.
Eine weitere notwendige Entwicklung dürfte die stärkere Berücksichtigung sektorübergreifender Strategien sein. Insbesondere die Verknüpfung von Strom, Wärme und Mobilität bietet Potenzial, um Flexibilitäten optimal zu nutzen und Synergieeffekte zu erzielen. Die Sektorenkopplung und der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur werden daher entscheidende Rollen spielen.
Zusammengefasst steht Deutschland am Scheideweg eines tiefgreifenden Wandels des Strommarktsystems. Die Entscheidungen, die in den kommenden Jahren getroffen werden, haben das Potenzial, nicht nur die heimische Energiewende entscheidend zu beeinflussen, sondern auch als internationales Vorbild zu dienen. Mit dem richtigen Mix aus Flexibilität, technologischem Fortschritt und regulatorischen Rahmenbedingungen kann ein resilientes und nachhaltiges Energiesystem entstehen, das langfristig sicher, bezahlbar und klimaneutral ist.
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10 Antworten
Ich finde das alles sehr verwirrend, wie sollen wir da den Überblick behalten?
@Miroslaw Janssen, ja stimmt! Die machen es uns unnötig schwer!
@Miroslaw Janssen, die Politik sollte mal an den einfachen Bürger denken und nicht immer so kompliziert sein!
Warum immer so viele neue Modelle und Optionen? Kann man nich einfach das jetzige System verbessern?
@Xlink, Gute Frage! Das jetzige System funktioniert doch schon okay… oder nicht?
‘Strommarktdesign der Zukunft’ klingt ja schön und gut, aber was bringts uns wenn es keiner versteht und umsetzen kann?
Also das BMWK-Optionenpapier is echt schwer zu verstehen. Warum können die das nicht einfacher machen? Ich bin total verwirt.
@Bohm Sabina, ich stimme dir voll zu! Die ganze Diskussion um Strommarkt und Flexibilität ist viel zu komplex.
@Bohm Sabina, ja genau, das denken viele Leute so wie du! Einfach mal klartext reden.
Ich versteh nicht warum Flexibilität so wichtig is. Kann man nich einfach mehr Windräder bauen? Hört sich alles viel zu komplizierd an.