– Herbert-Stiller-Preis 2025 für tierversuchsfreies Blasenkrebsmodell an Uni Greifswald
– Innovatives Blase-auf-dem-Chip-Modell nutzt ausschließlich humane Zellen
– Ziel ist Ersatz von Tierversuchen und personalisierte Therapieentwicklung
Preis für Blasenkrebs-Forschung: Chip-Modell aus Greifswald setzt auf Mensch statt Maus
Am 14. Oktober 2025 erhielt Dr. Pedro Caetano Pinto von der Universitätsmedizin Greifswald den mit 20.000 Euro dotierten Herbert-Stiller-Preis für seine Entwicklung eines humanbasierten Blasen-auf-dem-Chip-Modells zur Erforschung von Blasenkrebs. Die Auszeichnung des Vereins Ärzte gegen Tierversuche würdigt diesen innovativen tierversuchsfreien Ansatz, der sowohl Tieren Leid erspart als auch medizinisch relevantere Ergebnisse liefert.
Das Modell bildet die menschliche Blasenschicht detailgetreu nach und ermöglicht so präzisere Wirkstofftests als herkömmliche Tierversuche. Zwischen 2020 und 2024 wurden in Deutschland fast 9.000 Tiere für Blasenkrebsforschung eingesetzt – ein Zustand, den das neue Verfahren künftig überflüssig machen soll.
„Das Projekt von Dr. Pinto zeigt eindrucksvoll, dass medizinischer Fortschritt und Tierschutz kein Widerspruch sein müssen“, betont Dr. Katharina Feuerlein vom Vorstand der Ärzte gegen Tierversuche. „Mit dem neuen Blasen-auf-dem-Chip-Modell können potenziell weltweit unzählige Tiere vor grausamen Experimenten bewahrt werden – und Patienten profitieren gleichzeitig von wissenschaftlich besseren und sichereren Ergebnissen.“
Preisträger Dr. Pedro Pinto unterstreicht die praktische Umsetzbarkeit: „Tierversuche sind trotz klarer ethischer und wissenschaftlicher Einschränkungen die Standardmethode zur Erforschung von Blasenkrebs. Unser menschliches Blase-auf-dem-Chip-Modell wird eine Möglichkeit bieten, um Ratten und Mäuse in Studien zu Blasenkrebs vollständig zu ersetzen.“
Die feierliche Preisverleihung fand am 14. Oktober 2025 in Greifswald statt.
Preis und Modell im Überblick
Der Herbert-Stiller-Preis zeichnet seit Jahren Forschungsarbeiten aus, die konsequent auf tierfreie Methoden setzen und dennoch medizinische Innovationen vorantreiben. Der Preis wird alle zwei Jahre vergeben und ehrt den Namensgeber Dr. Herbert Stiller (1923–1985), den Gründervater von Ärzte gegen Tierversuche. Die Auszeichnung würdigt Projekte, die ausschließlich mit humanbasierten Materialien arbeiten und so wissenschaftliche Impulse ohne Tierversuche setzen.
Was leistet das Chip-Modell?
Das prämierte Blasenmodell aus Greifswald bildet die menschliche Harnblase mit einer dreischichtigen Struktur aus Epithel, Bindegewebe und Muskulatur nach. Anders als herkömmliche Tierversuche nutzt es ausschließlich menschliche Zellen und tierfreie Materialien. Diese personalisierte Herangehensweise ermöglicht:
- Untersuchung von Tumorwachstum und Metastasierungsprozessen
- Analyse von Interaktionen mit dem menschlichen Immunsystem
- Testung neuer Therapieansätze unter realitätsnahen Bedingungen
- Anpassung des Modells an individuelle Patientinnen und Patienten
Für die medizinische Praxis bedeutet dies einen wichtigen Schritt Richtung präzisere Tests und maßgeschneiderte Behandlungen. Das Modell bildet Krankheitsverläufe menschlicher ab als tierische Versuchssysteme und könnte künftig dabei helfen, Therapien gezielter und patientenrelevanter zu entwickeln.
Faktencheck: Forschungsstand
Externe Evidenz zeigt, wie weit die Forschung mit Organoiden und Organ-on-a-Chip-Technologien bei Blasenkrebs und darüber hinaus fortgeschritten ist. Die folgenden Entwicklungen dokumentieren den aktuellen Stand:
März 2023: An der Universität Bern gelang die Erstellung von Organoiden aus 41 Patienten-Biopsien. Dabei zeigte sich, dass Lapatinib bei 67 Prozent der muskelinvasiven Organoide wirksam war (Quelle: Universität Bern).
Juni 2024: Weltweit waren zu diesem Zeitpunkt lediglich drei wissenschaftliche Publikationen zu Bladder-cancer-on-a-Chip-Projekten veröffentlicht (Quelle: PMC).
