– Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern ist sehr hoch
– 2000 bestätigte Behandlungsfehler bei 17 Millionen stationären Behandlungen
– Fehlerquote liegt bei extrem niedrigen 0,0001 Prozent
Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern auf hohem Niveau
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) betont in ihrer Pressemitteilung vom 30. Oktober 2025 die sehr hohe Behandlungsqualität in deutschen Krankenhäusern. Die aktuellen Zahlen des Medizinischen Dienstes zeigen: Von insgesamt 12.304 gemeldeten Verdachtsfällen auf Behandlungsfehler im gesamten Gesundheitswesen bestätigten sich nur 3.301 Fälle als tatsächliche Fehler mit möglichem Schaden. Davon entfallen etwa 2.000 Fälle auf Krankenhausbehandlungen.*
DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß kommentiert: „Jeder Behandlungsfehler ist ein Fehler zu viel. Es geht bei jedem einzelnen Fall um Menschen und deren persönliches Leid. Wir müssen deshalb alles tun, um Fehler zu vermeiden und aus Fehlern zu lernen. Den etwa 2.000 bestätigten Behandlungsfehlern im Krankenhaus stehen aber auch rund 17 Millionen stationäre Behandlungsfälle im Jahr 2024 gegenüber.“
Die DKG verweist auf eine stetig verbesserte Fehlerkultur in den Kliniken. Die Zahl der sogenannten „Never Events“ – besonders schwerwiegende vermeidbare Zwischenfälle – sank 2024 auf 134 Fälle, 17 weniger als im Vorjahr. Dies deutet nach Ansicht der DKG auf ein funktionierendes Fehlermanagement hin.
Kritisch äußert sich die DKG zu Berechnungen ökonomischer Schäden durch Behandlungsfehler. Gaß bewertet diese als methodisch fragwürdig: „Solche Berechnungen mögen auf den ersten Blick beeindruckende Zahlen liefern, sie sind aber keine belastbare Grundlage für politische Entscheidungen. Von den ‚Kosten einer unsicheren Versorgung‘ zu sprechen, ist mehr Angstmacherei als Wissenschaft.“
Behandlungsfehler in der Langzeitbetrachtung
Die aktuelle Diskussion über Behandlungsfehler gewinnt an Tiefe, wenn man sie in einen größeren zeitlichen Rahmen stellt. Die heute veröffentlichten Zahlen des Medizinischen Dienstes fügen sich in eine längerfristige Entwicklung ein, die bereits vor der Coronapandemie begann. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass das Meldeaufkommen für vermutete Behandlungsfehler schon seit Jahren auf einem stabilen Niveau verharrt.
Vor-Corona-Vergleich
Vor Ausbruch der Coronapandemie wurden jährlich rund 14.500 vermutete Behandlungsfehler in Deutschland gemeldet (Stand: 2019)*.
Die Kontinuität in den Meldezahlen deutet auf eine konstante Sensibilisierung sowohl bei Patientenseite als auch im medizinischen Personal hin. Gleichzeitig spiegelt sie wider, dass das Meldeverfahren institutionalisiert ist und unabhängig von akuten Krisen funktioniert.
Prüfquoten vs. Bestätigungsquoten
Ein zentraler Aspekt im Verständnis der Behandlungsfehler-Statistik liegt in der Differenzierung zwischen gemeldeten Verdachtsfällen und tatsächlich bestätigten Fehlern. Nicht jeder Verdacht erweist sich nach gründlicher Prüfung als berechtigt. Die Diskrepanz zwischen Meldungen und Bestätigungen hat mehrere Ursachen:
- Meldesysteme: Vorsorgliche Meldungen werden oft aus Gründen der Transparenz getätigt, auch bei unklaren Sachverhalten
- Prüfstandards: Die Gutachter des Medizinischen Dienstes wenden strenge Kriterien an, die nicht jeder Meldung standhalten
- Dokumentationsqualität: Manchmal fehlen entscheidende Informationen für eine eindeutige Bewertung
Diese Differenzierung ist essenziell für eine sachliche Debatte über Patientensicherheit. Sie verhindert, dass voreilige Schlüsse aus Rohdaten gezogen werden, und betont stattdessen die Bedeutung gründlicher Einzelfallprüfungen im deutschen Gesundheitssystem.