September 2024: Die Entwicklung von Multi-Organ-Chips schritt voran, wobei Modelle mit bis zu vier Mini-Organen pro Chip entstanden. Parallel arbeiteten Forschende an personalisierten Chips (Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung).
Herbst 2024: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) förderte chip-basierte Multi-Organ-Modelle mit dem ambitionierten Ziel, künftig mehr als zehn Mini-Organe auf einem Chip zu integrieren (Quelle: BMBF).
November 2024: Das EDIT-Konsortium demonstrierte die Machbarkeit neuartiger Technologien zur Frühdiagnose und Therapie. Diese nutzen photoakustische Bildgebung und Gold-Nanostäbchen in tierversuchsfreien Modellen (Quelle: CORDIS).
Mai 2025: Gefäß-realistische Organ-on-a-Chip-Modelle ermöglichten erstmals die mikroskopische Beobachtung biologischer Mechanismen. Eine verbesserte Lasertechnik optimierte zudem das Nährstoffmanagement in diesen Systemen (Quelle: MT-Portal).
Diese chronologische Abfolge verdeutlicht die dynamische Entwicklung im Bereich der humanbasierten Forschungsmodelle.
Warum das Thema alle betrifft
Die Entwicklung humanbasierter Forschungsmodelle wie des Blasen-auf-dem-Chip-Systems berührt grundlegende Fragen, die weit über die Labore der Wissenschaft hinausreichen. Dieser Ansatz verändert nicht nur die Methoden der Forschung, sondern hat konkrete Auswirkungen auf Patientensicherheit, Tierwohl und die Qualität medizinischer Erkenntnisse.
Für Patientinnen und Patienten bedeutet der Wechsel zu menschlichen Zellmodellen einen direkten Fortschritt. Wirkstoffe können unter Bedingungen getestet werden, die der menschlichen Physiologie wesentlich näher kommen als Tiermodelle. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Therapieerfolge aus dem Labor später tatsächlich beim Menschen wirken. Gleichzeitig sinkt das Risiko, dass unerwartete Nebenwirkungen erst in klinischen Studien auftreten, weil die Testumgebung von Anfang an menschliche Zellen verwendet.
Die ethische Dimension dieser Forschung ist ebenso bedeutsam. Tierversuche in der Krebsforschung verursachen nachweislich erhebliches Leid – allein für die Blasenkrebsforschung mussten zwischen 2020 und 2024 fast 9.000 Tiere in deutschen Laboren eingesetzt werden. Humanbasierte Modelle bieten die Möglichkeit, dieses Leid zu reduzieren und gleichzeitig wissenschaftlich präzisere Ergebnisse zu erzielen.
Was bedeutet dieser Wandel für das Vertrauen in die Medizin? Wenn Forschungsergebnisse auf menschlichen Zellen basieren statt auf tierischen Modellen, gewinnt die Wissenschaft an Glaubwürdigkeit. Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass medizinische Fortschritte nicht nur innovativ, sondern auch ethisch vertretbar und patientennah entwickelt wurden. Diese Transparenz stärkt das Verständnis für wissenschaftliche Prozesse und fördert die Akzeptanz neuer Therapieansätze.
Ausblick: Finanzierung und Nächste Schritte
Die moderne, menschenorientierte Forschung ohne Tierversuche bietet enormes Potenzial für medizinische Fortschritte, doch die öffentliche Förderung bleibt deutlich hinter den Möglichkeiten zurück. Weniger als ein Prozent der staatlichen biomedizinischen Forschungsförderung fließt in Deutschland in diese zukunftsweisenden Projekte (Stand: 14. Oktober 2025).
Dr. Dilyana Filipova bringt die Situation auf den Punkt: „Mit dem Herbert-Stiller-Preis können wir nur einen kleinen Teil dieser dringend notwendigen Forschung ermöglichen, deren Finanzierung Aufgabe des Staates sein sollte.“ Sie ergänzt: „Bei jeder Preisausschreibung erreichen uns zahlreiche herausragende Bewerbungen – es gibt viele weitere engagierte Forscherinnen und Forscher mit innovativen Projekten, die ebenfalls eine Förderung oder Auszeichnung verdient hätten. Wir appellieren daher eindringlich an öffentliche Forschungsförderstellen, deutlich mehr dieser exzellenten, humanbasierten Projekte zu unterstützen.“
Die entscheidenden nächsten Schritte liegen nun in der breiteren Implementierung solcher Modelle und ihrer Akzeptanz in der Forschungslandschaft.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung des Vereins Ärzte gegen Tierversuche e.V.