Dunkelziffern und abweichende Schätzungen
Die offiziell bestätigten Behandlungsfehler bilden nur einen kleinen Ausschnitt des tatsächlichen Geschehens ab. Während die Deutsche Krankenhausgesellschaft eine äußerst niedrige Fehlerquote betont, verweisen unabhängige Studien und Verbände auf erhebliche Unterschiede zwischen gemeldeten Fällen und der vermuteten Gesamtzahl vermeidbarer Schäden.
Die Diskrepanz zwischen offiziellen Zahlen und externen Schätzungen zeigt sich in mehreren Dimensionen:
- Die Sozialverband VdK schätzte 2024, dass etwa 1 % aller stationären Behandlungen fehlerhaft sein könnte – was 2023 etwa 168.000 Betroffenen entsprochen hätte*.
- Fachleute modellieren auf Basis internationaler Studien jährlich rund 17.000 fehlerbedingte, vermeidbare Todesfälle in deutschen Krankenhäusern (Stand: 2024)*.
Schätzungen zur Dunkelziffer
Die unterschiedlichen Berechnungsansätze erklären die weit auseinanderliegenden Zahlen. Während die offizielle Statistik nur jene Fälle erfasst, die tatsächlich gemeldet und im Begutachtungsverfahren bestätigt wurden, basieren externe Schätzungen auf Hochrechnungen aus Stichproben, Modellierungen und internationalen Vergleichswerten. Die Methoden reichen von retrospektiven Fallanalysen über statistische Extrapolationen bis hin zu Übertragungen von Studienergebnissen aus anderen Gesundheitssystemen.
Modellierte Todesfallzahlen
Besonders deutlich wird die Diskrepanz bei den Todesfallschätzungen. Die modellierten Zahlen beruhen auf komplexen Berechnungsmodellen, die verschiedene Einflussfaktoren berücksichtigen: Behandlungsintensität, Patient:innenalter, Krankenhausgröße und internationale Vergleichsdaten. Diese Modelle versuchen, die Dunkelziffer durch wissenschaftliche Methoden zu erfassen, stoßen jedoch an Grenzen bei der Übertragbarkeit zwischen verschiedenen Gesundheitssystemen.
Die unterschiedlichen Positionen zeigen ein grundlegendes Spannungsfeld: Während die Krankenhausgesellschaft die hohe Qualität der dokumentierten Fälle hervorhebt, verweisen Kritiker:innen auf die methodischen Herausforderungen bei der vollständigen Erfassung von Behandlungsfehlern. Beide Perspektiven unterstreichen letztlich die Bedeutung transparenter Fehlerkultur und systematischer Lernprozesse im Gesundheitswesen.
Fehlerprofile und internationale Vergleichbarkeit
Die Prüfungen der Medizinischen Dienste zeigen Unterschiede in den Fehlerquoten je nach Behandlungsbereich.*
Im Bereich Pflege wurden von den Medizinischen Diensten eine Vielzahl von Fällen geprüft, bei denen Verdachtsmeldungen einer systematischen Überprüfung unterzogen wurden.*
Bei Operationen und medikamentösen Therapien variieren die erfassten Fehlerquoten entsprechend unterschiedlicher Risikoprofile und Meldewege.*
Ökonomische Schäden und methodische Grenzen
Die wirtschaftlichen Folgen von Behandlungsfehlern werden kontrovers diskutiert.
Schätzungen über die ökonomischen Schäden durch Behandlungsfehler in Deutschland unterscheiden sich und liegen im niedrigen bis mittleren Milliardenbereich.*
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verweist auf methodische Zweifel und unterschiedliche Definitionen von Fehlern und Schäden in verschiedenen Gesundheitssystemen.*
Methodische Grenzen beim Vergleich
Internationale Vergleiche von Behandlungsfehlerquoten stoßen auf erhebliche methodische Hürden.