Weiterführende Quellen:
- „Bladder cancer-on-a-chip-Modelle unterstützen die Erhaltung des Blasenkrebszell-Phänotyps und bieten eine Plattform zur Bewertung und Quantifizierung von Zellreaktionen im 3D-Kontext; weltweit waren 2024 drei Blasen-Chip-Projekte publiziert (Stand: Juni 2024).“ – Quelle: https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11311651/
- „Forschende der Universität Bern erzeugten aus Biopsien von 41 Blasenkrebs-Patienten dreidimensionale Tumor-Organoide, die die Struktur und Pathologie der ursprünglichen Tumoren nachahmen; in Arzneimitteltests zeigte Lapatinib bei 67 % muskelinvasiver Organoide Wirksamkeit (Stand: März 2023).“ – Quelle: https://mediarelations.unibe.ch/medienmitteilungen/2023/medienmitteilungen_2023/tumor_organoide_im_kampf_gegen_blasenkrebs/index_ger.html
- „Neue Organ-on-a-Chip-Modelle, die Blutgefäße realistisch simulieren, erlauben Beobachtungen zellulärer Mechanismen unter dem Mikroskop und bestätigen durch Lasertechnik ein verbessertes Nährstoffmanagement in künstlichen Organstrukturen (Stand: Mai 2025).“ – Quelle: https://mt-portal.de/aktuell/blutgefaesse-auf-dem-chip-ermoeglichen-realistische-organmodelle/
- „Das EDIT-Konsortium bestätigte mit präklinischen Modellen für Blasenkrebs die Machbarkeit neuer Technologien; Frühdiagnose und Therapie durch photoakustische Bildgebung und Gold-Nanostäbchen sind mit tierversuchsfreien Modellen möglich (Stand: November 2024).“ – Quelle: https://cordis.europa.eu/article/id/442873-pioneering-technology-delivers-early-cancer-diagnosis-and-treatment/de
- „Multi-Organ-Chip-Systeme mit bis zu vier Mini-Organen pro Chip werden entwickelt, Ziel ist die komplexe Testplattform für Medikamentenentwicklung und Ersatz von Tierversuchen; personalisierte Chips sind in Entwicklung (Stand: September 2024).“ – Quelle: https://www.gesundheitsforschung-bmftr.de/de/multi-organ-chip-soll-medikamententests-sicherer-machen-2113.php
- „Das Bundesforschungsministerium unterstützt die Entwicklung von Chip-basierten Multi-Organ-Modellen mit dem Ziel, über zehn Mini-Organe auf einem Chip zur Simulation menschlicher Physiologie einzusetzen (Stand: Herbst 2024).“ – Quelle: https://bmbf-test41.gsb.itzbund.de/bmbf/shareddocs/kurzmeldungen/de/organchip-koennte-medikamenten-tests-revolutionieren.html
9 Antworten
Echt spannend was hier passiert mit dem Blasenmodell aus Greifswald! Ich hoffe das bringt bald Veränderungen mit sich im Gesundheitswesen.
‚Tierversuche sind Standard‘ – das sollte sich ändern! Der Artikel zeigt auf, wie wichtig humane Alternativen sind. Wie können wir als Gesellschaft mehr Druck ausüben auf die Forschungseinrichtungen?
‚Mensch statt Maus‘ klingt nach einem Fortschritt! Die Chancen stehen gut für eine verbesserte Patientenversorgung. Was könnte das für zukünftige Therapien bedeuten? Ich frage mich auch, wie schnell sich diese Modelle durchsetzen werden.
‚Mensch statt Maus‘ hat großes Potenzial! Ich bin neugierig auf konkrete Beispiele für Therapien aus diesen Modellen – könnten sie schneller auf den Markt kommen?
Der Herbert-Stiller-Preis ist eine großartige Initiative! Endlich wird Tierschutz ernst genommen und gleichzeitig wird der medizinische Fortschritt gefördert. Gibt es ähnliche Preise oder Auszeichnungen für andere Forschungsbereiche?
Das wäre interessant zu wissen! Solche Preise könnten wirklich viele Forscher motivieren, neue Wege zu gehen und Tierversuche zu vermeiden.
Ich finde es echt toll, dass es jetzt so ein Blasen-auf-dem-Chip-Modell gibt. Es ist wichtig, dass wir Tierversuche abschaffen. Ich hoffe, dass solche Modelle auch in anderen Bereichen eingesetzt werden können. Was denkt ihr über die Zukunft solcher Technologien?
Ja, ich stimme zu! Es wäre super, wenn mehr Forschung mit menschlichen Zellen gemacht wird. Mich interessiert, ob es schon Fortschritte in anderen Krebsarten gibt. Hat jemand Informationen dazu?
Ich finde die Idee gut, aber wie realistisch sind die Ergebnisse im Vergleich zu Tierversuchen? Vielleicht gibt es Unterschiede, die wir nicht ignorieren dürfen.