Unterschiedliche Meldesysteme, Definitionen und Erfassungsmethoden erschweren valide Vergleiche zwischen Ländern.*
Was in einem Land als meldepflichtiger Vorfall gilt, kann in einem anderen System nicht erfasst werden – diese Inkonsistenzen machen internationale Ranglisten zur Patientensicherheit wissenschaftlich kaum belastbar.*
Auswirkungen, Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Diskussion um Behandlungsqualität und Patientensicherheit in deutschen Krankenhäusern zeigt ein vielschichtiges Bild. Einerseits belegen die offiziellen Zahlen eine hohe medizinische Versorgungsqualität – von rund 17 Millionen stationären Behandlungsfällen im Jahr 2024 wurden etwa 2.000 bestätigte Behandlungsfehler registriert.* Andererseits verweist die bekannte Dunkelziffer nicht erfasster Vorfälle auf die Grenzen statistischer Erfassung. Diese Ambivalenz prägt die aktuelle Debatte und wirft grundlegende Fragen für die Zukunft der Patientenversorgung auf.
Patientenperspektive
Aus Sicht der Patientinnen und Patienten bleibt Transparenz der entscheidende Faktor. Sie erwarten nicht nur medizinische Kompetenz, sondern auch ehrliche Kommunikation über mögliche Risiken und eine offene Aufarbeitung von Zwischenfällen. Die seit Jahren etablierten anonymen Meldesysteme wie das Krankenhaus-CIRS-Netz Deutschland 2.0 bieten hier wichtige Lernplattformen, doch ihre Wirksamkeit hängt maßgeblich von der Bereitschaft aller Beteiligten ab, kritische Ereignisse tatsächlich zu melden und auszuwerten.
Was politisch zu tun bleibt
Die politische Debatte steht vor der Herausforderung, unterschiedliche Interessen auszugleichen: Einerseits gilt es, die dokumentierte hohe Behandlungsqualität anzuerkennen, andererseits müssen systematische Verbesserungen vorangetrieben werden. Die methodischen Unsicherheiten bei der Berechnung ökonomischer Schäden durch Behandlungsfehler – wie von der Deutschen Krankenhausgesellschaft kritisiert – erschweren hier fundierte Entscheidungen.
Drei zentrale Fragen bleiben für Politik und Öffentlichkeit offen: Wie lässt sich die Erfassung von Behandlungsfehlern verbessern, um die Dunkelziffer zu verringern? Welche Anreize können Krankenhäuser dazu bewegen, anonymisierte Meldesysteme noch konsequenter zu nutzen? Und wie schaffen wir eine Kultur, in der Fehler nicht als persönliches Versagen, sondern als Chance zur systematischen Verbesserung betrachtet werden?
Die sinkende Zahl der sogenannten „Never Events“ – 2024 wurden 134 registriert, 17 weniger als im Vorjahr* – deutet auf Fortschritte im Fehlermanagement hin. Doch die eigentliche Herausforderung bleibt: Eine Lernkultur zu etablieren, die über reine Statistiken hinausgeht und das Vertrauen zwischen Patienten, medizinischem Personal und Institutionen nachhaltig stärkt.
Dieser Beitrag basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG).
Weiterführende Quellen:
- „Vor Ausbruch der Coronapandemie wurden jährlich rund 14.500 vermutete Behandlungsfehler in Deutschland gemeldet; 2019 wurden etwa 13.500 Fälle geprüft, wobei in gut einem Viertel ein Fehler bestätigt wurde.“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gesundheit-wenn-fehler-nicht-im-op-passieren-sondern-davor-und-danach/100166284.html
- „Die Techniker Krankenkasse sprach im April 2024 von einer erheblichen Dunkelziffer nicht gemeldeter Behandlungsfehler; der Sozialverband VdK schätzte 2024, dass etwa 1 % aller stationären Behandlungen fehlerhaft sein könnte, was 2023 etwa 168.000 Betroffenen entsprochen hätte.“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gesundheit-wenn-fehler-nicht-im-op-passieren-sondern-davor-und-danach/100166284.html
- „Nur rund 3 % aller vermeidbaren Schadensfälle werden in Deutschland tatsächlich gemeldet und in einem Begutachtungsverfahren nachverfolgt (Stand: 2025).“ – Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/gesundheitswesen-gutachter-finden-3700-behandlungsfehler-li.3332506
- „Im Jahr 2024 registrierten die Medizinischen Dienste in der Pflege eine Fehlerquote von 61,5 % bei 831 geprüften Fällen, bei Operationen lag die Quote bei 21,2 %, bei medikamentösen Therapien bei 35 % (bezogen auf geprüfte Verdachtsfälle).“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gesundheit-wenn-fehler-nicht-im-op-passieren-sondern-davor-und-danach/100166284.html
- „Die ökonomischen Schäden durch Behandlungsfehler werden in Deutschland auf rund 15 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, was etwa 15 % der gesamten Krankenhauskosten entspricht (Schätzung Stand: 2024).“ – Quelle: https://www.sovd.de/aktuelles/meldung/behandlungsfehler-hohe-kosten-und-risiken-im-gesundheitssystem
- „International bestehen erhebliche Unterschiede bei der Erfassung und Definition von Never Events sowie Fehlerquoten; methodische Vergleiche mit Deutschland sind laut Studien problematisch und oft nicht valide (Stand: 2024).“ – Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Patientensicherheit
- „Fachleute gehen nach Modellierungen davon aus, dass es jährlich rund 17.000 fehlerbedingte, vermeidbare Todesfälle in deutschen Krankenhäusern geben könnte – weit jenseits der offiziell bestätigten Fälle (Stand: 2024).“ – Quelle: https://www.stern.de/politik/deutschland/gesundheitswesen–kassen-gutachter-ermitteln-rund-3-700-behandlungsfehler-36175710.html
- „Der Rückgang der gemeldeten Behandlungsfehler seit 2023 steht laut Wissenschaftlern auch mit der sinkenden Zahl stationärer Krankenhausbehandlungen im Zusammenhang.“ – Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gesundheit-wenn-fehler-nicht-im-op-passieren-sondern-davor-und-danach/100166284.html


13 Antworten
Ich bin froh über den Rückgang der Behandlungsfehler! Aber denkt ihr nicht auch, dass viel mehr getan werden muss? Besonders im Hinblick auf Transparenz und Sicherheit für Patienten.
Gute Frage Jonas! Ich denke auch, dass Transparenz entscheidend ist und Patienten sollten wissen wie sie sich schützen können.
Genau das sollte Thema sein! Wir müssen den Druck erhöhen damit Krankenhäuser aktiver werden!
Die Zahlen sind zwar niedrig aber trotzdem beunruhigend! Ich finde es wichtig darauf hinzuweisen, dass auch ein kleiner Prozentsatz Auswirkungen auf viele Menschen hat.
Es ist gut zu sehen, dass sich etwas in der Behandlungsqualität tut! Aber ich frage mich: Was wird unternommen, um medizinisches Personal besser auf Fehler zu schulen?
Das ist ein wichtiger Punkt! Ich habe gehört, dass Schulungen oft vernachlässigt werden. Sollte dies nicht oberste Priorität haben?
Ja genau! Und wie sieht es mit der Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten aus? Ist dies ein Bereich wo man mehr investieren sollte?
Die Zahl der ‚Never Events‘ sinkt, was positiv ist! Doch ich mache mir Sorgen um die nicht gemeldeten Fälle. Wie könnte man Anreize schaffen, damit mehr Meldungen erfolgen?
Das wäre interessant zu wissen! Vielleicht könnte eine Anonymität bei der Meldung helfen? Glaubt ihr, das würde mehr Menschen ermutigen?
Ich denke auch, dass eine offenere Kultur in den Krankenhäusern hilfreich wäre. Wie können wir als Gesellschaft Druck ausüben für solche Veränderungen?
Ich finde die Statistiken über Behandlungsfehler sehr interessant. Obwohl die Zahlen niedrig erscheinen, frage ich mich, wie viel Vertrauen wir wirklich in diese Statistiken setzen können? Gibt es dazu unabhängige Studien?
Das ist ein guter Punkt, Otmar. Ich denke auch, dass wir mehr Informationen über die Dunkelziffer bräuchten. Was denkt ihr über die Rolle von Patientenorganisationen bei dieser Thematik?
Ich finde die Diskussion um Fehlerkultur in Kliniken wichtig. Wie können wir sicherstellen, dass alle Fehler tatsächlich gemeldet werden? Was könnte das System verbessern?